Analyse
Bilderberg-Konferenz in Stockholm: Eliten unter sich
In Stockholm hat am 12. Juni die diesjährige Bilderberg-Konferenz begonnen. Bis zu 150 geladene Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Militär und Medien beraten unter Ausschluss der Öffentlichkeit über geopolitische und gesellschaftliche Entwicklungen. Doch die Intransparenz der Konferenz wirft zunehmend kritische Fragen auf – auch wegen eines brisanten Begriffs auf der Themenliste.

Protest gegen die Bilderberger 2010 in Spanien.
Foto: JOSEP LAGO/AFP/Getty Images
Am Donnerstag, 12. Juni, hat in Stockholm die alljährliche Bilderberg-Konferenz begonnen. Sie wird bis kommenden Sonntag dauern. Zwischen 120 und 150 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Militär, Medien und öffentlichem Leben sind regelmäßig dazu eingeladen. Die 1954 ins Leben gerufene Konferenz hat einen transatlantischen Schwerpunkt und soll der Diskussion aktueller Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dienen.
Vertraulicher Raum für Gespräche
Sinn der Konferenz ist es, einen geschützten Raum für einen freien und offenen Meinungsaustausch zwischen hochrangigen Entscheidungsträgern zu schaffen. Im Alltag ist dies aufgrund des Termindrucks und strenger protokollarischer Vorgaben in dieser Form kaum möglich. Außerdem ist während des Treffens keine Presse vorgesehen – abgesehen von den Medienvertretern, die zum Zwecke der Diskussion geladen wurden.
Die Treffen finden unter strikter Geheimhaltung statt und unterliegen den sogenannten Chatham-House-Regeln. So dürfen die Inhalte der Gespräche zwar in zusammengefasster und allgemeiner Form wiedergegeben werden. Eine Zuordnung zu einzelnen Teilnehmern ist jedoch nicht gestattet.
Die Konferenz soll unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen, wechselseitiges Verständnis fördern und informelle Netzwerke stärken. Zudem steht der Aufbau von sozialem und kulturellem Kapital im Vordergrund – vor allem auch von Beziehungen, die sich für Kooperationen oder Verständigungen in Krisenzeiten nutzen lassen.
Welt von gestern diskutiert das Morgen?
Teilnehmer sollen zudem einen Einblick in Sichtweisen und Einschätzungen anderer Eliten erhalten. Die Vertraulichkeit der Bilderberg-Konferenz bietet dazu eine Möglichkeit, da auch sensible oder so nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen und Eindrücke ausgetauscht werden können. Auch die offizielle Seite zum Treffen weist kein Impressum auf. Es deutet aber vieles darauf hin, dass die Seite authentisch ist, da auch zu vergangenen Treffen nachprüfbare und umfangreiche Informationen zu finden sind.
Offen bleibt, wie nutzbringend dies heute noch sein kann, angesichts der Tatsache, dass sich der Teilnehmerkreis fast ausschließlich auf europäische und nordamerikanische Entscheidungsträger beschränkt. Selbst beim Weltwirtschaftsforum (WEF), das regelmäßig im Januar in Davos stattfindet, sind deutlich mehr einflussreiche Persönlichkeiten aus BRICS-Staaten oder jenen des Globalen Südens vertreten.
Auch in diesem Jahr sind der offiziellen Einladungsliste zufolge fast ausschließlich Teilnehmer aus den USA, Kanada und dem EU/EWR-Raum eingeladen. Es finden sich hingegen keine Teilnehmer aus Ländern wie Israel, Argentinien oder Mexiko – trotz deren wirtschaftlicher und geopolitischer Bedeutung für die Länder der alten transatlantischen Allianz.
Ausnahmen bilden lediglich der türkische Finanzminister Mehmet Şimşek und dessen Landsmann Murat Özyeğin vom Mischkonzern Fiba. Aus der Ukraine wird Dmytro Kuleba anreisen – dieser ist im Jahr 2024 als Außenminister zurückgetreten. Allerdings ist die veröffentlichte Teilnehmerliste nicht vollständig, sodass es möglich ist, dass auch aus anderen Ländern Gäste zur Konferenz anreisen werden.
Wer beim Bilderberg-Treffen erwartet wird
Aus Deutschland werden unter anderem Vizekanzler Lars Klingbeil, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche teilnehmen. Dazu kommt aus der Politik noch der frühere Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Zu den prominentesten Teilnehmern zählen in diesem Jahr NATO-Generalsekretär Mark Rutte, sein Amtsvorgänger Jens Stoltenberg und US-General Christopher Donahue. Angekündigt sind auch Polens Außenminister Radosław Sikorski, Kanadas Premier Mark Carney und Pfizer-CEO Albert Bourla.
Wenig überraschend ist auch das Erscheinen von Prominenten wie Palantir-CEO Alex Karp, Investor Peter Thiel, Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner oder Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing. Sie alle sind Mitglieder im 30-köpfigen „Steering Committee“, das Jahr für Jahr über die Einladungspolitik entscheidet. Den Vorsitz des Gremiums haben Museumsdirektorin Marie-Josée Kravis und Henri de Castries vom Thinktank „Institut Montaigne“ inne.
Dieser Lenkungsausschuss besteht aus etwa 30 bis 35 Mitgliedern. Diese wählen den Vorsitzenden und die beiden ehrenamtlichen Generalsekretäre aus – jeweils nach Beratung und Empfehlung durch den Ausschuss selbst. Kriterien für die Auswahl der Gäste sind Einfluss, fachliche Erfahrung, Ansehen und internationale Kontakte.
Ausgewogenheit mit engen Grenzen
Die Konferenz strebt hinsichtlich der Teilnehmer auch ein parteipolitisches Gleichgewicht und eine ausgewogene Mischung aus den einzelnen Tätigkeitsbereichen an. Die Auswahl der Gäste lässt allerdings den Schluss zu, dass die politischen Machtverhältnisse und ein gewisser Grundkonsens, wie sie zum Zeitpunkt der Gründung der Konferenz bestanden hatten, eine Richtschnur bieten.
So waren mehrere Persönlichkeiten, die im internationalen Kontext als kontrovers und polarisierend wahrgenommen werden, zwar beim WEF zu Gast – nicht aber beim Bilderberg-Treffen. Donald Trump, Javier Milei, Viktor Orbán, Robert Fico oder Sebastian Kurz sprachen beim WEF. An Bilderberg-Treffen waren sie jedoch nicht – obwohl dessen Organisatoren nach eigenen Angaben Wert auf unterschiedliche Perspektiven legen.
Die teilweise Intransparenz bezüglich der Teilnehmer und der Gesprächsinhalte haben in der Öffentlichkeit vielfach Spekulationen bis hin zu Verschwörungserzählungen begünstigt. Auch die Presseerklärung zum diesjährigen Treffen hat diesen Nahrung gegeben.
Unglückliche Übersetzung? „Depopulation“ als Thema auf der Tagesordnung
Auf der Liste der Gesprächsthemen finden sich in Anbetracht des Weltgeschehens erwartungsgemäß solche wie die transatlantischen Beziehungen, die Ukraine, die US-Wirtschaft oder der Nahe Osten. Auch militärische Themen und Proliferation (die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen) stehen auf der Tagesordnung, dazu kommen Energiepolitik und deren geopolitische Implikationen.
Sprechen möchte man auch über den vor allem in Europa drastischen Bevölkerungsrückgang und die Auswirkungen von Migration. Für den Rückgang der Einwohnerzahlen hat man dabei den Begriff „Depopulation“ gewählt. Dieser Begriff hat bei einigen Kommentatoren wie Jon Fleetwood für Irritationen gesorgt, da dieser in der Vergangenheit häufig mit Programmen zur forcierten Geburtenkontrolle assoziiert wurde. In UNO-Dokumenten ist bezüglich der seit Mitte der 1980er-Jahre weltweit sinkenden Geburtenraten stattdessen von „population decline“ oder „demographic change“ die Rede.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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