Brüssel will Mehrheitsbeschlüsse in EU-Steuerpolitik einführen

Die EU-Kommission will bei Steuerfragen "schrittweise" Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit einführen. Bisher ist die Einstimmigkeit neben der Steuerpolitik nur noch in der Außen- und Sicherheitspolitik vorgeschrieben.
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Vor der EU-Kommission in Brüssel.Foto: iStock
Epoch Times15. Januar 2019

Die EU-Kommission will bei Beschlüssen zur europäischen Steuerpolitik den Zwang zur Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten abschaffen. Bei EU-Steuerfragen sollten in bestimmten Bereichen „schrittweise“ Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit eingeführt werden, sagte Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Dienstag in Straßburg. Europas Bürger sähen das Vorgehen gegen Steuervermeidung und -betrug als Priorität. Dem müsse Rechnung getragen werden. Unterstützung kam von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

Der Übergang solle zunächst bei „den offensichtlichsten, dringendsten und konsensfähigsten Fragen“ erfolgen, sagte Moscovici. Es gehe auch nur „um bestimmte Steuerfragen“, die in der Diskussion mit den Mitgliedstaaten noch genau bestimmt werden müssten. Die Kommission wolle keinesfalls „neue Kompetenzen, neue Steuern, neue Einnahmen oder Steuersätze harmonisieren“.

Brüssel verwies in einer Mitteilung auf Milliardenausfälle durch Steuerflucht und Steuervermeidung wegen einer nicht erfolgten Abstimmung der Mehrwertsteuersätze und einer fehlenden gemeinsamen Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer. Auch eine Finanztransaktionssteuer und eine Steuer auf große Internet-Konzerne seien bisher an dem Einstimmigkeitsprinzip gescheitert.

Er könne niemandem außerhalb der EU erklären, „warum wir ewig gebraucht haben, damit für E-Books dieselben Mehrwertsteuer-Sätze gelten sollen wie für herkömmliche Bücher“, sagte auch Scholz laut Redetext bei einer Veranstaltung in Berlin. Die EU-Staaten sollten sich deshalb „nicht reflexhaft jeder Diskussion“ darüber verweigern, „ob wir behutsam auch in Teilen des Steuerbereichs zu Mehrheitsentscheidungen übergehen können“.

Die Bürger erwarteten, „dass Europa handlungsfähig ist“, sagte Scholz. Dies sei

kein Verlust an Souveränität, sondern die Voraussetzung dafür, dass wir zu Hause und in der Welt ernst genommen werden“.

Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU), begrüßte den Kommissionsvorstoß grundsätzlich. „Wenn es um fairen Steuerwettbewerb geht, kommen wir in der EU viel zu langsam voran“, erklärte er. „Wir haben in der Vergangenheit mehr als einmal gesehen, wie die größten Steuersünder die Entscheidungsfindung im Ministerrat ausgebremst haben.“ Allerdings dürften aus Brüssel nicht „Steuersätze per Mehrheitsentscheid diktiert werden“.

Dass ihr Vorschlag noch vor der Europawahl im Mai verabschiedet werden könnte, glaubt auch die Kommission nicht. Moscovici sagte bereits am Montag, es werde „schwierig“, bis zum Ende der Legislaturperiode im März die Zustimmung der Mitgliedstaaten für die geplante Umstellung zu erhalten. Denn diese müsste nach dem von der Kommission gewählten Verfahren einstimmig erfolgen. Jedes EU-Land hätte damit ein Vetorecht.

Der Zwang zur Einstimmigkeit in der EU wurde durch den 2009 in Kraft getretenen Reformvertrag von Lissabon in vielen Bereichen beseitigt. Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit sind heute über alle Ressorts hinweg die am stärksten verbreitete Abstimmungsmethode. Vorgeschrieben ist die Einstimmigkeit neben der Steuerpolitik noch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Auch hier gibt es Forderungen nach der Einführung von Mehrheitsbeschlüssen. (afp)



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