Corona-Krise spaltet UNO: Generaldebatte online – Pro Land nur ein Vertreter zugelassen

Ab 22. September findet in New York die alljährliche Generaldebatte der Vereinten Nationen statt. Pro Land ist nur ein Vertreter erlaubt, der bereits in den USA sein muss – die Vereinten Nationen feiern damit ihr 75-jähriges Bestehen überwiegend per Video. Experten raten der UNO, sich gegen den Ehrgeiz Chinas zu wehren und an ihren Grundwerten festzuhalten.
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Am 9. September 2020 auf einer leeren First Avenue in der Nähe des Hauptsitzes der Vereinten Nationen in New York.Foto: DANIEL SLIM/AFP über Getty Images
Epoch Times20. September 2020

Die Vereinten Nationen feiern am Montag ihr 75-jähriges Bestehen unter dem Motto „Multilateralismus ist keine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit“. Das Jubiläum fällt mit dem Auftakt der jährlichen UN-Generaldebatte am Dienstag zusammen, für die gewöhnlich Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter aus fast 200 Ländern in New York zusammenkommen. Dieses Jahr aber wird der schier endlose Konvoi an Limousinen vor dem UN-Hauptquartier in New York ausbleiben.

Pro Land ist nur ein Vertreter zugelassen, der sich bereits in den USA befinden muss. Alle anderen, darunter zwischen 160 und 170 Staats- und Regierungschefs, die Reden geplant haben, werden per Video zugeschaltet.

Staatschefs online zugeschaltet

Am Dienstag sollen Russlands Staatschef Wladimir Putin, US-Präsident Donald Trump sowie ihr chinesischer Kollege Xi Jinping per Video-Übertragung sprechen. Am Mittwoch ist Venezuelas Präsident Nicolás Maduro an der Reihe.

UN-Generalsekretär António Guterres bedauerte, die Staats- und Regierungschefs nicht persönlich zusammenbringen zu können. „Diplomatie braucht den persönlichen Kontakt, um effektiv zu sein“, sagte er. Es solle aber „viele virtuelle Treffen“ am Rande der Generaldebatte geben, etwa zu den Themen Klimawandel, Biodiversität und den Krisen in Libyen und dem Libanon.

Gemeinsame Erklärung

Zu Beginn der Generaldebatte wird es anlässlich des 75. Jubiläums der Weltorganisation eine gemeinsame Erklärung geben, über die im Vorfeld lange verhandelt wurde. Es ist ein Papier voller guter Absichten und eine Erklärung gegen den Unilateralismus.

Bertrand Badie, Professor am Institut für politische Studien in Paris, sieht im Umgang mit der Corona-Krise eine verpasste Chance, die internationale Kooperation zu stärken. Stattdessen sei die internationale Zusammenarbeit schwer beschädigt worden. Das Verhalten der Supermächte USA und China habe zu einem Scheitern des UN-Sicherheitsrats geführt, der genau in solchen weltweiten Krisen eine Führungsrolle übernehmen sollte, sagte Badie. Das sei ein „sehr schlechtes Zeichen für die Zukunft“.

Die gemeinsame Erklärung gesteht „Momente der Enttäuschung“ in der 75-jährigen Geschichte der UNO ein. „Unsere Welt ist noch nicht die, die sich unsere Gründer vor 75 Jahren vorgestellt hatten“, heißt es dort unter Verweis auf wachsende Ungleichheit, Armut, Hunger, bewaffnete Konflikte, Terrorismus und den Klimawandel.

Doch die Erklärung betont auch, dass die UNO seit ihrer Gründung in Dutzenden Konflikten vermittelt, durch humanitäre Hilfe hunderttausende Leben gerettet, die Entkolonialisierung vorangetrieben, Freiheitsrechte unterstützt, Krankheiten besiegt und Millionen von Kindern Zugang zu Bildung verschafft habe. Angesichts der Corona-Krise gebe es eine „historische Chance, den Wiederaufbau besser und grüner“ zu gestalten.

Rat an die UNO: Sich gegen China wehren

Chinas Versuche, die UNO zu seinem Instrument zu machen, könnten die Organisation von innen heraus zerstören, so Experten in einer Analyse von „The Diplomat“ im Mai. Sie raten der UNO, sich gegen den Ehrgeiz Chinas zu wehren und an ihren Grundwerten festzuhalten.

Die Rolle Chinas in den Vereinten Nationen wird immer aktiver. Gegenwärtig werden vier der 15 UN-Sonderorganisationen von chinesischen Staatsbürgern geleitet, darunter die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), die Internationale Fernmeldeunion (ITU), die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDP) und die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO).

Dazu kommt, dass Chinas Beitrag 12 Prozent des UN-Budgets ausmacht – somit ist das Land der Mitte der zweitgrößte Geldgeber der UNO. Eine Analyse des Nachrichtenmagazins „The Diplomat“ zeigt, dass „Chinas größere Führungsrolle in den Vereinten Nationen den Verdacht weckt, dass es Vorteile daraus ziehen könnte“.

Der Analyse zufolge will das chinesische Regime die Organisation umgestalten, damit sie seinen Interessen entspricht.

China zur Verantwortung für Corona ziehen

In einem Artikel für das Fachblog für nationale Sicherheit „War On The Rocks“ befasste sich der US-Völkerrechtsexperte James Kraska vom Stockton Center für Völkerrecht am U.S. Naval War College mit der Frage, ob das Regime in Peking mit seinem Vorgehen in der Corona-Krise internationales Recht verletzt hat – und wie man China in diesem Fall zur Verantwortung ziehen könnte.

Kraska sieht seit dem ersten Auftreten der Seuche eine Vielzahl an Handlungen oder Unterlassungen vonseiten des Regimes, die völkerrechtlichen Verpflichtungen zuwiderlaufen, denen Peking selbst zugestimmt hatte.

Im Wesentlichen geht es dabei um Verpflichtungen aufgrund der Internationalen Gesundheitsvorschriften, die in ihrer aktuellen Fassung aus dem Jahr 2005 alle 194 Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) binden. Zu diesen gehört es unter anderem, unverzüglich Informationen zu sammeln und zur Verfügung zu stellen über Notfälle im Bereich der öffentlichen Gesundheit, pathogene Mikroorganismen oder Infektionskrankheiten, die potenzielle internationale Implikationen haben könnten.

China müsste Reformen in der UN zustimmen – UN-Experten pessimistisch

Für Reformen wäre die Zustimmung der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates erforderlich – also der USA, Chinas, Russlands, Frankreichs und Großbritanniens. Diese fünf aber würden sich dagegen wehren, weil Reformen „zu einer Überholung der internationalen Gemeinschaft und dem Verlust ihrer Privilegien“ führen würden, sagte Badie.

„Ich bin pessimistisch, was die Chancen für eine echte UN-Reform angeht“, sagte der UN-Experte Richard Gowan von der International Crisis Group. Er sehe die für Reformen nötige Kompromissbereitschaft zwischen den USA und China derzeit nicht. (afp/ks)



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