Der Aufstand in Ägypten als Lehre für Israel

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Ein ägyptischer Soldat hält Wache an der ägyptisch-israelischen Grenze.Foto: Uriel Sinai/Getty Images
Von 24. Februar 2011

Obwohl die konkreten Auswirkungen des Aufstandes in Ägypten auf Israel noch unbekannt sind, kann bereits jetzt eine Lehre aus den Geschehnissen gezogen werden: die verpasste Chance Frieden mit den arabischen Staaten zu schließen, könnte katastrophale Auswirkungen haben.

Natürlich sehen viele Israelis den Zusammenbruch der einst hochgelobten ägyptischen Regierung und argumentieren, dass das zunehmend unsichere Naturell der arabischen Regimes bedeutet, dass jedes Friedensabkommen mit ihnen genauso unsicher wäre.

Aber anstatt das als eine Entschuldigung zu benutzen, um keinen Frieden zu schließen, sollte Israel die Geschehnisse und die Unsicherheit die diese bewirken, als Warnung verstehen: wenn man die Gelegenheit verpasst, einen Status quo zu errichten, der Frieden und Sicherheit für Israel bedeutet, wird das zu einem Status quo der Instabilität, Bedrohung und Konflikte in der Region führen.

Gewiss, hätte Israel die Friedensinitiative der Arabischen Liga (die Arab League’s Peace Initiative) angenommen und normale Beziehungen zu den 22 Mitgliedern aufgebaut, hätte die Angst in Bezug auf das gefährdete ägyptisch-israelischen Friedensabkommen, die Israel fest im Griff hat, abgebaut werden können.

Stattdessen sieht Israel drei möglichen Szenarien entgegen, auf die es sich vorbereiten muss: Erstens ein Ägypten, das hauptsächlich von der Muslim-Bruderschaft beeinflusst wird, die Israel aus Prinzip ablehnt; zweitens die Etablierung einer weitestgehend säkularen Regierung, wenn auch nicht so israelfreundlich wie die Regierung unter Mubarak; drittens da das ägyptische Militär seit jeher hinter dem israelisch-Ägyptischen Friedensabkommen stand, ist eine Weiterführung ähnlicher bilateraler Beziehungen nicht auszuschließen.

Aufgrund der momentanen Entwicklungen kann man annehmen, dass eines der drei Szenarien eintreten wird. Israel muss indessen seine Politik gegenüber den arabischen Staaten neu ausrichten, denn was in Tunesien und besonders in Ägypten vorgefallen ist, wird auf die eine oder andere Art Auswirkungen auf andere arabische Länder haben und der Mittlere Osten wird nie mehr derselbe sein.

Ängste

Die Muslim-Bruderschaft bleibt die einzige bedeutsame organisierte Opposition in Ägypten, die durch ihr Netzwerk von im ganzen Land angebotenen sozialen Engagements gestärkt wird. Während die Muslim-Bruderschaft als politische Bewegung angesehen wird, hat sie eine breite Basis für viele extremistische Muslime in der Region, inklusive der Hamas, geschaffen.

Israel ist zu Recht tief darüber besorgt, dass der Vorsprung der Bruderschaft auf andere Gruppen in politischen Organisationen, es ihr erlauben könnte, entscheidenden Einfluss auf das demokratische Ägypten zu haben oder es sogar zu Regieren. Wenn die Bruderschaft eine führende Rolle im größten und einflussreichsten arabischen Land einnehmen würde, würde das Ängste vor dem potentiellen Zuwachs islamistischer Bewegungen in anderen Nationen einschließlich Jordanien schüren.

Einer dieser Ängste ist, dass islamistische sunnitische und schiitische Gruppen sich mit einer möglichen iranischen Unterstützung gegen den gemeinsamen Feind Israel verbünden und die aufkeimende Unterstützung einiger arabischer Länder bei Israels Bemühungen, das iranische Nuklearprogramm zu stoppen, beendet wird.

Darüber hinaus müsste Israel bei einer dramatischen Änderung der Politik Ägyptens bei der Frage des Gaza-Streifens eine hohe Anzahl militärischer Ressourcen an die Grenze zu Ägypten senden, an der es seit dreißig Jahren keine Unruhen gegeben hat. Zudem würde ein Ende der intensiven Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Geheimdienst ein hohes Maß an Investitionen erfordern, um Anhänger in einer Nation zu finden, die einst nur feindlich gesinnt war, aber jetzt offen ist für eine islamistische Bewegung in der Region.

Letztendlich würde ein feindlich gesinntes Ägypten wahrscheinlich die Lieferung von Energie beenden, von der Israel mehr und mehr abhängig geworden ist.

Diese Ängste werden bereits von Premierminister Benjamin Netanjahu ausgedrückt, der in seiner Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel andeutete, dass die ägyptische Revolution die Form der iranischen im Jahr 1979 annehmen könnte. „Unsere größte Angst haben wir vor einer Situation, die sich entwickeln könnte … und die sich bereits in verschiedenen anderen Ländern einschließlich des Iran – repressive Regimes des radikalen Islam entwickelt hat.

Unsicherheit

Unterdessen betonen viele, dass die Unsicherheit, die die arabische Welt im Griff hat, es nahezu unmöglich macht, Friedensabkommen sicher aufrechtzuerhalten, selbst mit Hilfe repressiver Diktatoren. Der zunehmende Einfluss der Muslim-Bruderschaft in Ägypten könnte diese Sorge verschlimmern, während Israel gelähmt wird und der Status quo in der Region langsam zerbröckelt.

Das zweite Szenario, das aus der Sicht Israels das erstrebenswertere wäre, wäre der Aufstieg eines säkularen demokratischen Ägyptens, das ein Friedensabkommen mit Israel und gute Beziehungen mit den Vereinigten Staaten aufbauen würde. Die Hoffnung bei diesem Szenario liegt auf der ägyptischen Armee und deren Bemühungen beim Übergang vom Mubarak-Regime zu einem demokratischen Ägypten, frei vom Einfluss der Islamisten.

Jede neue Regierung würde die Auswirkung der Beendigung der 1,5 Milliarden US-Dollar- Entwicklungshilfe spüren, die die Vereinigten Staaten Ägypten jährlich zukommen lassen und die weitestgehend auf die Aufrechterhaltung des ägyptisch-israelischen Friedensabkommens zurückzuführen sind. Das ägyptische Militär hat lange die Zusammenarbeit mit Israel aufrechterhalten, indem es seine Truppen von der Halbinsel Sinai fernhielt und das Friedensabkommen nie verletzte, bis Israel dem ägyptischen Militär während der Proteste letzter Woche gestattete, den Sinai zu betreten.

Die Aussicht, dass das ägyptische Militär die Hilfe der Vereinigten Staaten weiterhin erhalten und die Zusammenarbeit mit dem Pentagon und dem israelischen Geheimdienst aufrechterhalten möchte, gibt Hoffnung, dass ein demokratisches Ägypten sich eher nach dem Vorbild der Türkei als dem des Iran orientieren könnte.

Das bedeutet, dass – sobald sich der aufgewirbelte Staub in Ägypten wieder gelegt hat und egal welche politische Partei oder welche Koalition die Macht übernimmt – Israel eindeutig klarmachen sollte, dass es die Absicht hat, die bilateralen Beziehungen und das Friedensabkommen mit Ägypten zu befolgen und zu respektieren. Israel sollte die neue ägyptische Regierung, so wie es auch mit der Alten auch verfahren hat, dazu einladen, bei der Schlichtung zwischen Palästina und Israel eine entscheidende Rolle zu spielen. Es ist interessant, dass während der Aufstände Israel zu keinem Zeitpunkt für die Probleme und Mängel der Regierung verantwortlich gemacht wurde, was Gutes für die zukünftigen Beziehungen der beiden Länder verheißen mag.

Sollten die Beziehungen zwischen Ägypten und Israel sowie zwischen Ägypten und den USA weiter ausgebaut werden, muss Israel dennoch über die Folgen der Proteste besorgt sein. Ägyptens Rolle als das Zentrum der arabischen Kultur könnte eine Welle der Reformen in der ganzen Region auslösen.

Andere arabische Führer arbeiten bereits daran, den Protestwellen einen Schritt voraus zu sein. König Abdullah von Jordanien hat sein Kabinett einschließlich dem Premierminister Samir Rifai, entlassen und der Präsident des Jemen Ali Abdullah Saleh erklärte, dass er nicht zur Wiederwahl antreten und die Macht zum Ende seiner Amtszeit 2013 auch nicht an seinen Sohn übergeben wolle. Bis zu welchem Grad solche Veränderungen die Massen befriedigen können, bleibt indes abzuwarten.

Die Chance

In beiden Szenarien wird Israel bereit sein müssen, sich mit einer Region zu befassen, die sich im Wandel befindet. Darin liegt aber auch die Chance, die gegenwärtige Situation zu nutzen.

Israel sollte zusätzlich zu einem Erhalt des Friedens mit dem sich neu formierenden Ägypten bilaterale Friedensabkommen mit Syrien, den Palästinensern und den Libanesen verfolgen. Tatsächlich wird es nie einen wirklich idealen Zeitpunkt zum Frieden schließen geben; es wird immer eine große Unsicherheit und ein gewisses Maß an Risiko bestehen. Allerdings ist das Risiko, keinen Frieden zu erzielen oder nur bilaterale Friedensabkommen zu schließen, die andere Konflikte ungelöst lassen, einfach inakzeptabel in einer Zeit, in der sich Israel zunehmend durch islamistische Radikale bedroht sieht, sei es durch den Iran im Osten, der Hamas im Süden oder der Hisbollah im Norden.

Die Friedensinitiative der arabischen Liga bietet eine Möglichkeit, Risiken zu minimieren und eine maximale Gegenleistung zu erhalten: eine normale Beziehung zu seinen zweiundzwanzig Nationen. Es ist Fakt, dass sich die Gefahr einer Bedrohung mit jedem arabischen Staat verringert, der ein Friedensabkommen unterzeichnet. Sollte ein arabisches Land das Abkommen verletzen, hätte es damit auch das Friedensabkommen mit allen anderen arabischen Nationen verletzt und nicht nur das mit Israel. Der Einsatz wäre für alle Beteiligten größer und die daraus resultierende Vereinbarung umso sicherer.

Natürlich bleibt abzuwarten, ob die Arabe Peace Initiative (API) diese Periode von Unruhen überstehen wird. Israel sollte es nicht verpassen, diese Initiative ein für alle Mal zu nutzen. Es kann damit begonnen werden, indem der API die Absicht signalisiert wird, Ägypten und Jordanien einzuschalten, die bei der API den gemeinsamen Vorsitz innehaben, und die Bereitschaft zu zeigen, die Grundsätze der Initiative als Basis für Verhandlungen mit den Palästinensern und der arabischen Welt im Allgemeinen zu akzeptieren.

Israel muss signalisieren, dass es darauf vorbereitet ist, die ägyptische Demokratie zu unterstützen, mit der ägyptischen Regierung, die schließlich gebildet wird, zusammenzuarbeiten, was der Erhaltung und Förderung der israelisch-ägyptischen Beziehung dient. Doch das Wichtigste ist, sich der Palästinenserfrage zuzuwenden.

Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert und der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kamen 2008 bis 2009 mit der Erstellung eines Israel-Palästina-Abkommens sehr weit und es gibt keinen Grund, warum Israel mit Unterstützung der Obama-Regierung die Verhandlungen nicht wieder an dem Punkt aufnehmen könnte, wo sie abgebrochen wurden.

Die ägyptische Revolution hat das Potenzial für viele große und positive Entwicklungen, aber natürlich besteht immer die Möglichkeit, dass die Revolution einen längeren Zeitraum der Instabilität bedeutet. Israel muss sich unter allen Umständen auf die Schaffung des Friedens konzentrieren und die Ägypter einladen, zur Schaffung dieses Friedens wesentlich beizutragen. Dies würde auch eine kraftvolle Botschaft sein: dass Israel bereit ist, für einen neuen, nachhaltigen Status im Mittleren Osten auf der Grundlage von friedlichen Beziehungen zu allen Nachbarn aktiv zu werden und Sicherheit für die gesamte Region zu schaffen.

Eine Version dieses Artikels wurde ursprünglich in der Jerusalem Post veröffentlicht. Alon Ben-Meir ist Professor für Internationale Beziehungen im Center for Global Affairs in NYU. Er gibt Kurse über internationale Verhandlungen und Nahost-Fragen.

Artikel auf Englisch: Egyptian Uprising Has Lessons for Israel

 



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