„Die Perlenfischer“ von Bizet mit Joseph Calleja im Konzerthaus am Gendarmenmarkt Berlin

Epoch Times8. Juni 2013

Es gibt Lebensumstände, die nur die Oper mit Würde darstellen kann. Eine Geschichte, die alle Klischees des 19. Jahrhunderts bediente und von ihren Machern als „infamer Theaterschinken“ eingestuft wurde, ist die Oper „Die Perlenfischer“ von Georges Bizet aus dem Jahr 1863.

Die damalige Lust am Exotischen wollte man mit einer Handlung bedienen, in der weiße Sandstrände, Urwald und eine verschleierte Schönheit mitspielen. In akute Gefahr geraten dabei ein Keuschheitsgelübde und eine Männerfreundschaft. Am Ende siegen Liebe und Menschlichkeit über die Eifersucht, und den Rachedurst der Urwaldbewohner Sri Lankas – noch vor der Erfindung Hollywoods.

Um Peinlichkeiten aus dem Weg zu gehen, spielt man das Stück heute meist konzertant, wo es seine Qualitäten unter Beweis stellt und das Publikum beglückt, wie am Mittwoch im Konzerthaus am Gendarmenmarkt Berlin. Es wurde ein fulminanter Erfolg. Joseph Calleja, Christoph Pohl, Ekaterina Siurina und Ante Jerkunica waren die Solisten. Begleitet wurden sie von Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin, die das Konzert veranstaltete.

Das Zugpferd des Abends war Joseph Calleja als Nadir, dessen Fangemeinde vor Erwartungsfreude glühte. Einige ganz Unerschrockene versuchten, zwischen den ersten Nummern zu klatschen, doch Dirigent Guillermo García Calvo unterband weitere Unterbrechungen. Mit transparenter Klarheit dirigierte er das Orchester der Deutschen Oper an der inneren Spannungskurve des Stückes entlang und unterstützt durch den leichten Nachhall des Konzerthauses am Gendarmenmarkt fand Bizets Musik Raum zum Aufblühen. Man erlebte ein Meisterwerk, in dem das exotische Kolorit niemals oberflächlich bleibt und in dem Schilderungen der Natur und der Emotionen zu poetischen Klangbildern ineinander fließen – erhaben über jeden Kitschverdacht.

Die Aufführung war eine beständige Kurve nach oben und das, obwohl ihr gefühlter Höhepunkt schon in Minute 17 stattfand: Joseph Calleja schmetterte das Freundschaftsduett „Au fond du temple saint“ so hemmungslos, dass dem auf Stil und gute Manieren bedachten Christoph Pohl nichts übrig blieb, als sich genauso in die Brust zu legen. Die Beiden ernteten einen nicht endenwollenden Jubelsturm, der andernorts „triumphaler Schlussapplaus“ heißen würde. Ab seiner wehmutsvollen Arie „Je crois entendre encore“ war Calleja dann bei dem geschmackvollen, lyrisch gefärbten Tenorklang angekommen, für den er eigentliche berühmt ist.

Fantastische Nuancen und Wandlungsfähigkeit präsentierte Ekaterina Siurina als Leila. Ähnlich wie die Marguerite aus Gounods „Faust“ ist die Priesterin eine echt französische Heldin, die verspielten Charme in ihrer Koloraturarie, lyrische Finesse in der Liebesszene und gegen Ende großes Drama bieten muss. Die Sopranistin meisterte all dies mit Bravour und vor allem mit Herz und großer Ausstrahlung. Eine Traumbesetzung. Das Liebesduett gelang ihr und Calleja mit einer Synergie, die Gänsehaut hervorrief.

Kurz vor Schluss punktete Christoph Pohl mit seinem eleganten Bariton und intensivem Monolog des Zurga entscheidend in der Publikumsgunst. Als gekränkter Freund und Liebender lief er zu tragischer Größe auf und kratzte als Charakterdarsteller glaubwürdig die Kurve zur Befreiungstat, mit der er das Liebespaar rettet. Kongenial gelang Ante Jerkunica die Nebenrolle des Nourabad. Er packte sein gesamtes Potential in die kurze Partie und war einmal mehr als führender Bass der Deutschen Oper zu erleben – von der überreich strömenden Fülle und Warmherzigkeit bis zum eiskalten Ausbruch.

Großen Anteil an den intensiven und unterschiedlichen musikalischen Atmosphären des Abends hatte der Chor der Deutschen Oper, einstudiert von William Spaulding. Über das ganze Stück untermalten die Damen und Herren das Geschehen mit so unterschiedlichen Aufgaben wie den tänzerisch leichten Parlandi der Eröffnungsszene, strahlenden Hymnen und Gebeten und wütenden Rache-Rufen. Sie ernteten für ihre vollendete Gesangskultur riesigen Applaus.

Die konzertante Aufführung der „Perlenfischer“ von Bizet im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin überzeugte als Plädoyer, dieses vernachlässigte Meisterwerk öfter zu spielen.



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