Frankreichs Premier im „Knochenjob“: Macrons Signal an die Konservativen

Die Arbeit des Regierungschefs ist ein Knochenjob. Und viele Parteifreunde dürften seinen Schritt gar nicht goutieren: Die Mehrheit der Konservativen sieht sich in Opposition zu Macron.
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Premierminister Edouard Philippe (R) wird in Paris von seinem Vorgänger Bernard Cazeneuve (L) zur Amtsübergabe am 15. Mai 2017 begrüßt.Foto: THOMAS SAMSON/AFP/Getty Images
Epoch Times15. Mai 2017

Für die deutsch-französische Zusammenarbeit ist Frankreichs neuer Premierminister Edouard Philippe sicherlich ein Gewinn: Der 46-Jährige hat in Bonn sein Abitur gemacht und spricht gutes Deutsch. Doch nicht deswegen hat Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron sich für Philippe als Regierungschef entschieden. Vielmehr gehört der Bürgermeister von Le Havre, der den meisten Franzosen bislang unbekannt war, den konservativen Republikanern an. Seine Ernennung ist für Macron ein wichtiger Schritt bei der Bildung eines breiten Regierungsbündnisses.

Der Bartträger Philippe gilt als modern und offen und hat keine Berührungsängste mit anderen politischen Lagern: Als Student war er Anhänger des sozialistischen Reformpolitikers Michel Rocard. Während des diesjährigen Präsidentschaftswahlkampfs schrieb er eine wöchentliche Kolumne für die linke Tageszeitung „Libération“. Seine politische Karriere ist eng mit dem konservativen Ex-Premierminister Alain Juppé verknüpft, der dem gemäßigten Republikaner-Flügel angehört und auch bei vielen Linken Ansehen genießt.

Diese Offenheit ist wichtig für Philippes künftige Arbeit als Premierminister: Macron, der sich als weder links noch rechts ansieht, will in seiner Regierungsmannschaft Vertreter verschiedener politischer Strömungen zusammenbringen.

Der 39-Jährige war an der Spitze seiner jungen Bewegung „En Marche!“ an die Macht gekommen. Vor der Parlamentswahl im Juni, die über die künftige Regierungsmehrheit entscheiden wird, muss der Präsident jetzt ein möglichst breites Bündnis schmieden – und will Politiker von Konservativen wie Sozialisten zur Zusammenarbeit bewegen. Philippes Ernennung ist dabei so etwas wie eine ausgestreckte Hand an Vertreter der Republikaner.

Geboren wurde der neue Premier am 28. November 1970 in der nordfranzösischen Stadt Rouen als Sohn zweier Französischlehrer. Das Abitur machte er in Bonn, wo sein Vater das französische Gymnasiums leitete.

Zurück in Frankreich absolvierte Philippe die Elite-Hochschulen Sciences Po und ENA. Das hat er mit Präsident Macron gemeinsam, der ebenfalls die beiden wichtigen Kaderschmieden durchlief.

Auch sonst gibt es Parallelen in der Karriere der beiden Männer. Wie auch Macron, der zwischenzeitlich bei der Investmentbank Rothschild anheuerte, sammelte Philippe Erfahrungen im Privatsektor. Er arbeitete für eine französisch-amerikanische Anwaltskanzlei und für den französischen Atomkonzern Areva, bevor er sich ganz der Politik verschrieb.

2010 wurde der verheiratete Vater von drei Kindern Bürgermeister von Le Havre, wo sein Großvater einst Hafenarbeiter war. Zwei Jahre später wurde er in die französische Nationalversammlung gewählt.

Bei den Konservativen gehört er dem Lager von Ex-Premier Juppé an. Unter dem heute 71-Jährigen war er von 2002 bis 2004 Generaldirektor der neugegründeten Partei UMP, die später in Republikaner umbenannt wurde. Weniger gute Beziehungen pflegt er mit dem konservativen Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy: Die beiden sollen einmal heftig aneinandergeraten und dabei fast handgreiflich geworden sein. „Was sicher ist: Edouard senkt den Blick nicht vor Sarkozy“, sagt ein Freund des Abgeordneten und Boxfans.

Philippe soll Sarkozy auch recht gut nachahmen können, ebenso dessen Vorgänger Jacques Chirac. Freunde loben seinen guten Humor. Allerdings gilt er auch als hochmütig und schroff, manche beschreiben ihn als eingebildet und übertrieben ehrgeizig. „Wie viele brillante Leute hat er vielleicht diese Spur Arroganz“, sagt ein Parteifreund.

Fortan wird der jüngste französische Premier seit mehr als 30 Jahren vor allem ein hartes Fell benötigen: Die Arbeit des Regierungschefs ist ein Knochenjob. Und viele Parteifreunde dürften seinen Schritt gar nicht goutieren: Die Mehrheit der Konservativen sieht sich in Opposition zu Macron.

Die Ernennung Philippes werde „die Rechte zerbrechen“, hieß es am Montag aus Macrons Umfeld. Und Republikaner-Generalsekretär Bernard Accoyer schloss zwar einen Parteiausschluss des 46-Jährigen aus, betonte aber kühl, dieser habe eine „individuelle Entscheidung“ getroffen.   (afp)



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