Eine russische Geheimorganisation beeinflusste die EU

Hat Russland politischen Einfluss auf die EU genommen? Ein internationales Netzwerk von investigativen Journalisten hat die „Mirzakhanian“-Mails aufgedeckt. Sowohl verdeckte als auch offizielle Kanäle wurden unter die Lupe genommen.
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Polizei vor dem EU-Parlament in Straßburg, Frankreich.Foto: iStock
Von 28. Februar 2023

Die ukrainische Presse ist in heller Aufregung über einen Bericht in den internationalen Medien, der Anfang Februar veröffentlicht wurde. Darin wird behauptet, dass eine geheime Gruppe Lobbyarbeit für Russland in den EU-Mitgliedstaaten betrieben habe. Ziel war demnach, die politische Situation kremlfreundlich darzustellen und den Einmarsch in die Ukraine zu unterstützen.

Der Bericht basiert auf dem Inhalt eines E-Mail-Kontos eines russischen Parlamentariers, die Rede ist von Sargis Mirzakhanian. Seine E-Mails verraten viel über Aktionen zur Unterstützung einer prorussischen Haltung. Obwohl die durchgesickerten E-Mails Beweise dafür enthalten, dass die russischen Lobbyisten planten, den Politikern Geld zu zahlen, enthalten sie keine Finanzdokumente, die belegen, dass die Zahlungen geleistet wurden.

Neben diesem Parlamentarier gab es weitere russische Lobbyisten in Brüssel – die bereits vom Europäischen Parlament als unzulässig eingestuft wurden. Offiziell kann Russland in Brüssel aktuell keine Lobbyarbeit betreiben. Eine Kontrolle der Lobbyisten ist jedoch schwierig, über zwölftausend Organisationen sind bei der EU registriert. Sie alle versuchen, die EU-Politik in ihrem eigenen Interesse zu beeinflussen.

Mirzakhanijans E-Mails

Ein internationales Netzwerk von investigativen Journalisten, das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (Projekt zur Berichterstattung über organisierte Kriminalität und Korruption), hat die Mirzakhanian-Mails aufgedeckt. Mirzakhanian leitete in den Jahren nach der Annexion der Krim die Internationale Agentur für aktuelle Politik. Das E-Mail-Konto des Politikers wurde von ukrainischen Hackern geöffnet und in die Medien gebracht.

Die E-Mails enthalten laut Bericht eine Fülle von Informationen, wie russische Lobbyisten planten, Geld an Politiker zu zahlen, um pro-russische Resolutionen durch die europäische Legislative zu bringen. Dies war insbesondere bei Beamten in Italien und Zypern der Fall. Tatsächlich haben das zypriotische Parlament und mehrere italienische Regionalräte die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-Invasion gefordert.

Nach Angaben des „Kyiv Independent“ sei dies der erste umfassende Beweis dafür, dass die Kampagne von Russland aus gesteuert wurde. Die E-Mails zeigen, dass Mirzakhanian ein ganzes Netzwerk aus politischen Analysten, Journalisten, Aktivisten und Akademikern aufgebaut hat. Ihre Aufgabe war, die Interessen des Kremls im Ausland zu fördern.

Warum die ukrainische Presse aktuell so damit umgeht, ist unklar: Das E-Mail-Postfach wurde bereits im Jahr 2020 gehackt; die E-Mails sind auf März 2007 bis September 2017 datiert. Ob das Netzwerk, das mit Mirzakhanian verbunden ist und als International Agency for Current Policy bekannt ist, heute noch aktiv ist, ist ungeklärt. Die Analysten stellten jedoch fest, dass Personen, die mit dem Netzwerk in Verbindung standen, weiterhin pro-russische Aussagen in der EU machen. Mirzakhanian und andere Schlüsselfiguren reagierten nicht auf Anfragen von Journalisten zur Klärung der Vorwürfe, schreibt der „Kyiv Independent“.

Das Netzwerk

Mirzakhanians Organisation wird in den E-Mails als „geschlossener Berufsverband“ beschrieben. Das offizielle Ziel der Organisation ist es, „mit führenden parlamentarischen Parteien und einigen Politikern in der Europäischen Union zusammenzuarbeiten“.

Die Verbindungen der Organisation zur russischen Führung werden durch den Bericht bestätigt, in dem steht, dass Mirzakhanian zwischen 2014 und 2017 „mehr als tausend E-Mails mit Inal Ardzinba, einem Abteilungsleiter in der russischen Präsidialverwaltung, ausgetauscht hat“. Ardzinba arbeitete für Wladislaw Surkow, der damals Chefberater von Präsident Wladimir Putin war.

Die Organisation war in der gesamten EU aktiv. Zu ihren Zielländern gehörten insbesondere Österreich, Deutschland, Italien, Bulgarien, Griechenland, Zypern, Lettland, Rumänien und die Türkei.

Dem Bericht zufolge zielen die russischen Infiltrationsversuche nicht nur auf die nationalen Parlamente in den EU-Ländern, sondern auch auf die Kommunalverwaltungen. Die erfolgreichen pro-russischen Äußerungen wurden Analysten zufolge von der russischen Führung für Propagandazwecke genutzt, sowohl in Russland als auch im Ausland.

Russische Erfolgsgeschichten

Die Aktivitäten der Organisation werden in dem Bericht detailliert beschrieben. Zum einen zeigen die E-Mails, dass Mirzakhanians Gruppe erhebliche Gelder organisierte, um EU-Politiker dazu zu bringen, für Russland positive Anträge in ihrem Land zu unterstützen.

Beispiele dafür sind die Fälle des italienischen Senators Paolo Tosato und des österreichischen Europaabgeordneten Johannes Hübner, die bereits vergangenes Jahr in den Nachrichten waren. Beide Politiker gelten in ihren Heimatländern als rechts. In ihrem Fall ging es darum, in ihren eigenen Parlamenten Resolutionen zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland einzubringen – was sie auch getan haben. Ihre Verbindungen zu Mirzakhanians Geheimorganisation wurden erst jetzt mit dem Bericht aufgedeckt.

Aus den E-Mails geht hervor, dass sowohl für die italienische als auch für die österreichische Resolution „ein Budget von 20.000 Euro zur Verfügung stand, sowie weitere 15.000 Euro im Falle einer erfolgreichen Abstimmung“. Tosato bestritt ebenso wie Hübners Partei (FPÖ), Geld aus Russland für die Resolution erhalten zu haben.

Die Dokumente enthalten separate Projekte für Lettland, Griechenland und auch für die Parlamentarische Versammlung des Europarats. Es gibt keine Beweise für die tatsächliche Umsetzung der Projekte, aber „sowohl in den Regionalräten in Italien als auch im nationalen Parlament in Zypern wurden tatsächlich Beschlusse verabschiedet, die mit Hilfe von Mirzakhanians Apparat verfasst wurden“, berichtet die Organisation.

Bezahlte Luxusreisen und bestochene Politiker

Der Bericht enthält eine Fülle von Informationen über Politiker, die mit der russischen Geheimorganisation zusammengearbeitet haben. Das ermöglichte es, Luxusreisen nach Russland zu finanzieren, wo die Politiker auf Wirtschaftsforen Geschäftskontakte knüpften. Sie erwähnen neben finanzieller Unterstützung innerhalb der EU auch konkrete Fälle, in denen Artikel in der europäischen Presse durch das russische Netzwerk beeinflusst wurden. Teilweise wurden sie von Russland in Auftrag gegeben.

Genannt wurden unter anderem der pro-russische politische Aktivist Robert Stelzl sowie der österreichische Europaabgeordnete Ewald Stadler. Auch der Name von Manuel Ochsenreiter, Mitglied der AfD, tauchte auf. Ochsenreiter soll zum Beispiel mehrere Tausend Euro verlangt haben, um pro-russische Artikel in der Zeitschrift „ZUERST!“ zu veröffentlichen.

„Die E-Mails enthüllen, dass diese Propagandakampagne über ein Budget von 12.000 Euro verfügte und unter anderem ein Interview mit Marcus Pretzell von der AfD über die Probleme der Sanktionen gegen Russland plante, das im Juli 2016 veröffentlicht wurde. Wie die FPÖ in Österreich war auch die AfD einer der wichtigsten Verbündeten der russischen Agentur“, heißt es in dem Bericht.

Russische Lobbyisten aus dem Europäischen Parlament verbannt

Bereits im Juni 2022 verbot Roberta Metsola russischen Lobbyisten den Zutritt zum Parlament, nachdem die Grünen (Europäische Freie Allianz) dies gefordert hatten. Die Präsidentin des Europäischen Parlaments verbannte alle Personen, die ein sanktioniertes russisches Unternehmen oder eine als Lobbyist registrierte russische Organisation vertreten, aus dem Parlamentsgebäude. Das berichtet das ungarische Antikorruptionsportal „Átlátszó“.

Metsola erklärte: „Russland verbreitet weiterhin Fake News über seine Invasion in der Ukraine über verschiedene Kanäle, darunter auch staatliche Unternehmen. Deshalb habe ich beschlossen, das Zutrittsverbot zum Parlament ab heute auf alle Personen auszudehnen, die die Interessen von Unternehmen mit Sitz in Russland vertreten.“



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