Internationale Schutztruppen oder nicht? Erdogan nennt Berliner Libyen-Konferenz „wichtigenr Schritt“

Der türkische Staatschef würdigt die Berliner Konferenz zu Libyen als einen "wichtigen Schritt" zu einer politischen Lösung im Konflikt. Libyens Regierungschef fordert eine internationale Schutztruppe, die USA den Abzug aller ausländischen Truppen und die EU schlug eine EU-Schutztruppe für Libyen vor.
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Recep Tayyip Erdogan.Foto: Adem Altan/afp/Getty Images / iStock
Epoch Times19. Januar 2020

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat die Libyen-Konferenz in Berlin als einen „wichtigen Schritt“ zur Stärkung der seit einer Woche herrschenden Waffenruhe in dem Land gewürdigt. Es gehe darum, eine politische Lösung in dem Konflikt zu suchen, sagte Erdogan am Sonntag am Istanbuler Flughafen vor seinem Abflug nach Berlin. Die Hoffnung auf Frieden in der Region dürfe nicht „den Ambitionen von Blut- und Chaos-Kaufleuten“ geopfert werden.

In Berlin findet am Sonntag die internationale Libyen-Konferenz statt. Merkel empfängt dazu unter anderem die Staats- und Regierungschefs Russlands, Großbritanniens, Frankreichs und der Türkei im Bundeskanzleramt.

Auch der libysche Regierungschef Fajes al-Sarradsch und sein Kontrahent General Chalifa Haftar haben ihre Teilnahme zugesagt. Ziele des Zusammentreffens unter UN-Schirmherrschaft sind die Festigung einer Waffenruhe sowie eine Selbstverpflichtung der Konferenzteilnehmer, nicht im Libyen-Konflikt einzugreifen.

Libyens Regierungschef fordert internationale Schutztruppe

Der Chef der international anerkannten Regierung Libyens, Fajes al-Sarradsch, hat kurz vor der Berliner Libyen-Konferenz eine internationale Schutztruppe für sein Land gefordert. Wenn General Chalifa Haftar seine Offensive nicht einstelle, müsse „die internationale Gemeinschaft aktiv werden und zwar auch mit einer internationalen Truppe zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung“, sagte al-Sarradsch der „Welt am Sonntag“.

„Eine solche Schutztruppe muss unter dem Dach der Vereinten Nationen agieren“, forderte al-Sarradsch. Fachleute müssten beraten, wer daran teilnehme, „etwa die EU oder die Afrikanische Union oder die Arabische Liga“.

Der abtrünnige General Haftar hatte bei einem Treffen in Moskau Anfang der Woche die Unterzeichnung eines Waffenstillstands abgelehnt. Er nimmt ebenso wie Premierminister Sarradsch am Sonntag an der internationalen Libyen-Konferenz in Berlin teil. Im April vergangenen Jahres hatte Haftar seine Offensive gegen die libysche Hauptstadt Tripolis begonnen und war zuletzt nah an sie herangerückt

„Wir würden eine Schutztruppe begrüßen, nicht weil wir als Regierung beschützt werden müssten, sondern zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung, die seit neun Monaten ständig bombardiert wird“, erklärte Sarradsch. Allein beim Angriff auf ein Flüchtlingslager am Rand der Hauptstadt seien im Sommer etwa 50 Flüchtlinge getötet worden. Das seien Kriegsverbrechen, vor denen die Menschen beschützt werden müssten.

USA: Alle ausländische Truppen sollten Libyen verlassen

Die USA haben sich vor der Libyen-Konferenz in Berlin für einen Abzug aller ausländischer Truppen aus dem Bürgerkriegsland ausgesprochen. Der Konflikt dehne sich immer weiter aus und gleiche zusehends Syrien, sagte ein Beamter des US-Außenministeriums.

Minister Pompeo landete am Abend in Deutschland. Er nimmt für die US-Regierung an der Konferenz in Berlin teil, wo heute Akteure rund um den Libyen-Konflikt im Bundeskanzleramt zusammenkommen. Es geht darum, einen Stellvertreterkrieg wie in Syrien zu verhindern.

EU schlägt EU-Schutztruppe vor

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte zuletzt eine Schutztruppe der EU für Libyen vorgeschlagen. Das Land gilt als wichtigstes Transitland für Migranten, die über das zentrale Mittelmeer in die EU gelangen wollen.

Doch Sarradsch zeigte sich enttäuscht vom bisherigen Agieren der Europäischen Union in seinem Land. „Leider war die Rolle der Europäischen Union bisher sehr bescheiden“, sagte er. „Sie ist den Herausforderungen in Libyen nicht gerecht geworden. Obwohl ja einige EU-Länder eine besondere Beziehung zu Libyen haben, obwohl wir doch Nachbarn sind und obwohl wir viele gemeinsame Interessen haben.“

In den letzten Jahren hatten sich insbesondere Italien und Frankreich in Libyen engagiert. Die Italiener waren einst Kolonialmacht in Libyen und gelten heute als Unterstützer der Einheitsregierung von Sarradsch.

Die französische Regierung von Präsident Emmanuel Macron gilt hingegen als Unterstützerin des abtrünnigen Generals Haftar. Auch diese Widersprüche unter den Europäern kritisierte Sarradsch.

„Wir hatten zum Beispiel erwartet, dass sich die EU klar gegen die Offensive Chalifa Haftar stellt und hilft, die aktuelle Krise in Libyen zu beenden“, sagte der Premierminister. Stattdessen kritisierten die Europäer seine Regierung immer wieder, weil sie ein Abkommen über Seegrenzen mit der Türkei abgeschlossen habe.

Die türkische Regierung von Recep Tayyip Erdogan hatte Anfang Januar die Entsendung von Truppen zum Schutz der international anerkannten Regierung von Sarradsch beschlossen. „Die EU muss Selbstkritik üben. Die Europäer sind zu spät gekommen“, sagte der Premierminister.

In Libyen herrscht seit dem gewaltsamen Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 Chaos. Die von der UNO anerkannte Regierung in Tripolis wird von den Truppen des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar bekämpft, der einen Großteil des Ostens und Südens des Landes kontrolliert.

(afp/dpa/ks)



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