Erster Gipfel seit Brexit: Neuer Deal zwischen Brüssel und London
Die Beziehung zwischen London und Brüssel taut nach den Jahren der Brexit-Querelen wieder auf. Mehrere Abkommen sollen den Weg ebnen. Deutschland musste bei den Verhandlungen einen Rückschlag hinnehmen.
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Der britische Premierminister Keir Starmer (m) mit der Präsidentin der EU- Kommission, Ursula von der Leyen (l), und dem Präsidenten des Europäischen Rates, Antonio Costa, bei ihrer Ankunft zum EU-Gipfel im Lancaster House in London am 19. Mai 2025.
Fünf Jahre nach dem Brexit nähern sich Großbritannien und die EU wieder an. Mehrere Abkommen seien bei einem Gipfel in London am Montag beschlossen worden, erklärte die britische Regierung. Unter anderem wurden ein Sicherheits- und Verteidigungspakt und eine Vereinbarung zu Themen wie Handel, Fischerei und Jugendmobilität beschlossen.
Der Sicherheits- und Verteidigungspakt soll es der britischen Rüstungsindustrie ermöglichen, an einem zukünftigen EU-Verteidigungsfonds „teilzuhaben“.
Zudem wird Großbritannien seine Gewässer nach Ablauf des derzeitigen Abkommens im Jahr 2026 zwölf Jahre lang für europäische Fischer offen halten. Im Gegenzug wird die EU die Bürokratie für Lebensmittelimporte aus Großbritannien auf unbestimmte Zeit lockern.
Um britische Unternehmen von der CO2-Steuer der EU auszuklammern, werden die Emissionsquoten beider Seiten verbunden.
1. Zugang zu EU-Verteidigungsmilliarden
Für Großbritannien ist zentral, dass britische Unternehmen sich an von der EU unterstützen Beschaffungsprojekten für Rüstungsgüter beteiligen können. Dabei geht es unter anderem um ein Finanzinstrument mit dem Namen Safe, über das Darlehen in Höhe von insgesamt 150 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollen – zum Beispiel für Luftverteidigungssysteme und Artillerie.
Zwar ist das Vorhaben auf EU-Ebene noch nicht komplett in trockenen Tüchern, die Verhandlungen dazu sind nach Angaben aus Diplomatenkreisen aber nahezu abgeschlossen. Mit der Sicherheitspartnerschaft wird für Großbritannien nun die Grundlage geschaffen, dass britische Unternehmen beteiligt werden können.
Zudem wollen die beiden Seiten enger beim Schutz kritischer Infrastruktur zusammenarbeiten. Jüngst kam es etwa immer wieder zu Schäden an Unterseekabeln. Darüber hinaus ist mehr Kooperation mit Blick auf Sicherheit im Weltall geplant.
„Die Vereinbarung wird voraussichtlich regelmäßigere Dialoge über Außenpolitik, Verteidigung und Sicherheit ermöglichen“, sagte Jannike Wachowiak von der Londoner Denkfabrik UK in a Changing Europe. Dabei könnten auch Bereiche wie hybride Bedrohungen, Cybersicherheit und der Nahe Osten zum Thema werden.
Ursula von der Leyen (m) während des ersten Gipfeltreffens zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU im Januar 2020. Die Labour-Regierung strebt eine stärkere Partnerschaft mit der EU an, um „unsere Bündnisse zu stärken und Vereinbarungen im Interesse der britischen Bevölkerung zu treffen.“
Foto: Kin Cheung – WPA Pool/Getty Images
Im Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit spielte das Thema Verteidigung keine Rolle.
2. Thema: Handelsabkommen und Fischerei
Ein weiteres Abkommens soll die Handelsbeziehungen zur EU verbessern. Starmers Büro erklärte, ein Abkommen mit der EU sei wie die bereits vereinbarten Handelsabkommen mit Indien und den USA im „nationalen Interesse“.
Eine „gestärkte, zukunftsorientierte Partnerschaft“ mit der EU werde britischen Arbeitnehmern zugutekommen, auch finanziell.
Fischerei war während des Brexit-Referendums ein großes Thema – obwohl die Branche nur 0,4 Prozent der britischen Wirtschaftsleistung ausmacht. „Wir haben unseren Fisch zurück. Es sind jetzt britische Fische und dafür umso bessere und glücklichere Fische“, so der Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg.
Ab 2026 werden die Fangquoten neu festgelegt, London hält seine Gewässer dann zwölf Jahre lang für europäische Fischer offen. Im Gegenzug wird die EU die Bürokratie für Lebensmittelimporte aus Großbritannien auf unbestimmte Zeit lockern.
24. April 2025: Der britische Premierminister Keir Starmer und Ursula von der Leyen in der Downing Street 10 in London, England.
Foto: Alishia Abodunde/Getty Images)
3. Visa-Erleichterungen für EU-Bürger
Die deutsche Regierung pocht schon lange auf ein Programm für junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, um in Großbritannien zumindest für begrenzte Zeit studieren und arbeiten zu können. Dem Austausch-Programm Erasmus für Studenten sind die Briten bislang nicht wieder beigetreten.
Den Vorstoß der EU-Kommission für ein Youth Mobility Scheme lehnte die regierende Labour-Partei noch im April 2024 brüsk ab. Man werde nicht zur Personenfreizügigkeit zurückkehren, durch die sich EU-Bürger ohne weiteres in Großbritannien niederlassen konnten, hieß es damals. Inzwischen zeichnet sich mehr Flexibilität ab, zumal es nur um einen sehr beschränkten Umfang gehen dürfte.
Dieses Abkommen steht weiterhin zur Debatte, es wurde nicht unterzeichnet. Beiden Seiten einigten sich darauf, weiter daran zu arbeiten.
Was sind die roten Linien?
Die britische Regierung legt weiterhin äußersten Wert darauf, möglichst wenig Angriffsfläche für Nigel Farage und seine Partei Reform UK zu bieten. Sie liegt in Umfragen inzwischen vor Labour und den Konservativen. Reform UK betont stets, es gebe keine Rückkehr in den Binnenmarkt oder die Zollunion.
Aufseiten Brüssels gibt es die Sorge, Großbritannien könne durch „Rosinenpicken“ Begehrlichkeiten bei anderen Partnern wecken, sich Privilegien zu verschaffen, ohne dafür Verpflichtungen einzugehen.
Ohne Beiträge zum EU-Haushalt und Arbeitnehmerfreizügigkeit dürfen sich die Briten kaum Hoffnungen auf weitreichende Erleichterungen beim Marktzugang zur EU machen. (dpa/afp/red)
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