Mehr als 7.200 Tote nach Erdbeben in der Türkei und Nordsyrien

Hilfsteams unterstützen die Türkei und Syrien bei der Suche nach weiteren Opfern der Erdbeben. Internationale Hilfe ist angelaufen.
Titelbild
Rettungskräfte suchen auch in der Stadt Sarmada in der nordwestsyrischen Provinz Idlib am 6. Februar 2023 nach Opfern und Überlebenden. Das Erdbeben war bis nach Zypern und Ägypten zu spüren.Foto: MUHAMMAD HAJ KADOUR/AFP via Getty Images
Epoch Times6. Februar 2023

Immer weiter steigt die Opferzahl im Erdbebengebiet an der türkisch-syrischen Grenze – und nach wie vor werden viele Menschen unter den Trümmern vermutet. Insgesamt liegt die Zahl der Toten nach Angaben vom Dienstagmittag inzwischen bei mehr als 7200. Bisherigen Informationen zufolge wurden in der Südtürkei und in Nordsyrien mehr als 31.000 Menschen verletzt.

Tausende Gebäude stürzten ein. Am frühen Morgen hatte ein Erdbeben den Südosten der Türkei und Regionen in Syrien erschüttert. Mittags folgte in derselben Region ein weiteres Beben der Stärke 7,5. Es gab zudem Hunderte Nachbeben. Retter in Syrien vermuten, dass noch immer Hunderte Familien unter den Trümmern begraben sind.

45 Länder sagten Unterstützung zu, auch aus Deutschland machten sich inzwischen Hilfsteams auf den Weg.

Tausende Obdachlose

Im Katastrophengebiet herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt. Tausende Menschen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen obdachlos geworden.  Viele Straßen sind nicht passierbar.

Angehörige und Rettungskräfte suchen weiter nach Verschütteten. Auf Videos war zu sehen, wie Überlebende in zerstörten Gebäuden am Abend mit Licht auf sich aufmerksam machten. Ein Afad-Vertreter forderte Menschen dazu auf, von beschädigten Gebäuden fernzubleiben, wie der Sender CNN Türk berichtete. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ordnete eine siebentägige Staatstrauer an.

Internationale Hilfe

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich „zutiefst traurig“ über die Katastrophe. Die Vereinten Nationen stünden bereit, um Nothilfe zu leisten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte Hilfe aus Deutschland zu. Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert die Entsendung europäischer Rettungskräfte in die Türkei.

Zur Unterstützung vor Ort wurde auch der Copernicus-Satellitendienst der EU aktiviert. Unter anderem auch Großbritannien, Indien, Pakistan, die USA, Finnland, Schweden und Russland sagten Hilfe zu. Die EU will auch Betroffene in Syrien unterstützen.

Griechenland schickte trotz der Spannungen mit der Türkei bereits eine erste Rettungsmannschaft mit Spürhunden in das Erdbebengebiet. Athen und Ankara streiten sich seit Jahrzehnten um Hoheitsrechte in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer. Nun hatten Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis und der Präsident der Türkei erstmals seit Monaten wieder direkten Kontakt.

Israel will der Türkei und Syrien, mit dem es sich im Kriegszustand befindet, Hilfe leisten. Der Iran bot ebenfalls Unterstützung an – er ist neben Russland im Bürgerkrieg der wichtigste Verbündete des syrischen Machthabers Baschar al-Assad.

Zivilisten und Mitglieder des syrischen Zivilschutzes bergen in Harem in der Region Idlib ein Erdbebenopfer.

Zivilisten und Mitglieder des syrischen Zivilschutzes bergen in Harem in der Region Idlib ein Erdbebenopfer. Foto: Anas Alkharboutli/dpa

Eines der am schwersten vom Erdbeben betroffenen Gebiete war die Region Idlib in Syrien, die von Rebellen gehalten wird. Dies dürfte dort die staatliche Nothilfe erschweren. Die syrische Regierung rief die internationale Staatengemeinschaft zur Hilfe auf. Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg in Syrien kontrollieren Assads Regierungstruppen wieder rund zwei Drittel des Landes.

Die Türkei bat ihre Nato-Partner um Unterstützung. Konkret wurden etwa drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldkrankenhäuser und Personal für deren Einrichtung genannt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte bereits am Vormittag mitgeteilt, Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren.

Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizer, Winterkleidung.

Hilfe aus Deutschland

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits am Montag Soforthilfen angekündigt. „Das Technische Hilfswerk kann Camps mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungs-Einheiten bereitstellen“, erklärte Faeser am Montag in Berlin. Auch „Hilfslieferungen mit Notstromaggregaten, Zelten und Decken bereitet das THW bereits vor und stimmt sich auf meine Bitte hin bereits eng mit dem türkischen Zivilschutz ab“.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte vor Journalisten, bisher gebe es noch keine Hinweise auf deutsche Opfer. Allerdings sei die Lage „noch sehr stark im Fluss“.

„Wir werden alle Hilfen in Bewegung setzen, die wir aktivieren können“, sicherte Faeser weiter zu. Deutschland stimme sich eng mit den EU-Partnern ab und werde „mit allen Mitteln helfen, die uns zur Verfügung stehen und jetzt am dringendsten benötigt werden“. Sie habe darüber auch bereits mit dem türkischen Botschafter in Deutschland, Ahmet Basar Sen, gesprochen.

Ein Sprecher des Innenministeriums verwies darauf, dass auch die Abstimmung mit den europäischen Partnern laufe, nachdem die Türkei den EU-Katastrophenschutzmechanismus aktiviert habe. Angefordert wurden demnach insbesonders Bergungsteams.

Notfallteams suchen nach Menschen in einem zerstörten Gebäude, während ein Auto auf den Trümmern liegt. Nach mehreren schweren Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion ist die Zahl der Toten auf mehr als 1900 gestiegen.

Notfallteams suchen nach Menschen in einem zerstörten Gebäude, während ein Auto auf den Trümmern liegt. Foto: Dia Images/DIA Images/AP/dpa

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat Hilfe durch die Bundeswehr ins Spiel gebracht. „Selbstverständlich steht auch die Bundeswehr bereit, um in dieser humanitären Katastrophe den Betroffenen vor Ort schnell und unkompliziert zu helfen“, sagte er am Montag. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatten zuvor bereits Hilfe angeboten.

„Aktion Deutschland hilft“

Das Auswärtige Amt unterstützte die anfängliche Soforthilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nach dessen Angaben mit 500.000 Euro. Es stimme „mit Hochdruck“ Hilfsmaßnahmen mit Partnern in der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung ab, erklärte das DRK.

Das Bündnis „Aktion Deutschland hilft“ kündigte eine Soforthilfe von einer Million Euro an. Neben medizinischer Hilfe würden auch Zelte, Heizstrahler, Decken, Thermokleidung sowie Grundnahrungsmittel für mindestens 5000 Menschen dringend benötigt, die über Partnerorganisationen bereitgestellt werden sollten.

Die Diakonie Katastrophenhilfe stellte für Nothilfemaßnahmen „in einem ersten Schritt 500.000 Euro“ bereit, wie das Hilfswerk der evangelischen Kirche mitteilte. Ein Team eines türkischen Partners sei auf dem Weg in die stark betroffene Region Hatay. Die Welthungerhilfe stellt vorerst 100.000 Euro Soforthilfe bereit.

Caritas international stellte 250.000 Euro zur Verfügung. „Unsere Partnerorganisationen in beiden betroffenen Ländern arbeiten unter Hochdruck daran, die genauen Bedarfe zu erheben“, erklärte das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes. Das gesamte Ausmaß des verheerenden Erdbebens sei unklar. Vor allem die Informationen aus Syrien kämen sehr verzögert.

Auch die Hilfsorganisation Misereor sagte vorerst 100.000 Euro Soforthilfe zu, ebenso wie die Welthungerhilfe. Das Beben habe eine Region getroffen, „in der Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien Schutz gesucht haben“, teilte die Welthungerhilfe mit. „Es wird damit gerechnet, dass noch viele Opfer unter den Trümmern liegen.“

Nachbeben – eine Überlebende berichtet

Eine Überlebende berichtet, dass sie das zweite Beben in Panik versetzte. „Ich habe solche Angst. Ich habe das Beben so stark gefühlt, weil ich ganz oben im Haus wohne“, berichtet die um die 30 Jahre alte Tulin Akkaya in der osttürkischen Stadt Diyarbakir. „Wir rannten panisch nach draußen. Es war fast genauso wie das Beben am frühen Morgen. Ich kann nicht zurück in meine Wohnung, ich weiß nicht, was als Nächstes passiert.“

Diese Luftaufnahme zeigt Anwohner, die in der Stadt Sarmada im Nordwesten der syrischen Provinz Idlib am frühen Morgen des 6. Februar 2023 mit Hilfe von Bulldozern nach Opfern und Überlebenden in den Trümmern eingestürzter Gebäude suchen. Foto: MUHAMMAD HAJ KADOUR/AFP via Getty Images

Dass zwei Erdbeben von solch einer Stärke dieselbe Region treffen, stellt die Rettungskräfte vor eine besondere Herausforderung. Der zweite massive Erdstoß kam zudem genau in dem Moment, als die Bewohner gerade wieder in ihre Häuser zurückgekehrt waren, um Sachen zu holen, die sie für die nächste kalte Nacht gebrauchen könnten.

Mehr als 50 Nachbeben wurden bereits in den ersten zehn Stunden nach dem großen ersten Beben gezählt. Weite Teile der Region sind von Gas und Strom abgeschnitten.

„Seit ich in einem Erdbeben-Gebiet lebe, bin ich an Erdstöße gewöhnt“, sagt Reporterin Melisa Salman in Kahramanmaras. „Aber das war das erste Mal, dass ich so etwas erlebt habe. Wir dachten, das ist die Apokalypse.“

Der Süden der Türkei sowie der Norden Syriens waren am frühen Montagmorgen zunächst von einem heftigen Beben der Stärke 7,9 erschüttert worden. Das Epizentrum war in der Nähe der türkischen Stadt Gaziantep. (dts/afp/dpa/ks)



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