EU-Streit um Kriterien: Corona-Fonds von Macron und Merkel könnte für Deutschland noch teurer werden

Emmanuel Macron und Angela Merkel haben sich die Rückendeckung von EU-Kommissionschefin von der Leyen für den geplanten 500-Milliarden-Krisenfonds zur Bewältigung der Corona-Krise geholt. Jetzt geht es aber um die Konstruktion der Hilfen – und um deren Kriterien.
Titelbild
Am 6. Mai 2020 in Brüssel am Gebäude der EU-Kommission – mit einem Transparent "Coronavirus Global Response" [Übersetzbar mit: "Globale Reaktion auf das Coronavirus"].Foto: KENZO TRIBOUILLARD/POOL/AFP über Getty Images
Von 25. Mai 2020

Am Montag der Vorwoche (18.5.) haben die Regierungschefs von Frankreich und Deutschland, Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihre grundsätzliche Einigung auf einen 500-Milliarden-Euro-Fonds zum Wiederaufbau nach der Corona-Krise verkündet. Diesen wollen sie auf dem kommenden EU-Gipfel am 28. und 29. Juni 2020 absegnen lassen.

Neben einem 1.000-Milliarden-Kreditpaket der Kommission soll das Sondervermögen dazu beitragen, vor allem die am stärksten angeschlagenen Länder im Süden Europas zu entlasten. Die einzelnen Mitgliedstaaten müssen dem Paket ebenfalls zustimmen.

EU-Kommission soll Mittel für den Fonds selbst beschaffen

Dass es ein solches Paket geben wird, ist höchst wahrscheinlich, denn die Corona-Schäden in allen Volkswirtschaften der EU sind gravierend.

Noch sind zahlreiche Fragen offen, in welcher Form diese Hilfe geleistet werden soll und nach welchen Kriterien. Der gemeinsame Vorstoß von Deutschland und Frankreich, die zusammen ihr Gewicht für das Programm in die Waagschale werfen werden, macht es jedoch wahrscheinlich, dass der 500-Milliarden-Euro-Fonds in irgendeiner Weise Eingang in den Mehrjährigen Finanzrahmen für 2021 bis 2027 finden wird.

Macron und Merkel wollen in einem Kraftakt „europäischer Solidarität“ erreichen, dass die EU-Kommission an den Kapitalmärkten in Eigenregie die 500 Milliarden an den Finanzmärkten ausleihen wird. Die Rückzahlung soll über die Nationalstaaten erfolgen.

Dass Deutschland dabei die Hauptlast trägt, ist ein Preis, den Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ihre grundsätzliche Unterstützung des Vorhabens signalisiert hat, zu zahlen bereit sind.

Merkel vermeidet nominelle Eurobonds, Macron schafft „europäische Souveränität“

Immerhin wäre das Vorhaben ein Schritt in Richtung „europäischer Souveränität“ und Budgethoheit, wie er ohne die Krise kaum eine Chance auf schnelle Verwirklichung gehabt hätte. Gleichzeitig vermeidet man die offizielle Bildung einer „Schuldenunion“ und die Finanzierung des Wiederaufbaus über „Eurobonds“, wie sie die südeuropäischen Länder gefordert hatten, aber wie sie der Regierung in Berlin als innenpolitisch unsicher erschienen wären.

Mit koordiniertem Widerstand werden Macron und Merkel jedoch zu rechnen haben – und der könnte dazu führen, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz aus deutscher Sicht am Ende noch deutlich ungünstiger ausfallen könnte als bislang angenommen.

Zum einen wehren sich derzeit Österreich und drei nordeuropäische Staaten dagegen, die für südeuropäische Staaten gedachten Mittel aus dem Krisenfonds als Zuschüsse ohne Rückzahlungspflicht zur Verfügung zu stellen. Sie beharren darauf, dass die Mittel in Form regulärer Kredite an die Empfänger fließen.

Zudem befürchten osteuropäische Staaten, dass die Kriterien für die Höhe der ausbezahlten Mittel in einer Weise festgelegt werden könnten, die sie selbst benachteiligen würden.

Polen und Rumänien als Zahlmeister?

Die „Welt“ zitiert nun aus einer bis dato unveröffentlichten Analyse des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim und schildert, wie gravierend sich eine bestimmte Gestaltung der Kriterien für die Mittel aus dem Fonds für einzelne Staaten auswirken würde.

Während die Nettozahler aus dem Norden Europas Deutschland und Frankreich in der Frage der rechtlichen Konstruktion des Mittelzuflusses an die Empfängerstaaten divergente Auffassungen haben, geht es im Streit zwischen südeuropäischen und osteuropäischen Mitgliedstaaten um die Berechnungsgrundlage.

Die südeuropäischen Länder wollen, dass die Umfang des Konjunktureinbruchs infolge der Corona-Krise zum entscheidenden Faktor für die Höhe der Ansprüche wird. Diese Konstruktion würde beispielsweise Polen, das verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen ist, oder auch Rumänien zum Nettozahler machen – obwohl beide Länder immer noch zu den ärmsten innerhalb der Staatengemeinschaft zählen.

Polen würde, so die Berechnung des ZEW, 10,4 Milliarden Euro mehr in den Fonds einzahlen, als es aus Brüssel zurückbekäme – nur Deutschland hätte mit 23,5 Milliarden einen noch höheren Nettobeitrag zu leisten. Allerdings wären im Fall einer solchen Konstruktion alle Mitgliedstaaten Nettozahler, mit Ausnahme der begünstigten Staaten in Südeuropa sowie Frankreich.

Kurzarbeit als Falle

Polen und andere osteuropäische Länder wollen hingegen zum entscheidenden Kriterium machen, wie stark die Arbeitslosigkeit gestiegen ist und welche Sektoren betroffen sind.

Hauptprofiteure wären in diesem Fall Bulgarien und Kroatien, und neben Spanien, Italien und Griechenland würden noch Ungarn, Rumänien und die baltischen Staaten von dem Verteilungsschlüssel profitieren. Die südeuropäischen Länder würden allerdings weniger Nutzen aus der Konstruktion ziehen als im Fall des konjunkturbasierten Modells.

Würde im Verteilungsschlüssel der Einbruch der Konjunktur nur noch zu 80 Prozent die Gewichtung bestimmen und der Anstieg der Arbeitslosigkeit für 20 Prozent, würde Deutschlands Nettobeitrag, so die ZEW-Ökonomen, um mehr als 64 Prozent 23,5 Milliarden Euro auf 38,6 Milliarden Euro steigen. Dies entspräche 1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Das besonders Bittere an der Arbeitslosigkeit als Kriterium: Länder, die versucht hatten, mit Kurzarbeit die Auswirkungen auf ihre Volkswirtschaft zu minimieren, würden de facto dafür bestraft.



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