Falscher Anstand?

Welche Faktoren stehen hinter Pakistans Anstands-Debatten?
Von 4. November 2009

Unsere Ressourcen sind begrenzt. Die Ausstattung zur Verteidigung musste importiert werden. Es gibt keine andere Möglichkeit als die, um Hilfe zu bitten.

Diese Slogans sind in Pakistan in. Es ist nicht so, dass das Kerry-Lugar-Gesetz der USA das gefördert hätte. Das Emporkommen eines zivilisierten Zeitalters des Regierens ist der tieferliegende Grund.

Pakistan geht, nach wenigen Jahren mit Hilfspaketen, über zu Gottesfürchtigkeit und bescheidenen Provokationen. Eine Anstands-Lobby, angeführt von islampolitischen Parteien und zermürbten Militärgenerälen – mit den wichtigsten Fernsehsendern genug Machtmittel an der Hand -, stimmt einmal mehr die Nation auf diesen Slogan, Anstand sei wichtiger als Hilfe, ein.

Die Entstellungen das Kerry-Lugar-Gesetz betreffend sind jedoch schon im Abnehmen begriffen. Die beste Zeit also, all jene Zwänge zu verstehen. Funktionen, die mit Wirtschaftlichkeit und Frieden in Zusammenhang stehen und die aus uns eine Nation gemacht haben, die völlig von ausländischer Hilfe abhängig ist.

Schon der erste Staatschef Pakistans, Quaid-e-Azam Mohammad Ali Jinnah, wurde mit Hilfsleistungen in Verbindung gebracht, als Pakistan gegründet wurde. Jedes Budget Pakistans ist abhängig von Devisen, weil unsere eigenen Ressourcen begrenzt sind – trotz unserer hoch professionellen Sicherheitsausstattung. Unsere Militärausstattung müssen wir von China importieren. Die nationalistisch eingestellten Bürger können die Tatsache nicht ändern, dass keine andere Option besteht außer dem Bezug von Hilfsleistungen, will man die hohen Ausgaben für die Landesverteidigung, die steigende Arbeitslosigkeit und die Shahi-Regierung in den Griff bekommen.

Die Bettelschüssel zerschlagen

Die Anstands-Lobby stiftet die Leute zum Protest an mit Slogans wie: „Geh, Amerika, geh“, anstatt reguläre Steuerzahler aus ihnen zu machen. Industrielle, die die Muslimliga unterstützen, und die ewig gestrigen Anhänger der Volkspartei, alle jene müssen einer Prozess-Accountability unterzogen werden. Nur wenigen Pakistani ist bewusst, dass gerade mal acht Prozent der Steuereinnahmen aus unserem Volkseinkommen stammen.

Solide Geldbeträge kamen vom Ausland und von reichen Pakistanis. Der Spruch, die Bettelschüssel zerschlagen, ist in Mode gekommen. Und von ein paar Kolumnenschreibern, die es gerne übertreiben, zum bevorzugten Slogan geworden.

Premierminister Nawaz Sharif war der Champion dieses Slogans. So konnte er in der mittleren Gesellschaftsschicht Erfolge verbuchen. In diesem Jahr startete er seine an die pakistanischen Politiker gerichtete Kampagne „karz utaro, mulk sanwaro”, zu deutsch „werdet die Schulden los und beschützt das Land“. Die Schuldenlast des Landes belief sich auf 35 Milliarden Dollar und die Regierung der Nawaz-Liga sammelte mit ihrer Kampagne gerade mal 178,3 Millionen Dollar. Davon stammten 28 Millionen aus Stiftungen, 1,6 Millionen aus Verpflichtungen und 148 Millionen wurden als Einnahmen verbucht. Es sind also deutlich die ökonomischen Zwänge, die uns von Hilfszahlungen abhängig machen.

Die Wirtschaft vieler Länder floriert durch Hilfe, Handel und Investitionen. Deutschland und Japan haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überwunden und Südkorea, Taiwan, Singapur und Malaysia sind zu asiatischen Tigern geworden. Es sind nationale Strategien, die uns an Amerika binden. Dabei braucht es eine separate Debatte über Kargil. Pakistan befand sich damals unmittelbar am Rande eines Krieges, dann dachte Nawaz Sharif, man geht besser nach Amerika, um den Krieg zu vermeiden. Armee und Geheimdienst nannten es Verrätertum.

Und abermals ist es die Muslimliga, die sich gegen Hilfsleitungen aus Amerika stellt. Eines seiner Mitglieder erklärte kürzlich im Fernsehen, bezüglich der schändlichen Rede des Kerry-Lugar Bill sollten wir Amerikas Mund einen Klaps verpassen. Machen wir es so, bedeutet das, dass wir die US-Hilfe nicht akzeptieren. Dann sollten wir aber auch die Hilfe der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank und des IWF verweigern.

Musharrafs Handreichungen an Amerika erfüllten nicht nur die einflussreichste religiöse Partei Pakistans, Jamaat-e-Islami, mit Genugtuung. Auch nicht die zuletzt im Januar 2009 stattgefundenen, als das Land Pakistan nur noch Devisen im Wert von 16 Millionen Dollar besaß und damit praktisch zahlungsunfähig war. Jene, die tagtäglich das Wort nationaler Anstand in den Mund nehmen, sind nicht glücklich mit Präsident Zardaris Auslandsbesuchen, bei denen er um Hilfe für Pakistan warb – die Devisen beliefen sich auf 14 Millionen Dollar.

Geschichte nicht vergessen

Entsprechend dem Kerry-Lugar-Gesetz müssten wir mehr Geldmittel in unseren sozialen Sektor einfließen lassen. Wir sollten den Blick auf unsere Geschichte lenken und dankbar sein, dass damals keine Anstands-Elemente in unserer Politik enthalten waren. Das ist ein Ausschnitt historischer Beziehungen im Gegensatz zur heutigen Anstands-Lobby sowie der an Bedingungen gebundenen Auslandshilfe. Quaid-e-Azam verlangte einst zwei arabische Rupien als Hilfe von Amerika. Das waren die Vorväter der heutigen Muslim Leage-Q.

Es waren die Hilfsgelder, die Feldmarschall Ayub Khan für die pakistanische Luftwaffe erbat, mit denen wir den Feind bezwingen konnten. Flughäfen wurden gebaut unter Zia Ul Haq, der ebenfalls Hilfsgelder erhielt. F-16-Kampfjets wurden angeschafft und im Geheimen das Atomprogramm gestartet. Soll es um Anstand gehen, hätten sich die Medien darüber auslassen können, denn General Zia persönlich traf sich mit dem amerikanischen Botschafter bezüglich der Hilfen und brach dann die Vereinbarungen.

Der frühere Kopf des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Javed Ashraf Qazi, war unter der Regierung Musharrafs Verkehrsminister. Auch er nahm die Bedingungen, an die die amerikanische Hilfe von 2001 bis 2007 gebunden war, nicht ernst. Es wurden dort Bedingungen im Umgang mit den Terroristen-Camps genannt. Ebenso wurde das Gebiet Azad Kashmir in den Abmachungen genannt, da Pakistani diesen Teil des eigentlich freien Kashmirs eingenommen hatten.

Zu der Zeit sah sich unsere Anstands-Lobby nicht in der Verantwortung, was diese Abmachungen betraf. Die Experten, die im Außenministerium und in der Armee saßen, wussten, dass keine Dringlichkeit bestand, sich dieses Problems anzunehmen. Noch weniger handelte es sich um ein internationales Gesetz. In dem Gesetz war festgeschrieben worden, Pakistan müsse Fortschritte machen bei der Unterbindung terroristischer Angriffe und der Zerstörung ihrer Stückpunkte. Und es musste versprechen, die Terroristen nicht mehr länger zu unterstützen.

Die Anstands-Lobby versteht es so, dass unter dem Kerry-Lugar-Gesetz die Sanktionen des Weltsicherheitsrats von 2007 auch auf das pakistanische Atomprogramm angewendet werden könnten. Die Amerikaner sagten, unter dem Arms Export Control Act (Kriegswaffenkontrollgesetz) würden alle Lizenzen gekündigt, sollte Pakistan Amerikas Auftrag, Informationen über Atommateriallieferungen bereitzustellen, nicht erfüllen. Darunter falle auch der Zugang zu Koordination und Untersuchung des Personals, das in die Netzwerke der Materiallieferungen involviert sei.
Destabilisierung der Regierung

Im Jahre 2007 hat unsere große Anstands-Lobby diesen Auftrag entweder „verdaut“ oder der korrekte Gedanke ist in Wahrheit eben doch der, dass Hilfe wichtiger ist als Anstand. Jetzt wird die Anstandskarte gezogen, um eine gewählte Regierung zu destabilisieren. Unsere großen zivilen Persönlichkeiten möchten mit den Streitigkeiten um jenes Gesetz ihre alte Floskel wieder aufwärmen, die nationale Harmonie wäre in Gefahr. Dieselben, die über das Kerry-Lugar Bill reden, kämpfen für die Entfernung Präsident Zardaris aus dem Aiwan-e-Sadr (Präsidentenpalast).Mit diesem Spiel will man Differenzen schaffen zwischen dem Militär und der Zivilregierung. Man will eine Umgebung erzeugen, in der Einzelpersonen auf eine derartige Ebene aufsteigen können, die die Entscheidungen der regulären Regierenden und ihrer Unterstützer wirkungslos werden lassen. Sollte die aktuelle Regierung abgesetzt und solche Elemente im Namen des nationalen Anstands eingesetzt werden, würde das an der grundlegenden Situation, dass Pakistan auf Hilfsgelder angewiesen ist – egal ob diese nun an Bedingungen geknüpft wären oder nicht – nichts ändern. Es ist an der Zeit, die Frage zu stellen: Wenn die Nation keine Kraft hat, Anstand zu zeigen, wo ist dann der Fernsehsender, der ein ehrliches Interesse zeigt, auch über diesen Punkt zu diskutieren?

Über den Autor

Shams Ul Haq schreibt als internationaler Journalist für Zeitungen aus London und Pakistan sowie für deutschsprachige Zeitungen. Der in Pakistan geborene Asien-, Terrorismus- und Migrations-Experte lebt derzeit abwechselnd in Deutschland, Pakistan und London.

Erschienen in The Epoch TImes Deutschland Nr. 42/09

 



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