„Focus“-Analyse: Brexit, Europawahlfarce – oder bleibt alles beim Alten?

Was den Brexit angeht, hat die britische Regierung einen schweren Stand bei den Abgeordneten. Auch nach zwei Abstimmungen zum Brexit-Vertrag findet dieser immer noch keine bedeutende Mehrheit innerhalb des Parlaments. Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger analysiert die verzwickte Situation vor den Europawahlen.
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Der Alarm läuft – in einem Monat will Großbritannien aus der EU austreten. Doch wie?Foto: iStock
Epoch Times19. März 2019

Inwieweit noch zum dritten Mal im britischen Parlament über den Brexit-Vertrag abgestimmt wird, wird nach der Intervention des Parlamentssprecher John Bercow geprüft. Bercow hatte die dritte Abstimmung gestoppt mit dem Verweis auf eine Entscheidung aus dem 17. Jahrhundert, wonach ein bereits abgelehntes, unverändertes Gesetzesvorhaben dem Parlament nicht immer wieder vorgelegt werden kann.

Der „Focus-Online“-Experte Thomas Jäger und Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln ist überzeugt, dass es Premierministerin Theresa May nicht einfach hat, das Parlament zu überzeugen. Die letzten beiden Abstimmungen stießen bei den Abgeordneten nicht auf viel Gegenliebe, kommentiert er im „Focus“.

In beiden Fällen stimmten weit mehr Abgeordnete gegen den Vertrag als dafür, auch die Modifikationen bei der zweiten Fassung konnten daran nicht viel ändern. Seiner Einschätzung nach wird es nicht reichen, ein paar unentschlossene Angeordnete auf ihre Seite zu ziehen. May müsse die Front der Brexit-Gegner überzeugen, bevor es – wenn überhaupt noch möglich – zu einer neuen Abstimmung kommen könne.

Zudem habe das britische Parlament erschwerend beschlossen, einen Austritt nur mit geregeltem Vertrag zu vollziehen, wie es auch von der EU vorgesehen ist. Mit diesem Veto zieht sich das Parlament aus der Verantwortung, falls die Regierung einen ungeregelten Austritt gegen den Willen der Abgeordneten forciert.

Bis 23. Mai muss die Entscheidung fallen

Die Lage ist verzwickt. Selbst das Angebot des Europaratspräsidenten Donald Tusk den Brexit bis nach den Europawahlen zu verschieben, würde das Problem nicht aus der Welt schaffen. Im Gegenteil würde das laut Jäger zu einer Europawahl-Farce führen.

Wird der Brexit bis zum 23. Mai, dem Tag der Europawahl nicht vollzogen, müssten in Großbritannien die Europawahlen normal durchgeführt werden. Ansonsten laufe England die Gefahr, dass die Bürger Großbritanniens vor dem EuGH klagen könnten, dass ihnen ihr Wahlrecht vorenthalten wurde, so Jäger.

Zu Recht findet der Experte: denn die Europawahlen würden der Bevölkerung noch mal die Möglichkeit geben über die derzeitige Entwicklung ihre politische Meinung zu äußern, was wiederum der Regierung mehr Handlungsspielraum eröffnen könnte.

Schließlich ist bis zum letzten Tag vor dem Austrittsdatum damit zu rechnen, dass die britische Regierung den Austritt zurück nimmt. Das kann sie einseitig erklären, und damit bliebe alles beim Alten,“ betont Jäger.

Aber auch die konkreten Abwicklung der Wahlen würden Schwierigkeiten bereiten. „Diskussionen darüber, dass die derzeitigen Abgeordneten erstmals ihre Sitze behalten, seien nicht vertragskonform“, so der Experte weiter.

Das Europaparlament habe die Sitzverteilung bereits ohne Großbritannien geplant, all das wäre bei einer Verlängerung des Brexit hinfällig. (nh)



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