Frankreich erwartet Merkels Nachfolge mit Spannung: „Neugier, aber keine Sorge“

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Emmanuel Macron im Élysée Palast.Foto: LUDOVIC MARIN/AFP via Getty Images
Epoch Times9. September 2021

Emmanuel Macron musste 2017 lange baggern, bis er als französischer Präsidentschaftskandidat von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfangen wurde. Nun ist er es, um dessen Gunst die potenziellen Nachfolger Merkels buhlen. Die Bundestagswahl erregt in Frankreich großes Interesse. „Frankreich wartet, dass Deutschland sich wieder bewegt“, sagt Sebastien Maillard, Direktor der Jacques-Delors-Instituts in Paris.

Am Montag war SPD-Kandidat Olaf Scholz im Elysée, am Mittwoch wurde Unions-Kandidat Armin Laschet (CDU) empfangen – weder der eine noch der andere ist der französischen Öffentlichkeit gut bekannt. Macron kennt Scholz immerhin als Finanzminister aus den Verhandlungen über den Corona-Wiederaufbaufonds. Und Laschet hat als deutsch-französischer Kulturbevollmächtiger unter anderem Spenden für den Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame gesammelt.

Beide gelten in Paris als Macron-kompatibel. Der französische Präsident dürfte vor allem darauf hoffen, dass sich die Koalitionsverhandlungen nicht allzu lange hinziehen. Er hat es vermutlich noch in schlechter Erinnerung, dass die Antwort aus Berlin auf seine programmatische Europa-Rede an der Sorbonne-Universität 2017 wegen zäher Koalitionsgespräche äußerst dürftig ausfiel.

Franzosen halten Deutschland für verlässlichen Partner

Eine Dreierkoalition wäre keine gute Nachricht für Frankreich, meint Maillard. „Dann müssen zu viele Kompromisse gemacht werden.“ Grundsätzlich käme Macron eine Regierungsbeteiligung der Grünen wohl eher gelegen als eine der FDP, die stärker auf Haushaltsdisziplin setzt.

An Themen für das künftige deutsch-französische Paar fehlt es nicht: Macron liegt es vor allem am Ausbau der europäischen Souveränität, mit Blick auf eine gemeinsame Verteidigung und eine gemeinsame Handelspolitik. Kein Zufall, dass Laschet und Scholz dieses Thema bei ihren Terminen im Elysée angesprochen haben.

Auch die Zukunft des Stabilitätspakts ist für Frankreich ein gewichtiges bilaterales Thema. „Die Orientierung Europas entscheidet sich immer in Zusammenarbeit von Frankreich und Deutschland“, sagt Emmanuel Rivière, Direktor für internationale Studien am Meinungsforschungsinstitut Kantar Public.

Die französische Gesellschaft werde auch die Einwanderungspolitik des nächsten Bundeskanzlers genau beobachten, meint er. „Die Antwort Merkels auf die Flüchtlingskrise 2015 hatte in Frankreich für viel Aufsehen gesorgt.“

Grundsätzlich halten 84 Prozent der Franzosen Deutschland für einen verlässlichen Partner. Die Bundestagswahl werde „mit Neugier, aber ohne Sorge“ verfolgt. „Die Franzosen wünschen sich, dass das nächste deutsch-französische Paar gut funktioniert“, fügt er hinzu.

In der Vergangenheit hatte es immer wieder markante Zweierkonstellationen gegeben, angefangen bei Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, die den Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft legten. Bei François Mitterrand und Helmut Kohl brannte sich das gemeinsame Gedenken an die Kriegsopfer, Hand in Hand in Verdun, ins kollektive Gedächtnis ein.

Merkel nicht spontan genug

Merkel hatte in ihrer Amtszeit gleich mit vier französischen Präsidenten zu tun. Herzlich, aber anstrengend war es mit Nicolas Sarkozy, der sie an den hibbeligen französischen Schauspieler Louis de Funès erinnert haben soll. Mit Macron war die Zusammenarbeit gut, aber dem Franzosen war die Kanzlerin grundsätzlich zu abwartend.

Wie auch immer das Ergebnis am 26. September ausfällt: Die Franzosen hoffen darauf, dass sie nicht lange auf das neue Gesicht Deutschlands warten müssen. „Frankreich hat lange genug den Eindruck gehabt, alleine politische Ideen ins Gespräch zu bringen“, sagt Maillard. Nun sei es an der Zeit, dass Deutschland den Status quo überwinde.

Es gehört zu den Ritualen der deutsch-französischen Freundschaft, dass die erste Reise wichtiger Politiker und Politikerinnen ins Nachbarland führt. Scholz und Laschet haben beide erkennen lassen, dass sie das auch so handhaben wollen. Die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock würde allerdings eher nach Brüssel fahren, ließ sie mitteilen. Sie hat sich nach Angaben des Elysée-Palastes auch nicht um einen Schnupper-Termin mit Macron noch vor der Wahl bemüht. (afp/oz)



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