Großbritanniens Meisterspion soll zurücktreten – wurde er dazu gedrängt?

„Es ist kein Geheimnis, dass Scarletts Verhältnis zu Premierminister Gordon Brown von Anfang an schwierig war."

Großbritanniens Meisterspion, Sir John McLeod Scarlett, hat plötzlich angekündigt er würde am Vorabend des hundertsten Jahrestages des MI6 im nächsten Jahr zurücktreten. Er wäre dann fünf Jahre lang dessen Chef gewesen und hätte eine offizielle Amtsperiode lang seinen Dienst versehen. Aber es ist das erste Mal, dass ein Chef des britischen Geheimdienstes so früh seinen Rücktritt ankündigt.

In den Reihen des Geheimdienstes gibt es immer mehr Spekulationen darüber, dass er zum Rücktritt gezwungen wurde, weil der MI6 es nicht schaffte, die wachsende Terrorgefahr für Großbritannien abzuwenden, weil es Probleme mit Geheimmissionen im Irak und in Afghanistan gab und weil sich Scarlett gegen seinen langjährigen Erzrivalen Wladimir Putin nicht durchsetzen konnte. Der frühere Chef des russischen Geheimdienstes und der Premierminister des Landes haben weiterhin Geheimdienstoperationen gegen das Vereinigte Königreich durchgeführt.

„Es ist kein Geheimnis, dass Scarletts Verhältnis zu Premierminister Gordon Brown von Anfang an schwierig war. Tony Blair hatte Scarlett im Whitehall-Dschungel politisch beschützt“, sagte der frühere MI6-Offizier Richard Tomlinson.

Scarlett hatte eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung des jetzt weithin bekannten Dokuments gespielt, in dem Saddam Hussein verdächtigt wurde Massenvernichtungswaffen zu besitzen – was für Präsident Bush und Blair der Hauptgrund für den Krieg gewesen war. Die darauffolgende öffentliche Kritik, weswegen Scarlett gezwungen war zuzugeben, dass die Geheimdienstinformationen im Irak von sehr zweifelhafter Herkunft waren, hatte Rufe nach seiner Entlassung zu diesem Zeitpunkt laut werden lassen.

Der 60jährige Scarlett hatte seine Fähigkeiten auf dem Schachbrett der Geheimdiensttätigkeit genutzt, um sich aus dem Streit mit seinen Vorgesetzten aus der Politik herauszuhalten. Er wurde im MI6-Hauptquartier als Geheimagent Ihrer Majestät bekannt, weil er seine regelmäßigen Berichte über die Aktivitäten das MI6 an die Queen mit großer Sorgfalt schrieb. Er teilte auch ihr Interesse an mittelalterlichen Kirchen und am Sammeln von Geschichtsbüchern.

Seine Streitigkeiten mit Putin gehen auf das Jahr 1994 zurück, als er Chef der Moskauer MI6-Basis war und der KGB ihn bei einem Treffen mit Wladimir Sinstow, einem seiner Kontaktleute, festnahm. Scarlett hatte ihn ein Jahr zuvor auf einer Waffenmesse in London angeworben. Sinstow war der Exportmanager eines Moskauer Waffenherstellers. Die KGB-Offiziere hatten sich bei einem Treffen in einem Café in der Nähe des Kreml auf ihn gestürzt.

Sinstow hatte gerade Informationen über Waffenverkäufe nach Syrien und in den Irak und die Namen seiner Kontaktmänner in Damaskus und Bagdad weitergegeben. Scarlett wurde ausgewiesen und Sinstow zu zehn Jahren in einem sibirischen Gulag verurteilt. Er starb im Gefängnis. Scarlett hatte ihm in den acht Monaten, die sie sich kannten, 8.000 Pfund gezahlt. Seine Ernennung zum Chef des Joint Intelligence Committee, JIC, durch Blair wurde beim MI6 nicht gern gesehen. Peter Ricketts, der damalige Chef des JIC, drückte seine Sorge darüber aus, dass Scarlett noch lernen müsste die „richtige Distanz zwischen Geheimdienst und Politik zu wahren“.

Drei Tage nach seiner Ernennung bekam Scarlett die Auswirkungen des 11. September zu spüren. In seinem Bericht an Blair sprach er von einem „verheerenden Fehler des US-Geheimdienstes” und machte sich damit in Washington keine Freunde.

Als er am 6. Mai 2004 der vierzehnte Chef des MI6 wurde, war dies der Höhepunkt seiner 32-jährigen Spionagetätigkeit. Er hatte ein 2,5 Milliarden-Pfund-Budget zur Verfügung. Die Mittel kamen aus dem geheimen Fonds der Regierung, der als Single Unified Vote bekannt ist und die laufenden Kosten des britischen Geheimdienstes deckt.

In den letzten fünf Jahren war Scarlett der Chef einer weltweiten Organisation, die mehr als 3.000 Menschen beschäftigte. Sein eigenes Gehalt liegt bei 200.000 Pfund jährlich. Außerdem steht ihm ein kugelsicheres Auto mit einem bewaffneten Fahrer von Scotland Yard zur Verfügung. In seinem Büro steht ein massiver Mahagoni-Schreibtisch, der einmal Admiral Lord Nelsons Kabine auf der HMS (Her Majesty´s Ship – das Schiff ihrer Majestät) Victory zierte. Alle seine Vorgänger hatten ihn in den letzten hundert Jahren benutzt. Auf dem Schreibtisch steht das viktorianische Tintenfass voll grüner Tinte und daneben der Parker-Schreibstift, mit dem Scarlett letzte Woche seinen Brief an den Premierminister schrieb und ihn darüber informierte, dass er im nächsten Juli den MI6 verlassen werde.

Sein Nachfolger wird ziemlich sicher der 49-jährige Charles Farr werden, ein erfahrener Whitehall-Mandarin in geschäftlich wirkendem Anzug, der sich dadurch einen Namen machte, dass er sich als von der Regierung eingesetzter Chef des Büros für Sicherheit und Terrorismusbekämpfung auszeichnete. Die Abteilung wurde letztes Jahr gegründet – und das wird von vielen als Hinweis gesehen, dass die Brown-Regierung den Kampf gegen Al-Kaida verschärfen wollte. Sie beschäftigt 300 Beamte, von denen viele aus den Reihen des MI6 stammen, wo Farr auch zu seinem Ruf als Außendienstagent im Mittleren Osten und Afrika kam.

© G-2 Bulletin, Washington D.C./USA and Gordon Thomas

Gordon Thomas ist ein international anerkannter Geheimdienstspezialist und Autor des Buches „Secrets & Lies: A History of CIA Mind Control and Germ Warfare“ (Octavo Editions, USA). Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge im Internet im G2 Bulletin.



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