Internationale Kritik an Austritt der Türkei aus Abkommen gegen Gewalt an Frauen

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Während einer Demonstration gegen den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention, einem internationalen Abkommen zum Schutz von Frauen, in Ankara am 20. März 2021.Foto: ADEM ALTAN/AFP via Getty Images
Epoch Times21. März 2021

Der Austritt der Türkei aus einem Abkommen gegen Gewalt an Frauen ist international scharf kritisiert worden. Die Bundesregierung sprach angesichts des türkischen Rückzugs aus der sogenannten Istanbul-Konvention am Samstag von einem „falschen Signal an Europa“. Der Europarat sah in dem Schritt einen „großen Rückschlag“ in den Bemühungen um den Schutz von Frauen. In der Türkei gingen aus Protest tausende Menschen auf die Straße.

In der Metropole Istanbul forderten die Teilnehmer einer Kundgebung am Samstag Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf, die Entscheidung zu revidieren und dem Abkommen wieder beizutreten. Die Demonstranten zeigten Plakate mit den Porträts ermordeter Frauen.

Sie habe „die Nase voll vom patriarchalischen Staat“, sagte die Demonstrantin Banu der Nachrichtenagentur AFP. „Ich habe es satt, mich nicht sicher zu fühlen.“ Kleinere Kundgebungen gab es laut Medienberichten auch in Ankara und Izmir.

Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei ein Problem

Der Rückzug aus der Istanbuler Konvention von 2011 wurde durch ein Präsidial-Dekret Erdogans in der Nacht zum Samstag bekanntgegeben; Frauenrechtsgruppen riefen umgehend zu Demonstrationen auf. Erdogan kam mit seiner Entscheidung konservativen und islamistischen Kreisen entgegen. Diese hatten den Austritt mit der Begründung gefordert, die Übereinkunft schade der Einheit der Familie und fördere Scheidungen sowie Homosexualität.

Die Konvention des Europarats ist das weltweit erste verbindliche Abkommen dieser Art. Die Unterzeichner verpflichten sich dazu, Frauen und Mädchen durch strafrechtliche Verfolgung der Täter besser vor Gewalt zu schützen – sei es zu Hause oder anderswo. Als „Gewalt“ gilt dabei laut Abkommen nicht nur physische Gewalt, sondern auch geschlechtsspezifische Diskriminierung, Einschüchterung oder wirtschaftliche Ausbeutung.

Mit ihrem Rückzug aus dem Abkommen trete die Regierung „den Kampf, den Frauen seit Jahren führen“, mit Füßen, erklärte Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu, einer von Erdogans wichtigsten politischen Widersachern, auf Twitter.

Sogar die regierungstreue Frauen- und Demokratievereinigung (Kadem), deren stellvertretende Vorsitzende eine Tochter Erdogans ist, verwies darauf, dass die Istanbul-Konvention „eine wichtige Rolle im Kampf gegen Gewalt“ spiele.

Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei nach wie vor ein Problem. Allein im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Organisation „Wir werden Frauenmorde stoppen“ 300 Frauen ermordet.

EU-Berichterstatter: Türkische Regierung zeige ihr „wahres Gesicht“

Auch international stieß der Austritt der Türkei auf scharfe Kritik. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte, erst vor wenigen Wochen habe Erdogan einen Aktionsplan für Menschenrechte vorgestellt, der sich auch mit der Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen beschäftige. Die Kündigung der Istanbul-Konvention werfe die Frage auf, wie ernst es die Türkei mit den im Aktionsplan angekündigten Zielen meine.

Der Vorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock, ging die Kritik der Bundesregierung nicht weit genug. Erdogans Vorgehen zeige, wie weit sich die Türkei von einer Demokratie entfernt habe, erklärte sie. „Das muss Außenminister Heiko Maas aufs Schärfste kritisieren, das muss Konsequenzen auf europäischer Ebene haben.“

Auch die Linksfraktion im Bundestag forderte von der Bundesregierung „klare Worte“ und ein Ende der Waffenexporte und der Kooperation von Polizei und Geheimdiensten.

Die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buri, sprach von einem „großen Rückschlag“, der den Schutz von Frauen in der Türkei, in ganz Europa und darüber hinaus gefährde.

Die türkische Regierung zeige auf diese Weise „ihr wahres Gesicht“, erklärte der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Türkei, Nacho Sanchez Amor, auf Twitter. Der Austritt bedeute eine „völlige Missachtung der Rechtsstaatlichkeit“ und einen Rückschritt bei den Menschenrechten. Auch die französische Regierung sah darin „einen weiteren Rückschritt bei der Achtung der Menschenrechte“. (afp)



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