London entsendet 600 weitere Soldaten
Johnson beruft Krisensitzung seiner Regierung zur Lage in Afghanistan ein

Boris Johnson
Foto: über dts Nachrichtenagentur
Wegen des beschleunigten Vormarschs der radikalislamischen Taliban in Afghanistan hat der britische Premierminister Boris Johnson für diesen Freitag eine Krisensitzung seiner Regierung einberufen. Zur Lage in Afghanistan werde am Nachmittag das Regierungsteam für Notlagen tagen, teilte ein Regierungssprecher in London mit.
Bereits am Vorabend hatte die britische Regierung angekündigt, 600 weitere Soldaten nach Afghanistan zu entsenden. Diese sollen bei der Ausreise britischer Staatsbürger und früherer afghanischer Ortskräfte helfen.
London reagierte damit ähnlich auf die raschen Geländegewinne der Taliban wie Washington. Die US-Regierung kündigte am Donnerstag an, rund 3000 zusätzliche Soldaten in die Hauptstadt Kabul zu entsenden. Sie sollen bei der Evakuierung von US-Botschaftsmitarbeitern helfen.
Auch in Berlin hatte sich am Freitagvormittag ein Krisenstab der Regierung mit der zugespitzten Lage in Afghanistan befasst. Nach Angaben von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) wurde in den Beratungen des Krisenstabs seines Hauses mit Vertretern anderer Ressorts unter anderem beschlossen, das Personal der deutschen Botschaft in Kabul auf „das absolute Minimum“ zu reduzieren.
Auch die Nato hatte für Freitagnachmittag in Brüssel eine Dringlichkeitssitzung zu Afghanistan einberufen. Bei den Beratungen von Generalsekretär Jens Stoltenberg mit den Botschaftern der Mitgliedstaaten sollte es ebenfalls um Evakuierungsmaßnahmen gehen.
Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace bezeichnete am Freitag den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan als einen „Fehler“. Die internationale Gemeinschaft werde für diesen im Abkommen von Doha vereinbarten Abzug „wahrscheinlich die Konsequenzen“ zu tragen haben, sagte Wallace dem Sender Sky News. Das Terrornetzwerk Al-Kaida werde „wahrscheinlich“ nach Afghanistan zurückkommen und „für uns und unsere Interessen eine Bedrohung darstellen“.
Im Abkommen von Doha vom Februar 2020 hatten die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump die Bedingungen für ihren Abzug aus Afghanistan mit den Taliban ausgehandelt. Großbritannien habe danach keine andere Wahl mehr gehabt, als seine Truppen ebenfalls abzuziehen, sagte Wallace.
Vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA war Afghanistan einer der Rückzugsorte von Al-Kaida, das diese Anschläge verübte. Danach marschierten die USA mit Verbündeten in Afghanistan ein und stürzten die damals dort herrschenden Taliban.
Mit dem Beginn des Abzugs der internationalen Truppen Ende April begann der Vormarsch der Taliban in Afghanistan, die inzwischen weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Islamisten eroberten bisher rund die Hälfte der afghanischen Provinzhauptstädte. Am Freitag standen sie nach Eroberung der Provinzhauptstadt Pul-i-Alam nur noch 50 Kilometer vor Kabul, wie ein Regionalparlamentarier der Provinz Logar mitteilte. (afp)
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