Kopf-an-Kopf-Rennen bei Wahl in Irland – Schwierige Regierungsbildung erwartet

Keine der großen Parteien in Irland hat Aussichten auf eine eigene Mehrheit. Eine Koalition mit der linksgerichteten Sinn Fein, die ihr Ergebnis erheblich verbessern konnte, schließen beide bürgerlichen Parteien aus. Damit steht eine schwierige Regierungsbildung bevor.
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Das Wahlsystem in Irland ist kompliziert, jeder Wähler hat nur eine Stimme, kann aber mehrere Präferenzen angeben.Foto: BEN STANSALL/AFP via Getty Images
Epoch Times9. Februar 2020

Nach der vorgezogenen Parlamentswahl in Irland zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab. Die Partei von Regierungschef Leo Varadkar, Fine Gael, lag mit 22,4 Prozent der Stimmen hauchdünn in Führung, wie am Samstagabend aus Nachwahlbefragungen im Auftrag irischer Medien hervorging. Die republikanische Sinn-Fein-Partei kam demnach auf 22,3 Prozent, während die Oppositionspartei Fianna Fail 22,2 Prozent der Stimmen holte.

Die Auszählung der Stimmen beginnt erst am Sonntagmorgen und könnte wegen des komplizierten Wahlverfahrens mehrere Tage dauern. Der 41-jährige Varadkar hatte Mitte Januar die vorgezogene Neuwahl angesetzt. Bei den Wahlen im Februar 2016 hatte seine konservative Fine Gael eine Mehrheit verfehlt. Seither war sie auf die Unterstützung der größten Oppositionspartei Fianna Fail angewiesen.

Nur 42 Kandidaten: Regierung unter Sinn Fein gilt als unwahrscheinlich

Die während des Brexit-Chaos in London herrschende Einigkeit zwischen den beiden rivalisierenden Parteien bröckelte zuletzt zusehends. Die beiden Mitte-rechts-Parteien, die seit der Unabhängigkeit Irlands vor fast einem Jahrhundert fast immer abwechselnd die Regierung stellten oder zusammen regierten, liegen nun offenbar gleichauf mit der linksgerichteten Sinn Fein.

Die Sinn Fein strebt ein vereintes Irland an – mit dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland. „Die Leute haben uns im Wahlkampf die ganze Zeit gesagt, dass sie einen Wandel wollen“, sagte Sinn-Fein-Parteichefin Mary Lou McDonald bei der Stimmabgabe in Dublin.

Sie wirbt dafür, in den kommenden fünf Jahren ein Referendum über die irische Einheit abzuhalten. Vor allem bei jungen Wählern in den Städten kommt diese Forderung gut an. Bei der vergangenen Wahl 2016 hatte sie lediglich rund 14 Prozent der Stimmen erreicht. Der neuerliche Erfolg kommt auch für Sinn Fein überraschend: Die Partei stellte insgesamt nur 42 Kandidaten für das Parlament auf. Eine Regierung unter der Führung von Sinn Fein gilt daher als extrem unwahrscheinlich.

Der irische Präsident Michael D. Higgins gibt in einem Wahllokal seine Stimme ab. Foto: Uncredited/XinHua/dpa/dpa

Erneute Minderheitsregierung in Irland?

Sowohl Fine Gael als auch Fianna Fail verloren hingegen an Zustimmung. Ob Premierminister Leo Varadkar damit im Amt bleiben kann, war zunächst unklar. Er hatte mit seiner liberal-konservativen Partei Fine Gael eine Minderheitsregierung angeführt, die von Fianna Fail toleriert wurde.

Fine Gael und Fianna Fail haben eine Zusammenarbeit mit der Sinn Fein, dem einstigen politischen Flügel der irischen Untergrundarmee IRA, ausgeschlossen. Die Partei habe sich „nicht von ihrer blutigen Vergangenheit reingewaschen“, sagte der Chef von Fianna Fail, Micheal Martin, am Vortag der Wahl.

Sollte es wider Erwarten zu einer Regierungsbeteiligung von Sinn Fein kommen, dürfte die Forderung nach einem baldigen Referendum über die irische Wiedervereinigung in Dublin zur offiziellen Regierungslinie werden.

Mit einem belastbaren Ergebnis wird nicht vor Sonntagnachmittag gerechnet. Das Wahlsystem ist kompliziert, jeder Wähler hat nur eine Stimme, kann aber mehrere Präferenzen angeben. In jedem der 39 Wahlkreise können bis zu fünf Kandidaten in das 160 Mitglieder starke Parlament (Dail) einziehen. Die Nachwahlbefragung basierte nur auf der ersten Präferenz.

Die Nordirland-Frage war auch einer der Hauptstreitpunkte bei den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel, da die Grenze zwischen Irland und Nordirland durch den Brexit de facto zu einer Landgrenze zwischen der EU und Großbritannien wurde. Das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem der jahrzehntelange blutige Nordirland-Konflikt überwunden wurde, sieht allerdings eine offene Grenze vor. (afp/dpa)



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