Krisper (Neos): „Regieren hat in Österreich mit Gier zu tun“ – Kurz: „Habe Regeln nicht erfunden“

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat in seinem Auftritt vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss erklärt, keine Kenntnis von allfälligen Unregelmäßigkeiten bei Personalentscheidungen der ÖVP/FPÖ-Regierung gehabt zu haben. Neos-Abgeordnete Krisper bezweifelt dies.
Titelbild
Sebastian Kurz.Foto: HELMUT FOHRINGER/APA/AFP via Getty Images
Von 25. Juni 2020

In seinem mit Spannung erwarteten Auftritt vor dem „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ des Österreichischen Nationalrats hat Bundeskanzler Sebastian Kurz Vorwürfe zurückgewiesen, es sei zu Korruption im Zusammenhang mit Personalentscheidungen der früheren Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ gekommen.

Insbesondere sei er selbst nicht in jedem Fall über alle Personalfragen in Kenntnis gesetzt worden. Die ÖVP habe auch keine Spenden im Gegenzug zu bestimmten Personalbestellungen angenommen.

Kurz wehrt sich gegen „Anpatzversuche“

Wie das Portal „oe24.“ berichtet, verteidigte Kurz am Mittwoch (24.6.) den Personalauswahlprozess in der damaligen Bundesregierung, der sich auch von dem in der aktuellen nicht unterschieden habe. Er habe „die Regeln nicht erfunden“, erklärte der Kanzler, er gestand auch zu, dass dieses System Schwächen habe: „Wir kennen aber kein besseres.“

Auch bei der Regierungsbildung mit den Grünen sei er über manche der mehr als hundert Personalentscheidungen innerhalb von sechs Monaten informiert worden, andere habe er „aus der Zeitung erfahren“. Sollte es tatsächlich Unregelmäßigkeiten gegeben haben, wie Teile der Opposition dies behaupten, müsse es erforderlichenfalls strafrechtliche Schritte geben, erklärte Kurz. „Pauschale Anpatzversuche“ lehne er jedoch ab.

Weder habe die ÖVP Spenden von Novomatic angenommen, weil man aus Bereichen wie Glücksspiel oder Waffen grundsätzlich keine annehme, noch habe er in irgendeiner Weise an der Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo Anteil zum Finanzchef der Casinos Austria mitgewirkt. Auch die sogenannte Schredder-Affäre, bei der es um eine nicht bezahlte Rechnung von weniger als 100 Euro gegangen sei, sei aus seiner Sicht mit der Einstellung sämtlicher Ermittlungen vom Tisch.

„ÖVP lässt keinen Reformwillen erkennen“

Im Vorfeld des Auftritts hatte die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) der ÖVP und dem Kanzler vorgeworfen, von eigener Verwicklung in möglichen Postenschacher ablenken zu wollen – und angekündigt, sich dieser widmen zu wollen, um „das Bild so groß zu machen, wie es das verdient“. Deshalb seien auch Kurz, ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel und einige Personen aus dem ÖVP-Umfeld geladen worden, die Beschuldigte in laufenden Ermittlungsverfahren seien.

Aus ihrer Sicht stehe im Zusammenhang mit der umstrittenen Bestellung des formal nicht ausreichend qualifizierten Sidlo fest, dass „[Ex-Finanzminister Hartwig] Löger und [Walter] Rothensteiner ihre gesetzlichen Aufgaben als Finanzminister beziehungsweise Aufsichtsratsvorsitzender der Casinos Austria nicht wahrgenommen und so diese Personalie überhaupt ermöglicht haben“.

Regieren habe in Österreich „immer auch mit Gier zu tun“, meint Krisper, deren Partei seit ihrer Gründung im Jahr 2012 noch in keiner Bundesregierung vertreten war. „Mit Parteispenden, Postenschacher und Machtmissbrauch. Und dass das Transparenz- und Parteienfinanzierungspaket zwar groß angekündigt wurde, aber immer noch nicht umgesetzt ist, zeigt, dass die ÖVP kein Interesse hat, das rasch zu ändern.“

Krisper: „Beziehungen oder Kleingeld in Österreich oft wichtiger als Qualifikation“

In Österreich sei es häufig der Fall, dass Beziehungen wichtiger seien als Qualifikation – „oder ob man das nötige Kleingeld auf den Tisch legen kann“. Zudem seien in noch nicht abgeschlossenen Verfahren der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen ÖVP-nahe Politiker Personen tätig, die unter dem Verdacht stünden, zugunsten der Regierungspartei befangen zu sein. Gegen die Hintermänner des illegal angefertigten Ibiza-Videos werde mit größerer Entschlossenheit ermittelt als gegen Korruptionsverdächtige aus dem ÖVP-Umfeld.

Da mit Karl Nehammer die ÖVP den Innenminister stelle, hätte dieser jetzt die Pflicht, die Soko aufzulösen. Er sollte „den Staatsanwälten der WKStA eine Ermittlungseinheit zur Verfügung stellen, der sie vertrauen und die effizient für sie ermittelt“ – sonst müsse er sich „den Vorwurf gefallen lassen, dass er hier ein Verfahren, in dem auch ÖVP-nahe Personen als Beschuldigte geführt werden, nicht effizient führen lässt“.

Haben Korruptionsvorwürfe schlicht keine Substanz?

Kritiker werfen Krisper hingegen vor, in diesem Zusammenhang Verschwörungstheorien zu verbreiten. Der Umstand, dass es mehr als ein Jahr nach dem Bekanntwerden der minutiös vorbereiteten Video-Falle gegen den späteren Vizekanzler Heinz-Christian Strache noch zu keinen für Anklagen ausreichenden Erkenntnissen gekommen zu sein scheint, könnte ebenso dafür sprechen, dass die Korruptionsvorwürfe gegen Mitglieder der früheren Bundesregierung keine ausreichende Substanz haben.



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