Kurdische Ikone Selahattin Demirtas: Erdogan steckt Widersacher ins Gefängnis

Der charismatische Anführer der kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) wurde zu einem der gefährlichsten Rivalen für Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Demirtas' steiler Aufstieg endete nun vorerst im Gefängnis.
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HDP-Politiker Selahattin DemirtasFoto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
Epoch Times5. November 2016

Durch seinen historischen Triumph bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr hat Selahattin Demirtas die politischen Machtverhältnisse in der Türkei ins Wanken gebracht.

Der charismatische Anführer der kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) wurde zu einem der gefährlichsten Rivalen für Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Demirtas‘ steiler Aufstieg endete nun vorerst im Gefängnis.

Der Wahlerfolg der HDP brachte Erdogans AKP im Juni 2015 um die absolute Mehrheit im Parlament, der islamisch-konservative Staatschef musste seine Pläne zur Einführung eines Präsidialsystems vorerst begraben. Demirtas wurde plötzlich zu einem der wichtigsten Gegenspieler Erdogans. Bei vorgezogenen Neuwahlen im November eroberte die Regierungspartei zwar die absolute Mehrheit zurück, ihr fehlt aber weiterhin die für eine Änderung der Verfassung erforderliche Mehrheit.

Demirtas, der von seinen Bewunderer als „kurdischer Obama“ bezeichnet wird, gilt als einer der wenigen Politiker in der Türkei, der Erdogan rhetorisch gewachsen ist und ähnlich charismatisch ist wie der Staatschef. Unter dem Vorsitz des 43-jährigen Anwalts entwickelte sich die HDP von einer Interessenvertretung der kurdischen Minderheit zu einer Sammelbewegung für alle linksliberalen Gegner der AKP-Regierung.

Während des Wahlkampfs im vergangenen Jahr schmähte Erdogan seinen Rivalen als „hübschen Jungen“ und attackierte die HDP wegen ihrer angeblichen Nähe zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Dieser Vorwurf brachte Demirtas nun ins Gefängnis: In der Nacht zum Freitag wurde er zusammen mit seiner Ko-Vorsitzenden Figen Yüksekdag und weiteren HDP-Abgeordneten festgenommen.

Ein Gericht verhängte später auch Haftbefehle gegen die beiden HDP-Chefs. Ihnen wird Propaganda für die PKK zur Last gelegt. Demirtas muss sich zudem wegen angeblicher Anstachelung zur Gewalt bei Protesten im Oktober 2014 verantworten. Die türkische Justiz hatte schon im vergangenen Jahr Ermittlungen eingeleitet.

Demirtas stammt aus dem ostanatolischen Elazig. In der mehrheitlich kurdischen Stadt wuchs er mit sechs Geschwistern auf. Nach seinem Jurastudium an der Universität in Ankara arbeitete Demirtas zunächst als Menschenrechtsanwalt. 2007 startete er dann seine politische Karriere. Seit Mitte 2014 führt er die HDP gemeinsam mit der Co-Vorsitzenden Yüksekdag.

Als er im August 2014 bei der Präsidentschaftswahl antrat, konnte Demirtas Erdogan noch nicht gefährlich werden und landete auf dem dritten Platz. Durch seinen Erfolg bei den Parlamentswahlen geriet er aber ins Visier des Staatschefs und seiner Anhänger. Sie beschuldigen den HDP-Chef, dessen Bruder sich den PKK-Kämpfern angeschlossen haben soll, sich nicht ausreichend von der Rebellenbewegung zu distanzieren.

Zwar unterhält die HDP tatsächlich Verbindungen zur PKK, doch setzt sie sich für einen Waffenstillstand und ein Ende des Blutvergießens ein. „Selahattin Demirtas steht für Gewaltfreiheit und den Versöhnungsprozess in der Türkei“, sagt auch die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Rebecca Harms.

Nach dem Putschversuch Mitte Juli, den Demirtas entschieden verurteilt hatte, gerieten er und seine Parteifreunde zusätzlich unter Druck. Die türkischen Sicherheitsbehörden verschärften ihr hartes Vorgehen gegen die PKK und ihre mutmaßlichen Unterstützer. Mehrere gewählte Bürgermeister in den Kurdengebieten wurden wegen angeblicher PKK-Verbindungen abgesetzt.

Er befürchte, dass der Ausnahmezustand nicht nur dazu genutzt werde, gegen die Putschisten vorzugehen, sondern dass die Regierung darüber hinausgehe, sagte Demirtas kurz nach dem Umsturzversuch in einem AFP-Interview. „Wir haben in diesem Punkt kein Vertrauen in die AKP“, sagte er. Die jünsten Festnahmen dürften für ihn eine bittere Bestätigung sein. (afp)



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