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Nur eine Handvoll Konzerne betroffen

Lieferkettengesetz: EU-Parlament stimmt für weitreichende Lockerungen

Mit 382 zu 249 Stimmen hat das EU-Parlament am Donnerstag die umstrittene Lieferketten-Richtlinie massiv abgeschwächt: Schwellen explodieren auf 5000 Mitarbeiter und 1,5 Milliarden Euro Umsatz, Klimapflichten und EU-weite Haftung fallen komplett weg.

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EU-Parlament für Abschwächung des Lieferkettengesetzes (Archivbild).

Foto: Alicia Windzio/dpa

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Lesedauer: 7 Min.

Das Europaparlament hat für weitreichende Lockerungen des EU-Lieferkettengesetzes gestimmt. Die Abgeordneten nahmen am Donnerstag in Brüssel einen Entwurf an, nach dem zahlreiche Unternehmen von den Berichtspflichten ausgenommen würden.

382 zu 249: Klares Votum für die Abschwächung

Eine Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments hat dafür gestimmt, die EU-Richtlinie zur Lieferkette erheblich zu schwächen. 382 Abgeordnete stimmten dafür, 249 dagegen und 13 enthielten sich.
Die Richtlinie gilt künftig nur noch für eine Handvoll sehr großer Unternehmen und verpflichtet diese nicht mehr zur Entwicklung von Klimaplänen. Das Europäische Parlament kann nun in die abschließenden Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten über den Vorschlag eintreten.
„Heute ist ein guter Tag für die Wettbewerbsfähigkeit Europas“, erklärte Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Europäischen Volkspartei, nach der Abstimmung.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Für die Änderungen stimmte eine Mehrheit vor allem aus Konservativen und rechtsnationalen Fraktionen. Ein Kompromiss der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören, mit Sozialdemokraten und Liberalen war zuvor gescheitert.
Ursprünglich wollte die EU mit dem Lieferkettengesetz Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Jahresumsatz für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Produktion in die Pflicht nehmen.
Die Mehrheit im Europaparlament will diese Schwelle nun auf mindestens 5000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro anheben. Das entspricht der Position einer Mehrheit der 27 EU-Staaten.
Die Parlamentsmehrheit setzt sich für weitere Lockerungen ein. Anders als bislang vorgesehen sollen die Konzerne nicht mehr grundsätzlich ihre gesamte Lieferkette kontrollieren und sich stattdessen auf Zulieferer konzentrieren, bei denen sie ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Sie müssten damit deutlich weniger Informationen liefern.
Eine EU-weite Haftung für Verstöße gegen das Gesetz soll gestrichen werden. Damit hingen etwa Entschädigungen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung von den Gerichten in den unterschiedlichen EU-Staaten ab.
Die Abgeordneten müssen nun mit dem Rat der 27 EU-Staaten über die Änderungen verhandeln. Eine Reihe von Regierungen hatten in den vergangenen Wochen auf eine rasche Einigung gedrängt, so auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

Keine „Brandmauer“ im EU-Parlament

In Deutschland hält Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) an seiner Absage einer Zusammenarbeit mit der AfD fest – in Brüssel sind Mehrheiten der Europäischen Volkspartei (EVP) um die deutschen Unionsparteien mit Rechtsfraktionen hingegen nicht neu.
Die Sitzverteilung im Europaparlament sorgt dafür, dass sich die EVP ihre Mehrheiten aussuchen kann: Links oder rechts der eigenen Position. Jahrelang war es üblich, dass sich EVP, Sozialdemokraten und Liberale auf einen Kompromiss einigen.
Seit den Wahlen im vergangenen Jahr reichen der EVP auch die Stimmen der verschiedenen Rechtsfraktionen zu einer Mehrheit, häufig unterstützt durch einige liberale Abgeordnete.
Anders als im Bundestag gibt es auf EU-Ebene keine Regierungskoalition. Die Mehrheiten sind von Gesetz zu Gesetz verschieden. Die EVP stimmte bislang vor allem dann mit den Rechtsfraktionen, wenn es um die Abwicklung von Vorschriften für Unternehmen oder Umweltvorgaben geht.
EVP-Chef Manfred Weber sieht Teile der Rechtsfraktionen als verlässliche Partner, etwa die Partei der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. Auch die AfD hat der EVP jedoch bereits zur Mehrheit verholfen.
Im vergangenen Jahr nahm eine CDU-geführte Mehrheit Anträge an, die ohne die Stimmen der AfD nicht beschlossen worden wären – damals ging es um ein Gesetz gegen Abholzung.

Worum geht es beim Lieferkettengesetz?

Das Lieferkettengesetz sollte ursprünglich Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Lieferkette in die Pflicht nehmen. Firmen sollten dafür Angaben zu ihren Lieferanten an die Behörden melden.
Auf massiven Druck aus der Wirtschaft hatte die EU-Kommission eine Reihe von Lockerungen vorgeschlagen, die Mehrheit im Europaparlament und unter den 27 EU-Ländern will noch weiter gehen.

Wer ist für die Änderungen? Wer ist dagegen?

Wirtschaftsverbände in Deutschland haben das Votum im EU-Parlament für Lockerungen beim Lieferkettengesetz und der Nachhaltigkeitsberichterstattung als wichtiges Signal für den Abbau bürokratischer Hürden begrüßt.
Bürokratieabbau sei „Überlebensfrage für Europas Wirtschaft“, erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger am Donnerstag. Der Außenhandelsverband BGA sprach von einem „Durchbruch in die richtige Richtung zur Bürokratieentlastung“, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) erklärte, Gesetze dürften Unternehmen „nicht mit unverhältnismäßigen Anforderungen überlasten“.
Der Automobilverband VDA teilte mit, es sei ein wichtiges Signal, „dass die EU den bestehenden Regulierungsdruck anerkennt und erste Korrekturen vornimmt“. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßte, dass kleine und mittlere Unternehmen künftig von umfassenden Berichtspflichten entlastet werden sollten.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem guten Signal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit.
Scharfe Kritik äußerte am Donnerstag die Gewerkschaft Verdi: „Was heute beschlossen wurde, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die weltweit unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten“, erklärte Verdi-Chef Frank Werneke mit Blick auf das Lieferkettengesetz.
Die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte es als „kurzsichtig“, dass Gesetze, die „eine nachhaltige und resiliente Wirtschaft gefördert hätten“, bis zur Unkenntlichkeit entkernt worden seien.

Wie geht es nun weiter?

Die Änderungen gehen nun in die Verhandlungen mit dem Rat der 27 EU-Staaten. Ziel ist es nach Parlamentsangaben weiter, die Gesetzesänderungen bis Jahresende zu beschließen – darauf drängt unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

Was bedeutet das für Deutschland?

Die Bundesregierung muss die deutschen Gesetze an die europäischen Vorgaben anpassen, nachdem die Änderungen beschlossen sind. In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz, die schwarz-rote Bundesregierung will es jedoch ohnehin abschaffen und hat bereits ein deutliches Abschwächen der Regeln auf den Weg gebracht.(afp/red)

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