Lukaschenko trifft sich mehrere Stunden mit inhaftierten Vertretern der Opposition

"Die Verfassung schreibt sich nicht auf der Straße", erklärt der Machthaber Lukaschenko in Weißrussland - und traf sich überraschend mit inhaftierten Oppositionellen. Die Teilnehmer des Treffens einigen sich darauf, über die Inhalte Stillschweigen zu bewahren, erklärte die Regierung.
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Alexander Lukaschenko gilt als der "letzte Diktator Europas".Foto: Hans Punz/APA/dpa
Epoch Times11. Oktober 2020

Im Machtkampf in Belarus hat sich der langjährige Präsident Alexander Lukaschenko überraschend mit inhaftierten Vertretern der Opposition getroffen. Das Gespräch im Gefängnis des Geheimdienstes KGB in Minsk habe mehrere Stunden gedauert, teilte die Präsidentschaft am Samstag mit. Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja erklärte zu dem Treffen: „Man kann keinen Dialog in den Mauern eines Gefängnisses führen.“

Die Präsidentschaft veröffentlichte Videoausschnitte und ein Foto des Treffens, an dem unter anderem der ehemalige Präsidentschaftskandidat Viktor Babaryko teilnahm. Er war bis zu seiner Festnahme im Juni der wichtigste Herausforderer Lukaschenkos vor der Präsidentenwahl am 9. August. Auf dem Video wirken die inhaftierten Oppositionellen blass und ernst.

Verfassungsreform – und Schweigen über die Inhalte der Gespräche

„Ich versuche, nicht nur Ihre Anhänger, sondern die gesamte Gesellschaft zu überzeugen, dass man die Dinge aus einem größeren Blickwinkel sehen muss“, sagt Lukaschenko in dem kurzen Videoausschnitt zu den Inhaftierten. „Die Verfassung schreibt sich nicht auf der Straße.“ Der Staatschef hatte bereits zuvor erklärt, er sehe in einer Verfassungsreform die Lösung für die innenpolitische Krise. Offenbar sollte das Gespräch darum gehen.

Die Teilnehmer des Treffens hätten sich darauf geeinigt, über die Inhalte Stillschweigen zu bewahren, erklärte die Präsidentschaft. Wie und unter welchen konkreten Umständen es zu dem Gespräch kam, blieb unklar.

Unter den Gesprächsteilnehmern war auch ein Mitglied des Koordinierungsrates, der nach der umstrittenen Wahl von der Opposition gebildet worden war, um einen friedlichen Wandel herbeizuführen. Praktisch alle führenden Mitglieder dieses Gremiums sind inzwischen im Exil oder in Haft.

Tichanowskaja: Machthaber erkennt „Existenz politischer Gefangener an“

Im Exil in Litauen ist auch Lukaschenkos Wahl-Herausforderin Tichanowskaja. Mit dem Treffen in dem KGB-Gefängnis habe der langjährige Machthaber „die Existenz politischer Gefangener anerkannt, die er bisher nur als Kriminelle bezeichnet hat“, erklärte sie auf ihren Internet-Konten. Es könne aber keinen wirklichen Dialog geben, so lange diese im Gefängnis seien.

Der Telegram-Kanal der Oppositionsführerin teilte zudem mit, dass diese erstmals seit Monaten mit ihrem inhaftierten Ehemann Sergej Tichanowski telefonieren konnte. Es habe sich um ihr erstes Gespräch seit seiner Festnahme im Mai gehandelt. Der Youtuber Tichanowski war im Mai festgenommen worden. Die Behörden warfen ihm Gewalt gegen einen Polizeibeamten vor. Die Wahlkommission belegte ihn mit einem Kandidaturverbot – erst daraufhin trat seine Frau gegen Lukaschenko an.

Opposition spricht von Wahlfälschung

Nach dem Urnengang am 9. August erklärte die staatliche Wahlkommission Lukaschenko zum klaren Sieger. Die Opposition spricht von Betrug und Fälschung, nach ihren Angaben gewann Tichanowskaja die Abstimmung gegen den seit 26 Jahren herrschenden Staatschef.

Seit der offiziellen Ausrufung Lukaschenkos gibt es in Belarus Massenproteste, die Opposition fordert seinen Rücktritt und Neuwahlen. Die Sicherheitsbehörden gehen brutal gegen die Demonstranten vor – trotzdem reißen die Proteste nicht ab.

Dass Lukaschenko jetzt zu den Inhaftierten ins Gefängnis ging, werteten Vertreter der Opposition als Zeichen der Schwäche des Staatschefs. Das Treffen zeige, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“, schrieb Pawel Latuschko vom Koordinierungsrat in Online-Medien. „Lukaschenko fühlt sich gezwungen, sich mit denen zu einem Gespräch zusammen zu setzen, die er selbst hinter Gitter gebracht hat.“

Auch die EU erkennt den offiziell verkündeten Wahlsieg Lukaschenkos nicht an und hat Sanktionen gegen politisch Verantwortliche verhängt.  (afp)



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