Militärinvasion in der Ukraine: Blufft Wladimir Putin?

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US-Präsident Joe Biden (L) und russischer Präsident Wladimir Putin.Foto: MANDEL NGAN,MIKHAIL METZEL/SPUTNIK/AFP via Getty Images
Epoch Times6. Dezember 2021

Blufft Wladimir Putin nur oder plant der russische Präsident wirklich einen Angriff auf die Ukraine? Inmitten der zunehmenden Spannungen in dem Konflikt hält US-Präsident Joe Biden am Dienstag einen Videogipfel mit dem Kreml-Chef ab, der durch massive Truppenbewegungen im Grenzgebiet zur Ukraine die Krise angeheizt hat.

Die russische Regierung hat keine großen Erwartungen an das Gipfelgespräch von Präsident Wladimir Putin mit seinem US-Amtskollegen Joe Biden. „Es ist schwierig, einen Durchbruch bei den Verhandlungen zu ewarten“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Es sei aber zumindest zu hoffen, dass Biden und Putin „einander ihre Bedenken deutlich machen und darauf reagieren können“.

„Auch wenn sich unsere bilateralen Beziehungen immer noch in einem bedauernswerten Zustand befinden, gibt es in einigen Bereichen eine Belebung, einen beginnenden Dialog“, sagte Peskow. „Auch wenn dieser Dialog derzeit nicht zu einheitlichen Positionen und Vereinbarungen führt, ist es trotzdem immer besser, miteinander zu sprechen.“

In den Beziehungen zwischen den USA und Russland mangelt es nicht an Streitpunkten. Konfliktthemen sind unter anderem Moskaus Vorgehen gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, mutmaßliche russische Hackerangriffe und Putins Allianz mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad.

Ukraine-Konflikt im Mittelpunkt

Im Zentrum des Gesprächs am Dienstag steht aber der Ukraine-Konflikt. Washington und Kiew werfen Moskau vor, eine Militärinvasion in der Ukraine vorzubereiten, was die russische Regierung bestreitet.

Die Befürchtungen erhielten am Freitag durch US-Medienberichte neue Nahrung. Demnach sehen Moskaus Pläne unter anderem „umfangreiche Bewegungen von hundert Bataillonen taktischer Verbände mit schätzungsweise 175.000 Mann, zusammen mit Panzern, Artillerie und Ausrüstung“ vor. Kiew befürchtet einen russischen Angriff Ende Januar.

Viele Experten glauben nicht, dass Putin tatsächlich eine Invasion plant, die eine internationale Verurteilung und wohl auch eine Ausweitung der nach der Annexion der Krim verhängten Sanktionen nach sich ziehen würde.

„Putin blufft nicht mehr“

Russland hatte die Halbinsel 2014 annektiert. In dem seitdem andauernden Konflikt zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee in der Ostukraine wurden bereits mehr als 13.000 Menschen getötet.

„Putin blufft nicht mehr“, ist sich hingegen die Politikberaterin und Gastwissenschaftlerin am Carnegie-Center in Moskau, Tatjana Stanowaja, sicher. „Er ist bereit, einen verzweifelten Schritt zu tun.“

Die derzeitige Krise könnte zur bisher härtesten Prüfung für das außenpolitische Geschick des 78-jährigen US-Präsidenten werden. Die beiden Politik-Veteranen Biden und Putin kennen sich schon seit langer Zeit.

Als US-Vizepräsident traf Biden den damaligen russischen Ministerpräsidenten erstmals 2011. Später berichtete Biden, er habe Putin gesagt: „Ich denke nicht, dass Sie eine Seele haben.“ Dieser habe ihn angelächelt und geantwortet: „Wir verstehen uns.“

Zunehmende Spannungen

Zu Beginn des Ukraine-Konflikts 2014 kamen Biden und Putin dann in Genf zusammen. Dort trafen sie sich auch sieben Jahre später: Bei dem Gipfel im Juni trat Biden dem Kreml-Chef erstmals als US-Präsident gegenüber. Die Kontakte wurden seither fortgesetzt, aber auch die Spannungen nahmen zuletzt weiter zu.

Russland bestreitet militärischen Bestrebungen und wirft im Gegenzug der Ukraine vor, sich vom Westen militärisch ausrüsten zu lassen. Zudem prangert der Kreml Nato-Militärmanöver nahe der russischen Grenzen an.

Putin warnte den Westen und die Ukraine in der vergangenen Woche davor, die „roten Linien“ des Kremls zu überschreiten. Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte von seinem US-Kollegen Antony Blinken „langfristige Sicherheitsgarantien“, die einen Beitritt der Ukraine zur Nato und eine Osterweiterung des Bündnisses ausschließen.

Biden entgegnete, er werde „die rote Linie von niemandem akzeptieren“. Zugleich kündigte der US-Präsident eine Reihe von „Initiativen“ an, um eine mögliche russische Invasion zu verhindern.

Droht bald eine militärische Eskalation?

Stanowaja fasst Putins Strategie so zusammen: „Entweder die Nato gibt Garantien oder Russland marschiert in die Ukraine ein.“ Die Nato hatte im Juni 2020 eine engere Zusammenarbeit mit Kiew vereinbart, was ein möglicher Schritt in Richtung Mitgliedschaft sein könnte.

Putin wolle mit der Zuspitzung des Ukraine-Konflikts einen „enormen Druck“ aufbauen, sagt Heather Conley, Europa-Expertin des Washingtoner Politikinstituts Center for Strategic and International Studies. Er strebe ein weiteres persönliches Gipfeltreffen mit Biden an und wolle die Beziehungen des Westens zur Ukraine stören, die er als eine „Art Flugzeugträger für die Nato“ betrachte.

Der kremlnahe Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow erwartet keine konkreten Ergebnisse bei dem Gipfeltreffen am Dienstag. Befürchtungen, dass ein Scheitern des Gesprächs zur militärischen Eskalation führen könnte, bezeichnete er als eine „vom Westen geschürte Hysterie“.

Die US-Expertin Conley ist anderer Meinung. Sollte Putin nicht die geforderten Zusicherungen erhalten, bestehe die Gefahr, dass er „militärische Mittel einsetzt, um seine politischen Ziele zu erreichen“. (afp/dl)



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