Neue Spannungen im Mittelmeer? Türkei schickt erneut Gasbohrschiff los

2020 brachten türkische Erdgaserkundungen im Mittelmeer die Türkei und Griechenland an den Rande einer militärischen Auseinandersetzung. Nun schickt Ankara wieder ein Bohrschiff los. Droht eine Eskalation?
2020 unternahm das türkische Bohrschiff «Oruc Reis» südlich der Insel Rhodos Erkundungsfahrten.
2020 unternahm das türkische Bohrschiff "Oruc Reis" südlich der Insel Rhodos Erkundungsfahrten.Foto: Ibrahim Laleli/DHA/AP/dpa
Epoch Times9. August 2022

Die Türkei will erneut ein Gasbohrschiff zu Erkundungsfahrten ins Mittelmeer entsenden. Die „Abdülhamid Han“ soll am Dienstag von Präsident Recep Tayyip Erdogan losgeschickt werden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ziel und Route sind bisher nicht bekannt.

Türkische Erdgaserkundungen beobachtet vor allem der Nachbar Griechenland ganz genau – auch weil die Türkei in der Vergangenheit nicht davor zurückschreckte, in Gebieten zu forschen, die Athen für sich beansprucht. Angesichts der Tatsache, dass die Beziehungen sich auf einem Tiefpunkt befinden, erscheint die Mission besonders heikel.

2020 gerieten die beiden Länder an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung. Damals unternahm das türkische Bohrschiff „Oruc Reis“ südlich der Insel Rhodos Erkundungsfahrten, teilweise von Kriegsschiffen eskortiert. Die griechische Marine wurde mobilisiert. Erst mit der Abfahrt der „Oruc Reis“ aus den umstrittenen Gebieten beruhigte sich die Lage.

Territoriale Spannungen

Hinter dem Konflikt stehen territoriale Uneinigkeiten: Griechenland bezichtigte die Türkei damals, die Vorkommen illegal zu erkunden. Die Regierung in Ankara vertrat den Standpunkt, dass die Gewässer zum türkischen Festlandsockel gehörten.

Das Seerecht der Vereinten Nationen (UN) legt für Küstenländer eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) fest. In dieser 200-Meilen-Zone hat ein Staat demnach das alleinige Recht zur Ausbeutung von Bodenschätzen. Liegt die Küste eines anderen Landes näher, gilt die Mittellinie. Griechische Inseln, die nahe an der türkischen Küste liegen, verringern also die türkische AWZ enorm. Die Türkei argumentiert – teilweise gestützt auf Lesarten internationalen Rechts – dass Inseln keine AWZ haben. Ankara verteidigt die Erkundungen daher als legitim.

Athen verweist auf internationales Recht

Ob das Schiff nun tatsächlich in umstrittene Gewässer fährt, ist unklar. Die griechische Regierung hält sich bisher bedeckt. Man habe sich zu diesem Thema ausreichend geäußert und immer wieder angemahnt, dass in dem Konflikt mit dem Nachbarland internationales Recht gelte und die Souveränität eines jeden Landes respektiert werden müsse, heißt es aus Regierungskreisen. Dieselben Kreise berichten auch, dass Regierung und Militär längst alle möglichen Szenarien der Route der „Abdülhamid Han“ analysiert und durchgespielt hätten.

Würde das Schiff die ausschließliche Wirtschaftszone Griechenlands verletzen, werde Athen demnach so reagieren wie im Sommer 2020. Gleichzeitig betonte Premier Kyriakos Mitsotakis zuletzt immer wieder seine Gesprächsbereitschaft. Könne man den Konflikt jedoch nicht bilateral regeln, müsse das Thema vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag geklärt werden.

Die Türkei, die auf Gasimporte angewiesen ist, sieht sich seit langem von der geplanten Ausbeutung von Rohstoffen in der Region ausgeschlossen. Im östlichen Mittelmeer wurden bereits große Gasvorkommen entdeckt. Experten erwarten weitere Funde. Ob die Ausbeutung allerdings überhaupt wirtschaftlich und mit klimapolitischen Zielen vereinbar ist, ist stark umstritten. Vor dem Hintergrund des Ringens westlicher Staaten um Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen, gewinnt jedoch auch das Mittelmeer wieder an Interessenten, auch als Transitraum. (dpa/red)



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