Neue Wege nach Deutschland: Pläne in Afrika verkündet

In Afrika geben der Arbeitsminister und die Ressortchefin für Entwicklung den Startschuss für neue Hilfen für Auswanderungswillige. Es geht nicht um eine Arbeitsaufnahme in Deutschland um jeden Preis.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) besuchen eine Mülldeponie in Ghana.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) besuchen eine Mülldeponie in Ghana.Foto: Christophe Gateau/dpa
Epoch Times22. Februar 2023

Hubertus Heil strahlt. Fast 6000 Kilometer sind der Bundesarbeitsminister und seine Kabinettskollegin Svenja Schulze von Berlin nach Ghana geflogen. In der schwülen Februarluft des westafrikanischen Landes verkünden der Arbeits- und die Entwicklungsministerin nichts Geringeres als einen „Paradigmenwechsel in der deutschen Migrationspolitik“. Doch hier, auf dem sandigen Gelände einer Schule in Ghanas Hauptstadt Accra, freut sich Heil am Dienstag erst mal über Erfolge bei Kindern, die wahrscheinlich nie nach Deutschland kommen werden.

Heil und Schulze werden mit Gesang, Tanz und traditioneller Musik unter einem ausladenden Mango-Baum empfangen. „Da geht einem wirklich das Herz auf“, sagt Heil. Mithilfe von deutschen Spenderinnen und Spendern hat eine Berlinerin hier vor 27 Jahren die Grundschule aufgebaut.

Viele ihrer Schützlinge seien an weiterführende Schulen gegangen oder sogar an eine Uni – nach Deutschland hat es aber niemanden verschlagen, wie Schulleiterin Karola Slany erzählt. „Deutschland ist für die Kinder ganz weit weg“, sagt Slany. Viele andere Menschen in Ghana wollen wohl dagegen lieber heute als morgen nach Europa – auch nach Deutschland. Deswegen werben Heil und Schulze dafür, beides möglich zu machen: Entwicklung vor Ort und auch Auswanderung.

Schulze hofft auf Win-Win-Win-Situation

In Accra wollen Heil und Schulze hoffnungsvolle Botschaften zur Migration setzen. „Es geht darum, dass beide Staaten in ihrer Volkswirtschaft davon profitieren können“, sagt Heil. „Deswegen ist es gut, miteinander zu arbeiten und eine Win-Win-Win-Situation zu schaffen“, meint Schulze.

Bereits im November hatte die Ampel das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz aufs Gleis gesetzt. Gleich vier Kabinettsmitglieder bot die Regierung damals auf, um für die neuen Regeln zu werben. Damals wurden Eckpunkte beschlossen. Seit Montag nun sammelt die Regierung Stellungnahmen der Bundesländer und der Wirtschaft- und Sozialverbände zu dem geplanten Gesetz ein. Doch worin soll der „Paradigmenwechsel“, die grundlegende Änderung bestehen? Sollen Fachkräfte um jeden Preis angelockt werden?

Heil will faire Migration

Heil und Schulze geben in Accra den Startschuss für eine Neuausrichtung eines bestehenden ghanaisch-deutschen Migrationsberatungszentrums. Die Einrichtung, direkt neben Ghanas Arbeitsministerium gelegen, soll Interessierte informieren: Welche Wege führen nach Deutschland – aber auch in andere EU-Länder? Was müssen auswanderungswillige Ghanaer machen, die es erst mal in anderen afrikanischen Ländern versuchen wollen? Zudem soll das Zentrum aus Deutschland zurückkehrenden Ghanaern helfen, daheim wieder Fuß zu fassen, was schon praktiziert wird. So verspricht Deutschland unter anderem Unterstützung bei einer Existenzgründung.

„Wenn hier der Eindruck entsteht, als würden wir diesem Land kluge Fachkräfte abziehen, dann wäre das ein falscher“, sagt Heil. Denn in Ghana mit seinen knapp 34 Millionen Einwohnern gibt es dem deutschen Minister zufolge einen Überschuss an gut ausgebildeten Menschen, die keine Arbeit finden. Laut Prognosen wächst Ghanas Bevölkerung in den kommenden zehn Jahren um weitere knapp sieben Millionen Einwohner. „Deshalb ist es wichtig, dass wir in mehrerlei Richtungen dafür sorgen, dass das faire Migration ist.“

Schulze sagt: „Das ist hier ein sehr junges Land mit einer sehr jungen Bevölkerung.“ Tatsächlich sind rund 56 Prozent der Menschen unter 25 Jahre. „Wir sind eine immer ältere werdende Gesellschaft“, setzt Schulze dagegen. „Wir brauchen Fachkräfte.“

„Mörderische Wege durch Sahara vermeiden“

Ghana ist im Vergleich zu manchen anderen westafrikanischen Ländern stabil und auch als Reiseland recht sicher – anders als etwa der von Terror heimgesuchte nördliche Nachbar Burkina Faso. Viele der jungen Menschen, die als Kinder die Schule von Karola Slany besucht hatten, arbeiten heute selbst als Lehrkräfte, als Krankenschwestern oder Priester im Land.

Doch Ghana ächzt unter einer Inflation von über 50 Prozent. Die Wirtschaft ist angeschlagen. Neuerdings wollen viele weg. Doch Armutsmigration will Deutschland nicht anziehen. „Es geht auch darum, mörderische Wege durch die Sahara zu vermeiden“, sagt Heil mit Blick auf illegale Fluchtbewegungen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen Einreisewillige zum Beispiel nach Berufserfahrung oder Deutschlandbezug ausgewählt werden.

Das Entwicklungsministerium steckt allein in Ghana in den kommenden drei Jahren rund zehn Millionen Euro in Qualifizierung und berufliche Bildung. Ghanas Sozialministerin Lariba Abudu lobt denn auch die „starken bilateralen Beziehungen“ zu Deutschland. 150 Millionen fließen insgesamt in solche Migrationsprojekte in Länder Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Mittel- und Osteuropas. Weitere Zentren wie in Accra sind in Marokko, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Nigeria, Irak, Pakistan und Indonesien geplant.

Beispiel Pflegekräfte

Heil und Schulze wollen bei dem sensiblen Thema erfolgreicher sein als die Große Koalition. Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) etwa war 2019 nach Mexiko geflogen, um Pflegekräften den Weg nach Deutschland zu erleichtern. Aus vielen Regionen der Welt sollten Pflegekräfte gewonnen werden. Doch die Sache lief zäh an und zeigte, wie schwer es ist, Migration so zu steuern, wie sich dies auch die aktuelle Bundesregierung wünscht.

Die Pflegerinnen und Pfleger, die etwa aus Indien, Indonesien oder Jordanien kamen, konnte man im vergangenen Jahr an einer Hand abzählen. Insgesamt konnten unterm Strich 656 ausländische Pflegekräfte durch die Bundesagentur für Arbeit nach Deutschland vermittelt werden. Die meisten angeworbenen Pflegekräfte stammten mit 255 von den Philippinen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll vieles branchenübergreifend einfacher und unbürokratischer werden. „Denn unser wirtschaftlicher Wohlstand entscheidet sich auch an unseren Antworten zur Fachkräftesicherung“, sagt Heil. (dpa/red)



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