Niederlande: D’66 siegt hauchdünn vor Wilders - schwierige Koalitionsbildung erwartet
In den Niederlanden hat die linksliberale Partei Democraten’66 (D’66) unter Rob Jetten die vorgezogene Parlamentswahl knapp gewonnen. Sie liegt nur rund 15.000 Stimmen vor der rechten PVV von Geert Wilders. Eine stabile Regierung ist jedoch nicht in Sicht – die politische Landschaft bleibt stark zersplittert.

Rob Jetten hat beste Aussichten Regierungschef zu werden.
Foto: Peter Dejong/AP/dpa
In Kürze:
- Linksliberale D’66 unter Rob Jetten gewinnt Parlamentswahl mit 16,9 Prozent knapp vor der PVV von Geert Wilders.
- Christdemokraten (CDA) legen stark zu, der Neue Gesellschaftsvertrag (NSC) verschwindet komplett.
- Regierungsbildung bleibt schwierig – rechnerische Mehrheiten nur mit vier Parteien möglich.
- Jetten kündigt Kurs auf Zusammenarbeit, Europa und Reformen an.
In den Niederlanden sind mittlerweile die letzten Stimmen zur vorgezogenen Parlamentswahl vom Mittwoch, 29.10., ausgezählt. Nachdem es im Laufe der Auszählung noch zu einigen Verschiebungen gekommen war, steht nun fest: Die linksliberalen Democraten’66 (D’66) unter Rob Jetten gehen als stärkste Kraft aus dem Urnengang hervor.
Mit einem Vorsprung von weniger als 15.000 Stimmen konnte D’66 mit 16,9 Prozent der Stimmen die rechte PVV (16,7 Prozent) auf Distanz halten. Es war der geringste Vorsprung des Wahlsiegers auf den Zweiten seit Einführung des 150-Sitze-Parlaments im Jahr 1956. Sowohl D’66 als auch PVV kommen auf 26 Sitze. Während sich die Linksliberalen gegenüber den Wahlen vom 22. November 2023 um 17 Sitze verbessern konnten, büßte die Partei von Geert Wilders 11 Sitze ein.
Rob Jetten will die Niederlande zusammenführen
Am Montag soll die offizielle Bestätigung des Ergebnisses durch die Wahlkommission erfolgen. Ab Dienstag wollen die Parteien über eine Regierungsbildung verhandeln. Eine erneute Einbindung von Geert Wilders haben alle größeren Parteien ausgeschlossen. Er hatte im Juni nach einem Streit über die Asylpolitik die Rechtskoalition unter Premier Dick Schoof gesprengt und dadurch die Neuwahlen herbeigeführt.
Jetten erklärte nach der Wahl, die Wähler hätten eine „klare Botschaft der Zusammenarbeit“ ausgesandt. Er wolle eine Mehrheit finden, die bereitwillig Probleme wie den Immobilienmarkt, die Migration, das Klima und die Wirtschaft angehe.
Zudem ließ er es nicht an Europapathos fehlen: „Es liegt an uns, der neuen Generation, unsere europäische Fahne mit Stolz zu tragen. Wir sind der Leuchtturm von Freiheit und Menschenwürde in einer brennenden Welt. Europa ist der schönste Platz auf der Erde.“
Kein grundlegender Wandel – hauptsächlich Verschiebungen innerhalb der Lager
Eine einfache Regierungsbildung ist nicht zu erwarten. Auch Jetten ist sich darüber im Klaren, dass er nur knapp 17 Prozent jener 78,4 Prozent an Wahlberechtigten hinter sich hat, die zur Wahl gegangen sind. Zudem hatte diese insgesamt keine wesentliche Änderung im Verhältnis zwischen links und rechts, sondern hauptsächlich Verschiebungen innerhalb der politischen Lager.
Die enormen Zugewinne von D’66 und das ebenfalls gute Ergebnis der Christdemokraten (CDA), die sich auf 11,8 Prozent und 18 Sitze (plus 13) steigern konnten, erklären sich hauptsächlich aus dem Verschwinden des Neuen Gesellschaftsvertrages (NSC). Diese von früheren Christdemokraten gegründete, zentristische Partei gewann 2023 auf Anhieb 20 Sitze. In der Regierungskoalition zeigte sie sich jedoch vollständig überfordert – und verlor alle ihre Sitze wieder.
Vieles deutet darauf hin, dass Jetten zur Regierungsbildung auf die rechtsliberale VVD zukommen wird. Diese ist seit 2010 ununterbrochen an der Regierung beteiligt. Mit 14,2 Prozent und 22 Sitzen (minus 2) konnte diese sich auf dem dritten Platz behaupten. Damit blieb sie jene Kraft innerhalb der Schoof-Koalition mit den geringsten Verlusten. Die Bürger- und Bauernbewegung verlor 3 Sitze und behält nur noch 4.
Nur eine realistische Option auf ein Viererbündnis
Zusammen hätten D’66, VVD und CDA über 66 Sitze. Damit fehlen ihnen 10 Stimmen für eine Mehrheit. Ein Viererbündnis wäre lediglich in der nicht erwünschten Konstellation mit Wilders oder mit den Sozialdemokraten (GroenLinks/PvdA) denkbar. Diese stehen nach dem Rücktritt von Aushängeschild Frans Timmermans vor einer Neuorientierung.
Timmermans galt aufgrund seiner langjährigen politischen Erfahrung in der EU-Kommission als einer der Favoriten auf den Posten des Premierministers. Am Ende hat Rob Jetten ihm jedoch den Rang abgelaufen. Die Sozialdemokraten im Bündnis mit den Grünen kamen zwar noch auf 12,7 Prozent und damit auf den vierten Platz. Fünf ihrer zuvor 25 Sitze büßten sie jedoch ein – vorwiegend an die D’66.
Auf neun Sitze (plus 8) kommt die rechtsgerichtete Liste JA21. Sie und das Forum voor Democratie mit 7 Sitzen (plus 4) profitierten vor allem vom schwachen Ergebnis der Wilders-Partei. Eine Option, auf die größere Parteien bei schwierigen Regierungsbildungen in der Vergangenheit häufig zurückgriffen, war die ChristenUnie (CU). Sie behält ihre drei Sitze bei 1,9 Prozent und könnte ein Fünferbündnis mit der JA21 stützen.
DENK etabliert sich als dritte religiöse Milieupartei der Niederlande
Die CU gilt, wie die SGP (2,3 Prozent – weiterhin 3 Sitze) als konfessionelle Partei der Calvinisten. Erfahrungsgemäß sprechen diese ein festes Milieu an und bleiben in der Zahl ihrer Sitze stabil. Anders als die CU gilt die SGP, die einen „theokratischen“ Staat anstrebt, jedoch nicht als Wunschpartner.
Im Fall der islamisch geprägten DENK, die bei 2,4 Prozent ihre 3 Sitze halten konnte, deutet sich an, dass sich auch eine muslimische Milieupartei dauerhaft etablieren kann. Weitere Parteien, die Mandate erzielen konnten, waren die Tierschutzpartei (3 Sitze), die Sozialisten (3; minus 2), die Altenpartei 50PLUS (plus 2) und Volt (1 Sitz, minus 1).
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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