Bricht Österreichs Koalition auseinander? – Kurz will nach Strache-Enthüllungsvideo über Zusammenarbeit entscheiden

Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache steht nach Medienberichten über angeblich in Aussicht gestellte Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe unter Druck. Österreichs Opposition forderte am Freitag den Rücktritt des FPÖ-Chefs. Bundeskanzler Kurz muss nun über die Koalition mit der FPÖ entscheiden.
Titelbild
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (r.) und Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache am 17. Dezember 2017 in Wien.Foto: JOE KLAMAR/AFP/Getty Images
Epoch Times18. Mai 2019

Ein heimlich gefilmtes Video, in dem Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache offenbar Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellt, setzt die Regierung in Wien schwer unter Druck.

Die oppositionelle SPÖ sprach am Freitag vom „größten Skandal“ in der jüngeren Geschichte des Landes. Die liberale Partei Neos bezeichnete Neuwahlen nun als „unvermeidlich“. Kanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP kündigte für Samstag eine Stellungnahme an.

Mit ihren Rücktrittsforderungen an Vizekanzler Strache, der zugleich an der Spitze der rechtsgerichteten FPÖ steht, reagierte die österreichische Opposition auf Berichte von „Süddeutscher Zeitung“ und „Spiegel“. Sie legten unter Berufung auf ihnen zugespielten Videoaufnahmen dar, dass Strache sich vor der österreichischen Parlamentswahl 2017 bereit gezeigt habe, als Gegenleistung für Unterstützung im Wahlkampf öffentliche Aufträge zu vergeben.

Kurz will über Koalition mit FPÖ entscheiden

Angesichts der plötzlich aufgeflammten Regierungskrise will Kurz am Samstag über die Zukunft der Koalition mit der FPÖ entscheiden.

Der Regierungschef werde sich auf einer gegen Mittag erwarteten Pressekonferenz äußern, hieß es aus Regierungskreisen. Kurz steht nun nach Überzeugung von Politik-Experten am Scheideweg. „Entweder er zieht jetzt die Reißleine oder er kettet sich endgültig an die FPÖ“, sagte der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.

Eine Rolle bei der Entscheidung könnte spielen, dass Kurz sein ohnehin im Ausland inzwischen etwas ramponiertes Image nicht weiter schädigen wolle, meinte Filzmaier. „Das ist ihm, der als Europapolitiker gelten will, sehr wichtig“, sagte der Wissenschaftler.

Falle für Strache: Treffen mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen

Die ohne Straches Wissen angefertigten Aufnahmen dokumentieren demnach ein Treffen des FPÖ-Chefs und seines Vertrauten Johann Gudenus, dem heutigen FPÖ-Fraktionsvorsitzenden, mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen. Das Treffen habe im Juli 2017 auf Ibiza stattgefunden. Die Frau habe angegeben, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen, und deutete laut „Spiegel“ und „SZ“ mehrmals an, dass es sich dabei um Schwarzgeld handeln könnte.

Trotzdem seien Strache und Gudenus gut sechs Stunden lang bei dem Treffen sitzen geblieben und hätten über Anlagemöglichkeiten in Österreich diskutiert. Das Treffen war laut „SZ“ und „Spiegel“ offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden.

Die beiden Politiker hätten die Zusammenkunft in der Villa auf Ibiza auf Anfrage eingeräumt. Es sei „ein rein privates“ Treffen in „lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre“ gewesen, erklärte Strache. „Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen.“

Vergabe von Staatsaufträgen

Ein Szenario, das die Runde den Berichten zufolge auslotete, war eine Übernahme der „Kronen Zeitung“ durch die Russin. „Wenn sie die ‚Kronen Zeitung‘ übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden“, habe Strache der Frau laut den Videoaufnahmen gesagt.

Konkret habe der FPÖ-Chef ihr öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht gestellt, wenn sie der FPÖ zum Erfolg verhelfe: „Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann.“ Weiter habe Strache gesagt: „Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!“ Gemeint ist der langjährige Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner.

Außerdem offenbarten Strache und Gudenus bei dem Treffen laut „SZ“ und „Spiegel“ ein womöglich illegales System der Parteifinanzierung. „Es gibt ein paar sehr Vermögende. Die zahlen zwischen 500.000 und anderthalb bis zwei Millionen“, sagte Strache laut den Videoaufnahmen. Das Geld fließe aber nicht an die FPÖ, sondern an einen gemeinnützigen Verein. „Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof.“

Strache und Gudenus nennen in dem Video demnach mehrere Namen angeblicher Großspender. Diese dementierten auf Anfrage von „SZ“ und „Spiegel“, direkt oder indirekt an die FPÖ gespendet zu haben.

Staatsanwaltschaft will Videomaterial prüfen – „SZ“ verweigert Ausgabe

Das Video wird laut Zeitung „Kurier“ von der Staatsanwaltschaft auf juristische Konsequenzen hin geprüft. Es stelle sich die Frage, ob es sich nur um Gerede gehandelt habe oder es konkrete Hinweise auf ein strafbares Verhalten gebe, zitiert das Blatt einen Sprecher des Justizministeriums.

Die Justiz werde bei den beiden Medien um das gesamte, ungeschnittene Videomaterial bitten und dann die erforderlichen Schritte setzen, sagte der Sprecher weiter. Ob Ermittlungen eingeleitet würden, sei deshalb noch offen. Die Prüfung des Videos sei der erste Schritt. Die „Süddeutsche Zeitung“ betonte allerdings schon, dass sie die Originalaufnahmen nicht zur Verfügung stellen werde.

Die Aufnahmen seien „SZ“ und etwas später dem „Spiegel“ zugespielt worden. Aus Gründen des Quellenschutzes mache man keine Angaben über die Herkunft. Leila Al-Serori von der „Süddeutschen Zeitung„ erklärte im ORF-Fernsehen, dass man das Video bereits vor Monaten angeboten bekommen habe. Das Material sei dann vor einigen Wochen in einem verlassenen Hotel auf USB-Sticks übergeben worden.

Auch dem deutschen Satiriker Jan Böhmermann seien die Aufnahmen angeboten worden. Dieser habe den Fall jedoch nicht weiter recherchiert. (afp/dpa)



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