Polen und Ungarn wehren sich vor EuGH gegen EU-Rechtsstaatsmechanismus

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Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg: «Balsamico» aus Deutschland ist rechtens" entschieden dort die Richter.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa/dpa
Epoch Times14. Oktober 2021

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg befasst sich seit Montag mit den Klagen Polens und Ungarns gegen den neuen EU-Rechtsstaatsmechanismus. Zum Auftakt der Verhandlungen verlangte Polen die Aufhebung des Mechanismus, der es der EU ermöglicht, bei Rechtsstaatsverstößen von Mitgliedstaaten europäische Gelder zu kürzen.

Der Rechtsstaatsmechanismus verstoße gegen die EU-Verträge und müsse „in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt werden“, sagte Polens Anwältin Sylwia Zyrek zum Auftakt der Anhörung. Ungarns Klagevertreter Miklos Zoltan Feher bezeichnete den Mechanismus als unnötig, da der „bestehende Rechtsrahmen den Haushalt der Union schützen kann“.

Die Anwälte der EU-Institutionen wiesen die Kritik der beiden EU-Mitgliedstaaten zurück. Der Rechtsstaatsmechanismus schütze den EU-Haushalt, sagte der Anwalt Tamas Lukacsi, der in dem Verfahren das EU-Parlament vertritt.

Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit sei eine wesentliche Voraussetzung „für eine wirtschaftliche Haushaltsführung“. Mit einem Urteil des Luxemburger Gerichts wird erst in einigen Monaten gerechnet.

Sofortige Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus gefordert

Der neue EU-Rechtsstaatsmechanismus ist seit Anfang dieses Jahres in Kraft. Die EU-Mitgliedstaaten hatten sich aber darauf geeinigt, die Stellungnahme des EuGH abzuwarten, bevor der Mechanismus von der EU-Kommission angewendet wird. Dies sorgte für Kritik im EU-Parlament.

Auch die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner forderte die EU-Kommission am Montag zur sofortigen Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus auf, „damit die EU endlich ein scharfes Schwert in der Hand hat, um die europäischen Grundwerte zu verteidigen“. Mit ihrer Klage vor dem EuGH spielten Polen und Ungarn „auf Zeit“, kritisierte sie.

Die Regierungen in Budapest und Warschau stehen seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen in der Kritik. Gegen beide Länder laufen Strafverfahren, die bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU führen könnten. Bislang hat dies aber keine wesentlichen Kursänderungen bewirkt.

Vergangene Woche heizte ein Urteil des Obersten Gerichts Polens den Streit zwischen Warschau und Brüssel zusätzlich an. Das Verfassungsgericht in Warschau stellte den Vorrang des EU-Rechts vor dem polnischen Recht infrage, indem es mehrere Artikel in den EU-Verträgen für „unvereinbar“ mit der Verfassung des Landes erklärte.

Kritiker sprachen daraufhin von einem „juristischen Polexit“. Rechtskräftig ist die Gerichtsentscheidung erst, wenn die Regierung sie offiziell veröffentlicht.

EU-Austritt offiziell ausgeschlossen

Die polnische Regierung selbst hat einen EU-Austritt offiziell ausgeschlossen. Polens Platz sei „in der europäischen Familie der Nationen“, hatte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach dem Urteil des Warschauer Verfassungsgerichts betont. Polen lasse sich aber nicht „wie ein zweitklassiges Land behandeln“, fügte er hinzu.

Die Beziehungen zwischen Warschau und Brüssel sind angespannt, seitdem die rechtsnationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) 2015 an die Macht kam. Im Zentrum des Streits stehen von der PiS vorangetriebene Justizreformen, die aus Sicht der EU die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung untergraben.

Die EU-Kommission hat in dem Justizstreit bereits mehrere Verfahren gegen Polen angestrengt. Als Druckmittel hält sie bisher insgesamt 57 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds für Polen zurück. Wegen Missachtung eines Urteils des EuGH droht Warschau zudem ein Zwangsgeld von täglich mehreren Millionen Euro. (afp/oz)



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