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„EU-Kommission tritt Gerichtsurteile mit Füßen“ – wie kann Transparenz entstehen?

Die COVID-19-Impfstoffdeals sind die größte öffentliche Auftragsvergabe, die die Europäische Union jemals durchgeführt hat. Die EU-Kommission weigert sich weiterhin, für ausreichende Transparenz in diesem Geschäft zu sorgen. Der französische Rechtsanwalt Arnaud Durand, der im Namen zahlreicher EU-Bürger Klage eingereicht hat, spricht mit der Epoch Times über juristische Auseinandersetzungen in einer „David gegen Goliath“-Konstellation.

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Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (l.), spricht mit dem CEO von Pfizer, Albert Bourla (r.), während eines Besuchs in der Fabrik des US-Pharmakonzerns Pfizer in Puurs, Belgien, am 23. April 2021.

Foto: John Thys/Pool/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 23 Min.

Bis heute ist nicht klar, was EU-Staaten für COVID-19-Impfstoffverträge zwischen August 2020 und November 2021 tatsächlich ausgegeben haben. Der Europäische Rechnungshof schätzte in einem Sonderbericht vom September 2022 die Summe auf 71 Milliarden Euro. Vor dem Abschluss des größten Vertrags im Umfang von 35 Milliarden Euro im Frühjahr 2021 hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Textnachrichten mit dem CEO von Pfizer, Albert Bourla, ausgetauscht.
Die Europäische Kommission weigert sich ohne „plausible Erklärungen“, diese Textnachrichten freizugeben. Zu diesem Schluss kam das Gericht der Europäischen Union (EuG) Mitte Mai. Damit gab es dem Antrag einer Journalistin der „New York Times“ statt, die ein Verfahren für den Zugang zu öffentlichen Dokumenten eröffnet hatte.
Als ersten Akt brachte die neue Kommission unter von der Leyen am 4. Dezember 2024 einen Beschluss auf den Weg, der es erleichtern wird, den Zugang zu Dokumenten, wie Textnachrichten von EU-Amtsträgern, zu blockieren. Dabei hatte die Präsidentin als Aufgabe aus der abgelaufenen Amtszeit den Aufbau einer Ethikbehörde und mehr Transparenz ausgegeben.
Der französische Rechtsanwalt Arnaud Durand, der in einem ähnlichen Fall um die EU-Impfstoffverträge am 17. Juli 2024 vom selben Gericht eine positive Entscheidung erwirkte, entschlüsselt im Interview mit der französischsprachigen Ausgabe der Epoch Times die Einzelheiten des neuen Urteils. Er sieht darin eine Gelegenheit, die transatlantische Zusammenarbeit zwischen Akteuren zu intensivieren, die sich der Transparenz verpflichtet fühlen. Der Anwalt stellt außerdem klar, dass sich die Kommission weiterhin in einer rechtswidrigen Situation befinde, da sie das mittlerweile rechtskräftige Urteil vom 17. Juli 2024 nicht umgesetzt habe.
Die Kommission könne nicht einfach behaupten, dass sie die angeforderten Textnachrichten nicht besitzt, sondern müsse „plausible Erklärungen […] geben, die es dem Antragsteller und dem Gericht ermöglichen, den Grund zu verstehen, aus dem die angeforderten Dokumente nicht auffindbar waren“, schrieb das Gericht der Europäischen Union (EuG) in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2025. Das Gericht wies ebenfalls darauf hin, dass die Kommission „weder angegeben [hat], welche Arten von Nachforschungen durchgeführt worden sein sollen, noch, welche Dokumentenspeicherorte eingesehen worden sein sollen“. Was ergibt sich daraus?
Anfang 2021 kommunizierte Ursula von der Leyen im Rahmen der Verhandlungen über den größten europäischen Vertrag zum Kauf von COVID-19-Impfstoffen direkt per SMS mit Albert Bourla, dem CEO von Pfizer.
In diesem Zusammenhang haben die „New York Times“ und ihre Journalistin Matina Stevis-Gridneff, die griechische Staatsbürgerin ist, bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf Zugang zu diesem Austausch gestellt und sich dabei auf das Transparenzrecht berufen, dem die Institution angeblich verpflichtet ist. Dies beruht auf einer europäischen Verordnung aus dem Jahr 2001.
Die Kommission lehnte dies mit ebenso undurchsichtigen wie fragwürdigen Begründungen ab. Die Journalistin beschloss daraufhin, mit Unterstützung ihrer Zeitung, den Fall vor das Gericht der Europäischen Union zu bringen. Die nun gefällte Entscheidung des Gerichts stellt eine klare Verletzung des Rechts auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten durch die Europäische Kommission fest.

Das Urteil ist eindeutig

Eine Institution wie die Europäische Kommission kann sich einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten weder einfach dadurch entziehen, dass sie behauptet, die Dokumente seien „nicht auffindbar“, noch sich hinter vagen, unklaren oder widersprüchlichen Aussagen verstecken. Das EuG entschied, dass derartige Erklärungen keine „glaubhafte“ Rechtfertigung für das Zurückhalten und folglich auch für die unterbliebene Übermittlung der geforderten Dokumente darstellen könnten.
Mit anderen Worten: Das Gericht fordert eine gründliche, fundierte und überprüfbare Suche. Bei der Anforderung eines Dokuments obliegt es der betreffenden Institution, nachzuweisen, dass sie alle notwendigen Schritte unternommen hat, um das Dokument aufzufinden.
Es sei darauf hingewiesen, dass dieses Urteil aufgrund der Bedeutung des Falls von der Großen Kammer des Gerichts der Europäischen Union, einem auf 15 Richter erweiterten Plenum, gefällt wurde. Dies zeugt von einer gewissen Ernsthaftigkeit der Sache, die das Gericht anerkennt. Im Gegensatz dazu steht die verwerfliche Haltung der Europäischen Kommission im Hinblick auf wirksame Transparenz.

Der französische Rechtsanwalt Arnaud Durand führt die Sammelklage gegen die EU-Kommission.

Foto: Bildschirmfoto lexprecia.com

Das Gericht der Europäischen Union hat die Kommission unter Präsidentin von der Leyen an die Grundprinzipien der Union erinnert, die diese verkörpern soll: Transparenz und gute Verwaltung.
Ich erinnere daran, dass die [damalige] Bürgerbeauftragte der EU in einer Entscheidung vom 12. Juli 2022 die Haltung der Kommission diesbezüglich bereits als Missstand bezeichnet hatte. Diese hätte nach den „angeforderten Dokumenten, einschließlich der nicht registrierten, suchen müssen“.
Ein Jahr später machte auch das Europäische Parlament in einer Erklärung vom 12. Juli 2023 deutlich, dass es „die mangelnde Transparenz“ bedauere und empfiehlt, dass Vertragsverhandler mit Pharmaunternehmen „eine Erklärung über ihre finanziellen und sonstigen Interessen abgeben müssen“ sowie diese Erklärungen öffentlich machen.
Und schließlich ist da natürlich der Sieg, den wir am 17. Juli 2024 vor demselben Gericht und gegen dieselbe EU-Kommission im Namen von 2.089 Klägern errungen haben, unterstützt von 287.500 Petenten.
Diese Entscheidung, die die Veröffentlichung der Entschädigungsklauseln in den Impfstoffkaufverträgen sowie die Namen der beteiligten Verhandlungsführer anordnet, kommt zu der Entscheidung hinzu, die Rechtsanwältin Bondine Kloostra für die „New York Times“ erwirkt hat, deren bemerkenswerte Arbeit ich hiermit würdige.
Was halten Sie von der Tatsache, dass ausgerechnet die „New York Times“, ein amerikanisches Medienunternehmen, in diesem Kampf um Transparenz innerhalb der EU eine Vorreiterrolle einnimmt?
Zunächst sei daran erinnert, dass die Journalistin Matina Stevis-Gridneff Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist und daher nach europäischem Recht ein berechtigtes Interesse an der Klage hat.
Nun könnte man sich symbolisch vorstellen, dass diese auf eine amerikanische Initiative zurückgehende Entscheidung des Gerichts den Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit zwischen Akteuren auf beiden Seiten des Atlantiks markiert, die sich für Transparenz einsetzen.

Die Gegner der Transparenz

Denn die Gegner der Transparenz sind weder spezifisch amerikanisch noch spezifisch europäisch: Es sind vor allem Globalisten. Und angesichts dieser Widrigkeiten können weder die Amerikaner noch die Europäer hoffen, durch isoliertes Handeln die Oberhand zu gewinnen.
Der neue US-Gesundheitsminister Robert Kennedy Jr. ist zwar mit großen internen Aufgaben beschäftigt, täte aber gut daran, internationale Partnerschaften zu schmieden, wenn er strukturelle und dauerhafte Reformen im Bereich der öffentlichen Gesundheit vorantreiben möchte.
Ist die Kommission aufgrund dieser Entscheidung nun verpflichtet, diese Textnachrichten endlich zu veröffentlichen?
Das Gericht der Europäischen Union hat ein starkes Zeichen gegen die EU-Kommission gesetzt. Doch es konnte die Offenlegung der Textnachrichten nicht direkt anordnen. Dieser Sachverhalt eröffnet zwei mögliche Lesarten.
Die erste, gemäß der Intension der Entscheidung: Es ist klar, dass das EuG überzeugt ist, dass die Kommission keine andere Wahl hat, als die Nachrichten offenzulegen, da ihre Begründungen inkonsistent, ja sogar trügerisch erschienen.
Die zweite Lesart, formalistisch: Man hält sich strikt an den Wortlaut des Urteils, der es der Kommission ermöglichen würde, das Verfahren zu umgehen, indem sie im Nachhinein versucht, neue Begründungen für die Nichtveröffentlichung der ausgetauschten Textnachrichten zu formulieren.
Genau diese Grauzone zwischen Sinn und Wortlaut des Urteils könnte die Kommission versuchen zu bedienen.

Bedeutung und Folgen des Urteils

Der Erklärung der Kommission zufolge deutet alles darauf hin, dass sich die europäische Exekutive bereits für diesen zweiten Weg entschieden hat, da sie angekündigt hat, dass sie „einen neuen Beschluss mit einer ausführlicheren Erläuterung erlassen“ werde.
Allerdings besteht für die Kommission die Gefahr, auf ein großes Hindernis zu stoßen. Würde sie heute angeblich „plausible“ Beweise vorlegen, um ihre Weigerung, die Textnachrichten preiszugeben, zu begründen, müsste sie unweigerlich eine Frage beantworten: Warum wurden diese Gründe nicht früher mitgeteilt? Ein so später Schritt würde unweigerlich Zweifel an der Aufrichtigkeit und Echtheit der vorgelegten Beweise aufkommen lassen.
Die Kommission könnte außerdem ihre Intransparenz mit ausweichenden Dementis rechtfertigen. In diesem Fall könnte die „New York Times“ erneut Berufung einlegen und die Verletzung des Gerichtsurteils vom 14. Mai feststellen lassen.
Über Ihren Sieg vor Gericht gegen die EU-Kommission wurde in den Mainstreammedien wenig bis nichts berichtet. Andererseits wurde in der gesamten Presse die Ablehnung einer Strafanzeige betont, die der Belgier Frédéric Baldan gegen Ursula von der Leyen gestellt hatte. Es ging um angeblichen Amtsmissbrauch, „Vernichtung öffentlicher Dokumente“ und „Korruption“. Die belgische Justiz hatte zwei Klagen von Polen und Ungarn bezüglich der Impfstoffverträge gegen den Willen dieser Regierungen mit dem Fall von Baldan verknüpft. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung und die Berichterstattung darüber?
Bereits einige Monate vor der Entscheidung der belgischen Gerichte im vergangenen Januar hatte ich die Leser meines Newsletters „DejaVu“ darauf hingewiesen, dass die rechtliche Zulässigkeit der belgischen Beschwerde zweifelhaft ist, solange sie nicht von einer Person eingereicht wird, die unmittelbar Opfer der Straftat ist.
Indem die Richter diese Klage für unzulässig erklärten, haben sie das Gesetz daher nur im Hinblick auf diesen einzelnen Kläger angewandt. Die Frage, warum die Unzulässigkeit der Klage der Privatperson Frédéric Baldan zum Scheitern der nachfolgenden Klagen von Ungarn und Polen führte, ist nicht klar.

Selektive Amnesie

Allein die Tatsache, dass die Medien es für sinnvoll erachten, das vorhersehbare Scheitern der Beschwerde eines Einzelnen zu betonen, dabei aber nicht klarstellen, dass es sich um eine Ablehnung aufgrund eines Verfahrensmangels und nicht um eine Prüfung der Sache handelte, wirft Fragen auf.
Doch es ist ein Fall von selektiver Amnesie, dabei zwei Gerichtsentscheidungen des gleichen europäischen Gerichts völlig zu ignorieren, die weniger als ein Jahr zuvor zu den gleichen Verträgen ergangen waren und die gleiche mangelnde Transparenz seitens der europäischen Exekutive angeprangert hatten.
Nach dem Urteil, das Sie im vergangenen Juli vom Gericht der Europäischen Union erwirkt haben, ist die Kommission verpflichtet, einerseits die in den Impfstoffkaufverträgen enthaltenen Entschädigungsklauseln und andererseits die Identität der beteiligten Verhandlungsführer zu veröffentlichen. Inwiefern überschneidet es sich mit dem Urteil, das das Gericht gerade in diesem SMS-Fall gefällt hat?
Die Frage, wer die Impfstoffverträge ausgehandelt hat, ist von zentraler Bedeutung, und das Urteil vom 14. Mai 2025 zugunsten der „New York Times“ steht in direktem Zusammenhang damit.
Im Rahmen unseres Verfahrens gegen die Europäische Kommission übermittelte uns diese sichtlich überrascht in aller Eile knapp 800 Seiten Dokumente. Darunter befanden sich auch Erklärungen der Verhandlungsführer zu Interessenkonflikten. Die Namen wurden natürlich geschwärzt, viele Daten blieben jedoch sichtbar. Auffallend ist, dass in allen Erklärungen das völlige Fehlen jeglicher Interessenkonflikte festgestellt wurde.
Hier ergibt sich ein großes Problem. Wir wissen, dass Frau von der Leyen an den Vorverhandlungen für den größten Impfstoffbeschaffungsvertrag teilgenommen hat, den die Europäische Union jemals unterzeichnet hat.
Die Teilnahme an Verhandlungen, selbst in einem vorläufigen Stadium, bedeutet jedoch, dass man ein Akteur und nicht ein einfacher Zuschauer ist. Dies impliziert Verantwortung und zumindest die Verpflichtung, eine Erklärung zu Interessenkonflikten gemäß den geltenden Vorschriften abzugeben.

Die wahre Rolle von Ursula von der Leyen

Vielleicht hat Frau von der Leyen als Verhandlungsführerin der COVID-19-Verträge tatsächlich eine Erklärung abgegeben und damit erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliege. Dies wäre jedoch objektiv unzutreffend, da ihr Ehemann bereits für das auf COVID-19-mRNA-Technologien spezialisierte Unternehmen Orgenesis tätig war, an dem sie seitdem Kaufoptionen hält. Vielleicht wurde auch keine Erklärung als Verhandlungsführerin abgegeben, was einen klaren Verstoß gegen die Meldepflichten darstellen würde.

Regen in Bayreuth: Ursula von der Leyen (M.) kommt mit ihrem Ehemann Heiko von der Leyen (l.) zur Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele.

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

In beiden Fällen könnte ein Fehler festgestellt werden und die rechtlichen und institutionellen Konsequenzen müssen geprüft werden. In diesem Kontext erhalten die berühmten Textnachrichten zwischen Frau von der Leyen und Albert Bourla ihre volle Bedeutung.
Denn dieser Austausch würde sich genau auf diese informelle, undurchsichtige und undokumentierte Phase beziehen, die der Europäische Rechnungshof am 12. September 2022 anprangerte, als er die Öffentlichkeit mit den Worten alarmierte: „Zu den Vorverhandlungen über den umfangreichsten Vertrag der EU hat der Hof keine Informationen erhalten.“

Der Ehemann von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Heiko von der Leyen, arbeitet seit September 2020 als medizinischer Direktor beim Biotech-Unternehmen Orgenesis. Die Firma erhält Gelder der EU im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF).

Foto: Bildschirmfoto Orgenesis.com

Die Enthüllung dieser Textnachrichten würde Licht auf die wahre Rolle von Frau von der Leyen bei den Verhandlungen werfen. Es stellt sich daher die berechtigte Frage: Wenn diese Nachrichten harmlos waren, warum wurden sie dann noch immer nicht veröffentlicht?
Darüber hinaus scheint die Kommission entschlossen zu sein, die Offenlegung der Identität der Verhandlungsführer zu verhindern. Sie ging sogar so weit, vor dem Gericht Berufung einzulegen und einen vorläufigen Aufschub der Vollstreckung zu beantragen, mit der Begründung, dass eine solche Transparenz angeblich das Privatleben beeinträchtigen würde.
Als die Kommission gegen dieses Urteil Berufung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegte, beantragte sie jedoch keine einstweilige Verfügung, um die Veröffentlichung der Verträge zu verhindern. Daher – so erinnerten Sie in einem Interview mit der Epoch Times – sei man weiterhin verpflichtet, die im Juli getroffene Entscheidung umzusetzen. Bis heute wurden diese Dokumente jedoch nicht offengelegt. Sie sagen, dass das Urteil des Gerichts verletzt worden sei und die Kommission rechtswidrig vorgehe. Können Sie das bitte erläutern?
Die Europäische Kommission zieht heute keine Konsequenzen aus den wiederholten Warnsignalen der EU-Gerichte und geht sogar so weit, in voller Kenntnis der Sachlage die Gerichtsentscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Juli 2024 zu missachten.
Diese Entscheidung zwingt die Kommission dazu, die Entschädigungsklauseln in den Impfstoffkaufverträgen offenzulegen. Die Kommission ist nicht mit einer einstweiligen Verfügung gegen das Urteil vorgegangen. Sie kann daher nicht behaupten, das Urteil sei nicht rechtskräftig. Das ist es voll und ganz. Es ist in diesem Stadium durchsetzbar.

Kommission missachtet Gerichtsentscheidung

Noch gravierender ist, dass ich die Kommission bereits vor über sechs Monaten offiziell in Verzug gesetzt habe. Die angemessene Frist für die Vollstreckung einer Gerichtsentscheidung, die bei Streitigkeiten dieser Art üblicherweise auf zwei bis drei Monate geschätzt wird, ist mittlerweile weitgehend überschritten. Dabei handelt es sich nicht mehr um eine bloße Verzögerung, sondern um eine klare Weigerung, der Aufforderung nachzukommen.
Mit anderen Worten: Die Europäische Kommission missachtet seit mehreren Monaten wissentlich eine Gerichtsentscheidung. Unter diesen Bedingungen ist sie besonders schlecht aufgestellt, wenn sie in ihren offiziellen Mitteilungen behauptet, dass „Transparenz […] für die Kommission und Präsidentin von der Leyen seit jeher von größter Bedeutung“ gewesen sei. Noch weniger gilt dies jedoch, wenn es darum geht, sich als Garant der Rechtsstaatlichkeit darzustellen oder Lektionen über den Respekt vor einer Gerichtsentscheidung zu erteilen.
Diese Doppelzüngigkeit greift nicht mehr. Man kann nicht behaupten, die Werte der Rechtsstaatlichkeit zu wahren, während man gleichzeitig die Urteile der Gerichte mit Füßen tritt.
Die EU-Kommission hat die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 17. Juli 2024 angefochten. Dies tat sie, indem die Kommission beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Berufung eingelegt hat. Was können Sie zum aktuellen Stand des Berufungsverfahrens sagen?
Die schriftliche Phase dieses Verfahrens ist nun abgeschlossen. Wir haben einen Antrag auf Anhörung gestellt. Vor dem EuGH finden Anhörungen nicht automatisch statt: Das Verfahren ist überwiegend schriftlich. In bestimmten Fällen kann jedoch aufgrund ihrer Bedeutung, der Art der vorgebrachten Argumente, der Menge der vorgelegten Dokumente oder der Notwendigkeit einer mündlichen Erörterung des Sachverhalts die Abhaltung einer öffentlichen Anhörung gerechtfertigt sein.
Wir haben am 5. Mai einen entsprechenden, begründeten Antrag gestellt. In diesem Schreiben haben wir auf die Einzigartigkeit dieses Falles hingewiesen: Verträge im Wert von 71 Milliarden Euro, 2.089 Antragsteller, mehr als 285.000 Unterstützer. Diese Zahlen übersteigen bei Weitem den üblichen Umfang der vom Gerichtshof behandelten Streitfälle. Daher verdient die Debatte, öffentlich und transparent mit allen Widersprüchen geführt zu werden.

Unparteilichkeit infrage gestellt

Wir haben das Gericht außerdem auf zwei schwerwiegende Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die bei der Bearbeitung der Berufung bisher aufgetreten sind. Im Verfahren vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG), das zwar in einigen Punkten der Entscheidung zugunsten der Kommission entschieden hat, wurden wir spürbar fair behandelt. Beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) haben wir nicht dasselbe unparteiische Auftreten festgestellt.
In zwei Fällen von Unterverfahren im Zusammenhang mit der Berufung sind wir der Auffassung, dass die Verfahrensführung objektive Verstöße gegen den Grundsatz der Fairness aufwies. So wurde etwa der Antrag von 3.782 Bürgern der Europäischen Union auf Teilnahme am Verfahren abgelehnt, obwohl ihre Situation mit den ersten 2.089 Klägern völlig identisch war. Argumentiert wurde auf der Grundlage einer Aussage, deren Ursprung geheim geblieben ist, und ohne dass wir vor der Entscheidung auch nur die Schlussfolgerungen unseres Gegners, der Kommission, einsehen durften. Diese Praxis des EuGH scheint offensichtlich das Recht auf ein faires Verfahren zu verletzen.
Wir haben in unserem Antrag dargelegt, dass die Durchführung einer öffentlichen Anhörung genau dieses Gleichgewicht wiederherstellen könnte. Denn im öffentlichen Raum eines Gerichtssaals kann es einem Gericht schwerer fallen, seine Parteilichkeit sichtbar zu zeigen. Während Voreingenommenheit in einem ausschließlich schriftlichen Verfahren möglicherweise nicht erkennbar ist, wird sie bei mündlicher Darlegung offensichtlich und ist daher schwieriger zu rechtfertigen.
In jedem Fall behalten wir uns das Recht vor, im Falle einer Ablehnung einer Anhörung oder wenn die derzeitige Praxis des EuGH in diesem Fall fortbesteht, die Angelegenheit wegen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verweisen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Etienne Fauchaire. Es ist im Original in der französischsprachigen Epoch Times erschienen und wurde hier in einer gekürzten und angepassten Fassung wiedergegeben. (deutsche Bearbeitung os) 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.

Etienne Fauchaire ist Journalist bei der französischsprachigen Epoch Times in Paris und spezialisiert auf französische Politik und die französisch-amerikanischen Beziehungen.

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