Schweden: Anschläge und Schießereien werden vielerorts zum großstädtischen Alltag

In Schweden hat sich die Zahl der Bombenexplosionen in den ersten zehn Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Die Zahl der Schießereien mit Todesfolge hat sich in nur 20 Jahren mehr als verzehnfacht.
Titelbild
Vor dem Hauptbahnhof von Malmö stehen Polizisten, nachdem ein Mann am 10. Juni 2019 mit der Detonation einer Bombe gedroht hatte. Der Bahnhhof wurde evakuiert.Foto: JOHAN NILSSON/AFP via Getty Images
Von 11. November 2019

Am vergangenen Samstag (9.11.) um 21 Uhr starb in Malmö ein 15-jähriger Junge, als bewaffnete Unbekannte nahe einer Pizzeria auf einem belebten Platz in der südschwedischen Stadt das Feuer eröffneten. Ein weiterer Teenager befindet sich weiterhin in einem kritischen Zustand. Wie der „Independent“ berichtete, haben Zeugen beobachtet, wie die mutmaßlichen Angreifer auf Fahrrädern geflohen sind.

Kurz zuvor war in einem anderen Stadtteil eine Bombe explodiert, die ebenfalls unbekannte Täter unter einem Auto platziert hatten. Dabei wurden der betroffene Pkw zerstört und andere beschädigt, Personen kamen jedoch nicht zu Schaden.

Die Vorfälle waren nicht die ersten Ausbrüche mutmaßlich bandenmäßiger Gewalt in Schweden in diesem Jahr. Bereits vor einer Woche schilderte der „Guardian“ unter Berufung auf das nationale Bombenkommando des Landes, dass es allein in den vergangenen beiden Monaten landesweit etwa 30 Bombenexplosionen gegeben habe und seit Jahresbeginn etwa 100. Gegenüber dem Vorjahr seien das mehr doppelt so viele. Allein am ersten Novemberwochenende hatte es in Växjo, Malmö und Landvetter bei Göteborg Detonationen gegeben.

„In keinem industrialisierten Land ein ähnliches Level an Explosionen“

In Malmö waren Polizeichef Stefan Sintius zufolge bis dato in diesem Jahr 28 Bombenexplosionen zu verzeichnen. In der Hauptstadt Stockholm waren bis dato 19, in Göteborg 13. In insgesamt 76 Fällen wurden Einsatzkommandos zum Entschärfen von Bomben gerufen und konnten diese rechtzeitig unschädlich machen.

Die meisten Attentate richten sich – noch – gegen leere Gebäude, Büros und Autos, sind in ihrer Sprengkraft beschränkt und verfolgen den offenbaren Zweck, Rivalen einzuschüchtern. Allerdings, so die Polizei, hätten einige auch tödlich sein können. So wurden im August in Linköping 25 Menschen verletzt, als eine Bombe mit der vierzigfachen Sprengkraft des sonst gekannten Durchschnitts zwei Wohnhäuser erschütterte.

Auch die Zahl der Schießereien mit tödlichem Ausgang ist offiziellen Zahlen zufolge in Schweden – einem der Länder mit den restriktivsten Waffengesetzen – während der vergangenen 20 Jahre von einem Jahresschnitt von etwa vier auf mehr als 40 im Jahr 2018 gestiegen.

Analystin Ylva Ehrin sprach gegenüber der Nachrichtenagentur TT von einer „inakzeptabel hohen“ und „augenscheinlich nicht wünschenswerten“ Anzahl an Bombenexplosionen, sie habe „in keinem industrialisierten Land ein ähnliches Level an Explosionen“ entdecken können, sagte sie dem Sender SVT.

Linke wittert „Rassismuserfahrungen“ als Ursache

In den meisten Fällen wird Bandenkriminalität hinter den Anschlägen vermutet. Einige Medienberichte der Vergangenheit hatten diagnostiziert, dass sich in immer mehr schwedischen Vorstädten Parallelgesellschaften ausbreiteten, in denen neben islamistischer Radikalisierung auch Bandenkriminalität zunehme – vor allem unter jungen Leuten.

„Wir müssen nicht nur die Sprengstoffe und Vorrichtungen finden, sondern auch die Ursache herausfinden“, fügt Ehrin hinzu. Politiker der Rechten sehen einen Zusammenhang mit dem hohen Zustrom an Migranten seit dem Jahr der Flüchtlingskrise 2015, als Schweden neben Deutschland zu den Ländern mit der großzügigsten Aufnahmepolitik gehörte.

Allerdings sind in vielen Fällen keine Neuankömmlinge, sondern Migranten der zweiten oder gar dritten Generation in Schweden in islamistische Verbindungen oder Bandenkriminalität involviert. In einer Gesellschaft wie Schweden, die stolz ist auf ihre auch für europäische Verhältnisse besonders hohe Orientierung an linksliberalen und feministischen Werten, mutmaßen Medien und linke Politiker, es wären Erfahrungen von „Rassismus“ und „Ausgrenzung“, die ein Gefühl der Entfremdung und den Willen zur Selbstabgrenzung in Einwandererkreisen weckten. Demzufolge bestehe die Lösung darin, die solidarischen und emanzipatorischen Vorstellungen, die der Mehrheitsgesellschaft eigen sind, noch stärker als bisher auch in den Einwanderervierteln zu verankern.

Ausdruck der Verachtung liberaler und feministischer Werte der Mehrheitsgesellschaft?

Kritiker dieses Narrativs sehen demgegenüber eine tiefe Verachtung gegenüber ebendieser Mehrheitsgesellschaft als entscheidenden Faktor hinter Islamismus und Bandenunwesen. Diese hätten nicht trotz, sondern wegen der politischen und gesellschaftlichen Weichenstellungen der vergangenen Jahrzehnte Platz gegriffen. Vielen Einwanderern aus traditionellen, patriarchalischen Gesellschaften fehle es schlicht an Respekt vor der Mehrheit und deren Wertvorstellungen – und die männerbündischen Strukturen von Salafistenvereinen und kriminellen Banden seien für sie auch ein willkommenes Gegenmodell.

Schwedische Medien trösten sich mit dem Hinweis, dass die Mordrate in Schweden seit den 1990er Jahren rückläufig sei. Allerdings bleibt auch hier die Frage offen, inwieweit die Zahl der statistisch erfassten Gewalttaten mit jener der tatsächlich begangenen identisch ist. Eine in der Vorwoche veröffentlichte Studie für Österreich weist diesbezüglich eine hohe Dunkelziffer aus.



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