Schweizer Fernsehen über Hasspostings auf Facebook: Leute fühlen sich vor Politik ohnmächtig

Hüben wie drüben, Hasskommentare stellen ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem dar. Die Rundschau des Schweizer Radio und Fernsehen wollte wissen wer die Nutzer sind und was sie antreibt.
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(Symbolfoto)Foto: GERARD JULIEN,GERARD JULIEN/AFP/Getty Images
Von 24. Februar 2017

Auf Facebook schimpfen sie gegen Immigranten, gegen die Politiker ihres Landes. Die Rundschau vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) wollte wissen, was Leute dazu antreibt, sogenannte Hasskommentare zu posten und stattete ihnen Besuche ab.

Pensionär J.S. wählt für seine Kommentare alles andere als weiche Worte. „Ich würde ihn noch mit einem rostigen Büchsendeckel kastrieren, damit er nicht noch mehr von der Saubrut züchten kann“, schrieb J.S. unter einem Facebook-Artikel über einen strenggläubigen Muslim.

„Hater“: Keine Hasskommentare sondern Aufwecken

Auf die Frage nach seinen Beweggründen, sagt er: „Ich persönlich schaue das nicht als Hass an, sondern als Aufwecken. Wenn man die weichen Worte schreibt – Sie sehen ja wohin das führt. Nirgendwo. Man wird nicht erst genommen. Ja, ja, ja, ja. Dann dümpelt alles vor sich hin.“

J.S. nimmt an, viele denken so, wie er: „Die meisten machen einfach die Faust im Sack. Und ich dachte jetzt einfach, dafür sei das Facebook da … kommuniziere nur dort und ich muss sagen, ich finde großen Anklang. Ich bringe es halt hart, damit auch der Normale – nicht nur der Oberstudierte – das versteht, was meine Botschaft wäre.“

Drei Mal sei er schon gesperrt worden, berichtet J.S. Danach habe man es aufgegeben.

„Beschimpfe die, die es verdienen“

„Und sie beschimpfen die Leute auch?“, so die an ihn gerichtete Frage noch einmal? „Ja, die, die es verdienen. Das ist so.“ Für J.S. ist das kein Verbreiten von Hass: „Meine Sicht ist, dass ich die Wahrheit sage. Aber wer hört schon gerne die Wahrheit.“

Der Schweizer lebte früher in Saudi-Arabien, im Irak und in Libyen. Ob er etwas dagegen habe, dass Muslime hierherkommen, fragt man. „Ja, ich weiß, wieso. Für die sind wir wie Dreck. Sie wollen einfach nur die Weltherrschaft. Sie schauen auch TV, lesen Zeitungen? Was machen die? Die wollen uns einfach überseckeln“ (Anm. überrennen).

Die Leute versetzen sich nicht in jene, die sie angreifen

Der Schweizer Geograph und Politikforscher Michael Hermann gibt Erklärungsansätze für das Verhalten der Nutzer: „Man spürt die Macht, die Gewalt der Worte. Die Leute haben keine Empathie für diejenigen, die sie angreifen. Wenn man zuhört, was sie fordern, ist es dem, was man dem Islam vorwürft, gleich. Wenn so etwas aus dem christlichen Abendland entstünde, dann ist das eine Doppelmoral.“

Zwar habe man in Facebook einen Namen, aber es sei anonym, so Hermann weiter. Dadurch werde die Hemmschwelle gesenkt. Der Poster selbst würden nicht mitbekommen, wie andere reagieren. Dies sei eine besondere Art von Anonymität, sagt Hermann.

Vom Stammtisch auf Facebook

Bürger spuckten Gift und Galle. Das sei auch nichts Neues. Früher machte man das am Stammtisch, fährt Hermann fort. Neu sei an dem Phänomen, dass Gesagtes nicht mehr nur am Stammtisch bliebe, sondern im Internet verbreitet werde. Facebook werde viel stärker wahrgenommen. Dadurch werde solchen Leuten eine Plattform gegeben.

Kommentarschreiber als Nährboden von Gewalt

Eine andere Sichtweise auf extreme Kommentarschreiber sei, sie würden einen Nährboden geben und ein gefährliches Gebräu, wird zu denken gegeben. Man schaukele sich gegenseitig hoch, was zu Gewalt auf der Straße führen könne oder zu brennenden Asylheimen, wie in Deutschland.

Hermann sagt, es seien verbale und körperliche Gewalt zu unterscheiden. Wenn jedoch dieses Klima als Normalität betrachtet werde, würden das die Leute nicht mehr unterscheiden können, so der Professor.

Leute haben von der Politik gelernt

Auf die Frage, inwieweit dies die Schuld der Politiker sei, sagt Hermann, in der Schweiz sei in der letzten Zeit viel polarisiert worden. Die Politiker seien selbst ein Beispiel dafür. Auch gebe es viele pointierte Plakate der Parteien. So das der Jungsozialisten mit Bundesrätin Leuthard, die an einem Pult mit blutigen Händen steht. Darunter stünde „Initiative gegen Kriegsmaterial-Exporte“.

Schweizer fühlen sich nicht ernstgenommen und sind frustriert

Generell fühlten sich die Schweizer frustriert, von der Politik nicht ernstgenommen und abgehängt, so Hermann als Grund für deren Verhalten. Das Gefühl sei: Man können nicht mitbestimmen. Man fühle sich ohnmächtig gegenüber der Politik und weil man ohnmächtig sei, ‚meinen die, sie könnten sich alles erlauben‘.



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