Steinmeier und türkischer Außenminister lieferten sich schonungslosen Schlagabtausch

Einen eher ungewöhnlichen Schlagabtausch gaben sich die beiden Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu und Frank-Walter Steinmeier. Während man im Rahmen von Außenministertreffen Kritik eher im vertraulichen Gespräch verortet, ging es hier in der Öffentlichkeit hart zur Sache.
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Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier spricht am 15. November 2016 in Ankara zur internationlen Presse.Foto: ADEM ALTAN / AFP / Getty Images
Von 15. November 2016

Ein Schlagabtausch dieser Größenordnung ist für eine Pressekonferenz zweier Außenminister eher ungewöhnlich, wie das Magazin der „Focus“ berichtet. Die schwierigen Themen behielte man sich für Gespräche im kleinen Kreis vor. Auf der Pressekonferenz danach würden eher Gemeinsamkeiten betont, Differenzen aber nur vorsichtig angedeutet. Nach dieser Pressekonferenz in Ankara kann man erahnen, was sich hinter verschlossenen Türen abgespielt haben muss.

Möglicherweise in direkter Fortführung eines unbeendeten Disputs aus Vorgesprächen sagte Steinmeier über den Vorwurf der Türkei, ‚Deutschland wäre ein sicherer Rückzugsort für Terroristen‘: „Ich bin mindestens irritiert über diese Äußerungen.“ Den öffentlichen Vorwurf, der hier in der Türkei erhoben wurde, könne man schlicht und einfach nicht nachvollziehen.

Zudem äußerte der deutsche Außenminister seine Befürchtungen hinsichtlich der politischen Entwicklungen in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch. Man sei in Sorge wegen der zahlreichen Verhaftungen und Massenverhaftungen als auch wegen der Meinungs- und Pressefreiheit.

Bitte Kritik nicht als anmaßend verstehen

Die Bitte des deutschen Außenministers, diese Kritik nicht als anmaßend oder als Belehrung, von oben herab, zu verstehen, konnte Cavusoglu offenbar nicht nachvollziehen. Aus Sicht der Türkei würde die EU mit zweierlei Maß messen. Wie Korrespondent Andreas Kynast auf Twitter schrieb, warf der türkische Außenminister der EU „Doppelstandards” vor. Deutschland würde die Türkei als Partner zweiter Klasse behandeln.

Die Massenverhaftungen rechtfertigte demnach der türkische Außenminister mit den bekannten Argumenten. Es handele sich bei den Verhafteten um Unterstützer dieses Putschs oder „Terroristen“ der Gülen-Bewegung, die von Ankara für den Umsturzversuch verantwortlich gemacht wird.

Auf die angeblich über 4.000 türkischen Auslieferungsgesuche, die ebenfalls angesprochen wurden, habe wiederum Steinmeier ablehnend reagiert: “Dazu habe ich keine Kenntnis”.

Das ziemt sich nicht unter Freunden

Mit Unverständnis reagierte Cavusoglu auch auf den Empfang des ehemaligen Chefredakteurs der regierungskritischen Zeitung “Cumhuriyet” Dündar durch Gauck. So etwas zieme sich nicht unter Freunden, soll Cavusoglu gegenüber Steinmeier gesagt haben. Dieses Signal sei gar nicht gut in der Türkei angekommen. Dündar war in einem Prozess der Spionage und des Geheimnisverrats beschuldigt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Es gelang ihm nach Deutschland zu fliehen.

Außenminister Cavusoglu verschonte seinen deutschen Amtskollegen zudem nicht mit dem Thema „Armenien-Resolution im Deutschen Bundestag“. Der Beschluss von Anfang Juni dieses Jahres war ein weiteres Ereignis, das zu arger Verstimmung in Ankara geführt hatte. Die Resolution erinnerte an den Völkermord an Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916.

Steinmeier dagegen betonte, dass Besuche auf dem Militärstützpunkt Incirlik weiterhin möglich sein müssten. Da dort Bundeswehr-Soldaten stationiert seien, die die Anti-IS-Koalition unterstützen. Im Sommer wurde das Besuchsrecht der Bundestagsabgeordneten zeitweilig ausgesetzt.

Steinmeier zum Anti-Terror-Kampf gegen PKK: „Es muss eine politische Lösung geben“

Grundsätzlich waren sich Steinmeier und Cavusoglu in der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) einig, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Cavusoglu lobte dabei, dass die im türkischen Incirlik stationierten deutschen Tornado-Flugzeuge „einen sehr großen Beitrag nicht nur im Kampf gegen den IS leisten, sondern auch bei der Bekämpfung des Terrorismus insgesamt“. Dabei spielte er offenbar auf den türkischen Kampf gegen die PKK an.

Zu möglichen Vorwürfen gegen die Türkei, dieser ginge es bei der Bekämpfung des Terrorismus eher um die PKK, als um den Islamischen Staat, sprach Steinmeier laut „Focus“ von unterschiedlichen Auffassungen: Es gebe die einen die sagen, wir verurteilten jede Form von Terrorismus – den des IS, genauso wie die den der PKK. “Ich glaube, wir sind beide der Meinung, dass es am Ende politische Lösungen geben muss“.

Steinmeier unsicher über Türkei als zukünftigen Partner

Insgesamt bewegte sich der Dialog jedenfalls lediglich im Rahmen eines Pingpong-Spiels, ohne wesentliche Annäherung in vielen Punkten. Die Äußerung des deutschen Außenministers: „Die Frage, ob sich die Türkei stärker in Richtung Europa oder von Europa weg entwickle, sollte in der Türkei entschieden werden“, spricht Bände. Ob man in Deutschland in Zukunft auf die Türkei als Partner zählen kann, gelte nicht mehr als ausgemacht, so das Magazin.

Nach der Zusammenkunft mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu hatte Steinmeier von von einem offenen, aber „nicht ganz einfachen“ Gespräch gesprochen, so AFP. Zugleich betonte Steinmeier die Bedeutung des bilateralen Dialogs: „Es ist wichtig, dass wir offen und ehrlich miteinander sprechen.



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