Moskau im Osten bald am Ziel? USA sehen kein rasches Kriegsende

Wieder Beschuss, wieder Schwerverletzte: Der Kampf um das Werk Azovstal in Mariupol nimmt kein Ende. Außenministerin Baerbock zeigt sich bei einem Kiew-Besuch erschüttert. Die Entwicklung im Überblick:
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Ukrainische Artillerie im Osten des Landes.Foto: ANATOLII STEPANOV/AFP via Getty Images
Epoch Times11. Mai 2022

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Während Teile der Ukraine weiter unter russischem Beschuss standen, hat Außenministerin Annalena Baerbock als erstes deutsches Regierungsmitglied Kiew besucht.

Die Grünen-Politikerin machte sich am Dienstag unter anderem im Kiewer Vorort Butscha ein Bild von der Zerstörung. In Butscha wurden nach dem Abzug der russischen Truppen mehr als 400 Leichen gefunden – teils mit auf den Rücken gebundenen Händen.

Baerbock forderte, die Täter zur Verantwortung zu ziehen und sicherte Unterstützung bei der Aufklärung zu. Außerdem kündigte sie die Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Kiew mit eingeschränktem Betrieb an. Wer genau für den Tod dieser Menschen verantwortlich ist, ist derzeit nicht geklärt.

Russland sieht sich im Gebiet Luhansk fast am Ziel

Am 76. Kriegstag gingen russische Angriffe vor allem in der Ostukraine weiter. Prorussische Separatisten drangen nach Militärangaben aus Moskau bis an die Verwaltungsgrenzen des Gebiets Luhansk vor. Dieses Gebiet komplett der ukrainischen Kontrolle zu entziehen, ist eines der erklärten Ziele Russlands.

Die Kleinstadt Popasna, die bis vor kurzem noch schwer umkämpft war, sei nun „gesäubert“ von ukrainischen „Nationalisten“, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow.

Der Luhansker Gouverneur Serhij Hajdaj bezeichnete diese Aussagen hingegen als „Fantasie“. Die ukrainischen Soldaten hätten sich zwar aus Popasna zurückziehen müssen, aber die Russen hätten die Verteidigung keinesfalls durchbrochen, schrieb er im Nachrichtendienst Telegram.

Nach russischen Angaben wurden in der Nacht zu Dienstag in verschiedenen Teilen der Ukraine insgesamt mehr als 400 Ziele mit Raketen und Artillerie angegriffen. Von unabhängiger Seite waren diese Angaben nicht überprüfbar.

USA: Kein Kriegsende nach russischem Sieg im Donbass

Die US-Geheimdienste rechnen indes mit einem noch lange andauernden Krieg, mit der Gefahr einer weiteren Ausweitung und Eskalation. US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines sagte am Dienstag bei einer Kongressanhörung in Washington, der russische Präsident Wladimir Putin bereite sich auf einen „langwierigen Konflikt in der Ukraine vor, bei dem er nach wie vor Ziele über den Donbass hinaus erreichen will“. So sei Putin entschlossen, eine Landverbindung zur pro-russischen Separatistenregion Transnistrien im Osten der Republik Moldau zu schaffen.

Der russische Präsident dürfte demnach auch das Kriegsrecht ausrufen, sagte die US-Geheimdienstdirektorin vor dem Streitkräfte-Ausschuss des US-Senats. Weil Putins Ziele größer seien als die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte, sei es „wahrscheinlich“, dass der Präsident in den kommenden Monaten einen zunehmend „unvorhersehbaren und potenziell eskalierenden“ Weg einschlage.

„Der derzeitige Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Präsident Putin sich drastischeren Mitteln zuwendet, einschließlich der Verhängung des Kriegsrechts, der Umorientierung der Industrieproduktion oder potenziell eskalierenden militärischen Optionen“, sagte Haines, welche die Arbeit der 18 US-Geheimdienste koordiniert. Ein Einsatz von Atomwaffen sei unwahrscheinlich. Putin dürfte ihn nach Einschätzung der US-Geheimdienstkoordinatorin nur anordnen, wenn er eine „existenzielle Bedrohung“ für Russland sehe.

Ukraine: Schwerer Beschuss des Azovstal-Werks

Auch die Kämpfe um das Werk Azovstal in Mariupol gingen weiter – nach ukrainischen Angaben mit schwerem Beschuss durch russische Truppen. Die ganze Nacht lang sei das Gelände aus der Luft angegriffen worden, sagte der Vizekommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, der Zeitung „Ukrajinska Prawda“. Es gebe viele Schwerverletzte. Sie müssten dringend in Sicherheit gebracht werden.

Auf dem großräumigen Stahlwerksgelände sollen nach ukrainischen Angaben immer noch etwa 100 Zivilisten ausharren. Außerdem sollen sich weiterhin viele ukrainische Kämpfer dort verschanzt haben. Nach russischen Angaben soll es sich um etwa 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner handeln.

UN geht von Tausenden Toten in Mariupol aus

Nach Einschätzung der UN-Menschenrechtsbeauftragten Matilda Bogner sind bei den Kämpfen um Mariupol Tausende Menschen ums Leben gekommen. „Mariupol ist das große schwarze Loch“, sagte Bogner, die Leiterin der Kommission ist, die die Menschenrechtslage in der Ukraine seit 2014 untersucht. Bislang habe die Sicherheitslage es nicht erlaubt, die Fälle einzeln zu dokumentieren. Daran werde aber gearbeitet.

Baerbock fordert Aufklärung von Kriegsverbrechen

Außenministerin Baerbock forderte bei ihrem Besuch in Kiew die Aufklärung von Kriegsverbrechen und sagte dabei Unterstützung zu. „Wir sind es diesen Opfern schuldig, dass wir hier nicht nur gedenken, sondern dass wir die Täter zur Verantwortung bringen und ziehen“, sagte Baerbock in Butscha.

Außenministerin: Keine Energie mehr aus Russland

Bei einem Treffen mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba machte sie klar, dass Deutschland künftig komplett ohne Energie des „Aggressors“ Russland auskommen wolle. „Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf Null – und zwar für immer“, sagte die Ministerin.

Erste Ukrainer für Ausbildung in Deutschland

Unterdessen trafen am Dienstag ukrainische Soldaten zur Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 in Deutschland ein. Die künftigen Besatzungen des Waffensystems und technische Fachleute sollen am Mittwoch in die Ausbildung an der Artillerieschule der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein eingewiesen werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Berlin erfuhr.

Finnland auf dem Weg zur Nato-Mitgliedschaft

Der Verteidigungsausschuss des finnischen Parlaments hat sich für einen Beitritt des Landes zur Nato ausgesprochen. Eine Mitgliedschaft in dem Verteidigungsbündnis sei die beste Lösung für Finnlands Sicherheit, teilte der Ausschuss mit. Neben Finnland denkt auch Schweden über einen Nato-Beitritt nach. Beide Länder sind jeweils bereits enge Nato-Partner, jedoch nicht Mitglieder des Bündnisses.

Rund acht Millionen Vertriebene durch Ukraine-Krieg

Als Folge des Kriegs in der Ukraine wurden nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) mehr als acht Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben. Etwa 5,9 Millionen Menschen verließen das Land, um im Ausland Schutz zu suchen, wie aus der Statistik des UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hervorgeht. Vor dem russischen Einmarsch am 24. Februar hatte die Ukraine etwa 44 Millionen Einwohner. Laut IOM sind inzwischen auch mehr als 2,7 Millionen Menschen wieder in ihrer Heimatorte zurückgekehrt. (dpa/red)



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