«Warum habt ihr so lange gebraucht?!»

Erleichterung und Enttäuschung bei Ankunft der Nationalgarde in New Orleans - Erstmals Lebensmittel am Convention Center verteilt - Polizisten melden sich nicht mehr zum Dienst
Titelbild
Ankunft der Amerikanischen Nationalgarde in der Washington Avenue in Ocean Springs (AP Photo/The Mississippi Press, William Colgin)
Epoch Times3. September 2005

New Orleans – Beladen mit Nahrungsmitteln, Getränken und Medikamenten rollt ein Konvoi der Nationalgarde durch schulterhohe Fluten in den Straßen von New Orleans. Vorbei an Leichen, die im Wasser treiben, rollen die Lastwagen zum Convention Center. Nahezu 20.000 hilflose Einwohner haben dort Zuflucht gesucht. Sie begrüßen die Soldaten mit einer Mischung von Erleichterung und Enttäuschung.

«Warum habt ihr so lange gebraucht?!» ruft eine 70-jährige Frau den Uniformierten zu. «Sie hätten schon vor Tagen hier sein sollen», stimmt der 46 Jahre alte Michael Levy zu. «Wir haben wie Ratten auf dem Boden geschlafen. Ich würde sagen, brennt die ganze Stadt einfach nieder.» Andere aber werfen die Arme hoch und begrüßen die Soldaten mit Jubel. Einige Obdachlose, aus Mangel an Nahrung und Getränken völlig entkräftet, werden in der Mittagshitze beinahe ohnmächtig.

Im Fahrzeug an der Spitze des Konvois steht ein General, der auf einer Zigarre kaut. Weiter hinten folgen offene Truppentransporter, die Soldaten auf der Ladefläche halten ihre Gewehre mit den Läufen nach oben.

Generalleutnant Russel Honore dämpft die Hoffnungen auf eine schnelle Evakuierung des Convention Centers. Das könne noch Tage dauern, sagt der Kommandeur. Vorrang habe erst einmal die Vorsorgung mit Nahrung und Wasser. «Amerika hat schon Schlimmeres erlebt», sagt Honore. «Wir werden das auch überstehen. Es ist nicht unsere Schuld. Der Sturm ist gekommen und hat die Stadt überflutet.»

Schnell sind sechs Ausgabestellen für Lebensmittel eingerichtet. Die meisten Menschen hier bekommen zum ersten Mal seit fünf Tagen etwas zu essen und zu trinken. Als erste in der Schlange nimmt die 49-jährige Diane Sylvester zwei Flaschen Wasser und eine Fertigmahlzeit mit Schweinefleisch entgegen. «Das ist besser als nichts», meint sie zur Größe ihrer Portion, fügt aber hinzu: «Das ist großartig, die Soldaten hier zu sehen. Ich weiß, dass ich gerettet bin.»

Angela Jones, 24 Jahre alt, kippt das Wasser gierig hinunter, bevor sie den Platz vor der Ausgabestelle frei macht. «Das ist so gut wie ein Steak mit Kartoffeln», schwärmt sie. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch erleben werde.»

An anderen Orten der Stadt herrscht weiter das Chaos. Hurrikan-Opfer sollen beschossen, ausgeraubt und vergewaltigt worden sein. Banden von Jugendlichen haben Boote in ihre Gewalt gebracht, die zur Bergung von Einwohnern gedacht waren. Polizeichef Eddie Compass muss zugeben, dass seine eigenen Leute Wasser und Lebensmittel aus Geschäften mitgehen lassen. Dutzende von Beamten melden sich einfach nicht mehr zum Dienst.

Am Superdome von New Orleans kommt die Evakuierung nur langsam voran. Empörung macht sich breit, als die Schulbusse nicht zur Spitze der Warteschlange fahren, sondern zum benachbarten Hyatt-Hotel. Vor den Augen der entkräfteten Menschen aus dem Superdome steigen die ersten von rund 700 gut gekleideten Gästen und Angestellten des Hotels mit ihren Koffern in die Busse. «Wie geht denn das?» ruft der 22-jährige Howard Blue, der von Soldaten der Nationalgarde zurückgedrängt wird. «Die da sind sauber und trocken und sie dürfen vor uns rauskommen?» Begründet wird die Entscheidung damit, dass das Hotel für Einsatzkräfte geräumt werden soll. Aber der Nationalgardist John Pollard räumt ein, dass dieses Vorgehen «sehr mies» sei.

Solange genug Busse da sind, können etwa 1.000 Leute in der Stunde die Reise in Auffanglager in Texas antreten. Aber am Samstag muss die Evakuierung wieder unterbrochen werden, weil es keine Busse mehr gibt. (AP-Korrespondent Robert Tanner)



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