Was für eine Krise?

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Die drei  britischen politischen Hauptparteien haben ihre Wahlprogramme veröffentlicht – eine Art Entwurf  von dem, was sie tun würden -, wobei zumindest zwei von ihnen gerade entdecken, wie schlimm die Situation wirklich sein wird, wenn man dann im Amt ist. Die Situation ist ernst – alle stimmen hier zu – aber niemand packt die Herausforderung der Schulden an, sodass die Unzufriedenheit und die fortwährende Unklarheit in der Wirtschaft weiter fortbesteht. Es ist, als seien die Programme geschrieben worden, bevor Großbritannien ein mit Schulden beladenes Land wurde.

Das Wahlprogramm der Konservativen ist am radikalsten. Die Tories bieten eine „power-to-the-people“-Strategie („alle Macht dem Volk“) an, in der die öffentlichen Dienste vermehrt der lokalen Kontrolle unterworfen werden sollen. Ortsansässige würden das Recht bekommen, Volksabstimmungen anzuregen, wenn fünf Prozent der Mitbürger die Bewegung unterstützen. Die Tories wollen auch mehr gewählte Bürgermeister und Polizeikommandanten sehen. Den Gemeinden würde erlaubt, mit Schließung bedrohte Bars und  Postämter zu übernehmen. Die Angestellten im öffentlichen Dienst würden ermutigt, „Kooperativen“ zu bilden, um Angebote  wie Krankenpflegeteams, Schulen oder andere öffentliche Dienste übernehmen zu können.

Ihr Schwerpunkt liegt auf der Änderung der Art und Weise, wie die Regierung in die Wirtschaft eingreift, um einige vorgeschlagene Steuererhöhungen zu reduzieren. Desgleichen sollen die Verfahrensweisen zur Förderung von Regierungsprogrammen geändert werden. In Bezug auf die Gesundheit haben die Tories eine „echte Auswahl“ versprochen, indem sie die Patienten berechtigen, sich für jeden Gesundheitsfürsorge-Anbieter – einschließlich privater Kliniken – zu entscheiden.  Die Kosten müssten allerdings denen des staatlichen Gesundheitsdienstes entsprechen. Den Leuten soll der Zugang zu einem lokalen Arzt für Allgemeinmedizin zwölf Stunden pro Tag an sieben Tagen in der Woche garantiert werden. Ins Detail gehende Regierungsziele, wie zum Beispiel Wartezeiten vor der Behandlung, würden in einem Blitzkrieg gegen die „endlosen Ebenen der Bürokratie und des Managements“ ausrangiert.

Schulen würden mit der Errichtung staatlich geförderter „freier Schulen“, geleitet von Eltern, Wohlfahrtsverbänden, Lehrern, Stiftungen und ehrenamtlichen Gruppen, die umfassendste Reform einer Generation.

Das Wahlprogramm der Labour Party ähnelt – außer im Bildungswesen – mehr der Art von Regierung, wie sie sich seit 1997 unter der Regierung Blair etabliert hat. Es wird jetzt „in jedem Gebiet eine Auswahl von guten Schulen“ versprochen. Wenn Eltern nicht zufrieden sind, werden sie die Möglichkeit haben, eine Abstimmung herbeizuführen, um über einen „bewährten und zuverlässigen akkreditierten Anbieter“ ein neues Schulteam zu verpflichten oder über eine Fusion bzw. Übernahme zu verhandeln. Bis 2015 könnten bis zu eintausend höhere Schulen Teil einer solchen akkreditierten Schulgruppe sein.

Im ökonomischen Bereich verpflichtet sich die Labour Party, eine Hi-Tech-Wirtschaft zu fördern, das Wirtschaftsleben und die Industrie zu unterstützen, damit eine Million qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden, sowie die Infrastruktur mit Hochgeschwindigkeitsbahnen zu modernisieren, eine Green Investment Bank einzurichten und Breitbandzugang für alle zu garantieren. Das alles ist nichts Neues. Die Liberalen, angeführt von Nick Clegg, behalten ihre bekannte politische Linie bei: angemessenere Steuern, eine Wirtschaftsreform, einen Solidaritäts-Schülerzuschlag für die ärmsten Kinder in Höhe von insgesamt ca. 2,5 Milliarden US-Dollar und die Änderung des Grundgesetzes. Wesentlich am Programm der Liberalen ist das Stillschweigen über mögliche Koalitionen bzw. die Unterstützung einer Minderheitsregierung, welches das wahrscheinlichste Ergebnis der Wahl sein wird. Das Studium ihres Programms lässt keinen Hinweis entdecken, der eine Verbindung entweder mit der Labour Party oder mit den konservativen Parteien favorisieren würde.

Die Wahlumfragen zeigen zurzeit eine weitere Verringerung des sowieso schon schmalen Abstandes zwischen den Konservativen und der Labour Party. Eine Umfrage sieht eine Führung der Tories durch gerade mal drei Prozent – das entspricht der Fehlertoleranz in den Umfragen. Der Durchschnitt ist eine Sechs-Punkte-Führung, die für die Tories nicht genug ist, um eine Mehrheitsregierung zu sichern. Für die Briten ist es schwierig, sich David Cameron als staatsmännischen Führer vorzustellen, der für Großbritannien in dieser Zeit richtig ist. Aber Gordon Brown möchten sie auch nicht. Das fehlende Vertrauen ist das Hauptproblem.

Es sind nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Harold Wilson, der ehemalige Premierminister der Labour Party, erinnerte seine Zuhörer gerne daran, dass in der Politik eine Woche eine lange Zeit ist. Da kann noch sehr viel geschehen. Normalerweise beginnen sich bei den Wählern zu dieser Zeit deutliche Muster ihrer Interessen, Sorgen und Verhaltensweisen herauszukristallisieren. Dieses Mal nicht. Die meisten Experten sind überzeugt, dass nach der Wahl kein Mehrheitsergebnis vorliegen wird. Hinter den Kulissen werden wilde Anstrengungen getätigt, um zu sehen, welche Verbindungen und Koalitionen möglich wären. Ein Eingeweihter hat angedeutet, dass der Abstimmungsprozess bereits begonnen hat; Plaid Cymru (die walisischen Nationalisten) haben sich schon bereit erklärt, unter bestimmten Bedingungen die Labour Party zu unterstützen.

Sicher ist, dass eine große Anzahl der britischen Wählerschaft noch kein wirkliches Interesse zeigt. Die Wahlkampagne hat sie nicht angeheizt oder motiviert, sich zu engagieren; trotz des ganzen Rummels ist es für die Mehrheit der Briten so wie immer. Die Titelseiten der Zeitungen bringen zwar einige Wahlnachrichten, sind aber mehr mit Tratsch und Klatsch beschäftigt als mit der Zukunft des Landes. Ein Beispiel in den aktuellen Nachrichten: Metzgern in einer der größten Supermarktketten Großbritanniens wurde empfohlen, keine Messer zu verwenden, da diese gefährlich sind. Es scheint, dass es mehr Interesse an dieser Geschichte gibt als an der Erschaffung eines neuen Goldenen Zeitalters der Politik.

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