Weitere polnische Justizreform landet vor EU-Gericht in Luxemburg – Barley begrüßt Klage

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wird sich mit einer weiteren Justizreform der polnischen Regierung befassen.
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa
Epoch Times31. März 2021

Die EU-Kommission verklagte Polen am Mittwoch wegen eines Gesetzes zur Bestrafung von Richtern und beantragte dessen Aussetzung per einstweiliger Anordnung. Justizkommissar Didier Reynders sprach von einer „ernsten“ Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit. Warschau wies die Kritik als „rechtlich und fachlich unbegründet“ zurück.

„Die Kommission ist der Auffassung, dass die angefochtenen Rechtsvorschriften die richterliche Unabhängigkeit in Polen untergraben und mit dem Vorrang des Unionsrechts unvereinbar sind“, sagte Reynders. Polnischen Richtern droht demnach der Entzug ihrer Immunität durch eine Disziplinarkammer des Obersten Gerichts, deren „Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“ nicht gewährleistet sei. Auch würden polnische Richter daran gehindert, sich bei bestimmten Rechtsverfahren an den EuGH zu wenden.

Der von Regierungsgegnern „Maulkorb-Gesetz“ genannte Rechtstext ist seit dem vergangenen Februar in Kraft. Er sieht vor, dass polnische Richter für Kritik an den bisherigen Justizreformen bestraft werden können. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS gibt an, gegen Korruption vorzugehen. Die Opposition wirft der Regierung hingegen vor, Richter mundtot machen zu wollen.

Die Kommission hatte bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes wegen Zweifeln an dessen Rechtmäßigkeit Kontakt mit Warschau aufgenommen. Die PiS-Regierung ließ sich aber nicht von ihren Plänen abbringen und setzte das Gesetz in Kraft. Brüssel eröffnete daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren. Die wiederholt geäußerten Bedenken seien nicht ausgeräumt worden, sagte Reynders. Die Kommission rufe daher nun den EuGH in Luxemburg an.

Außerdem bestehe „die Gefahr eines ernsten und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Unabhängigkeit der Justiz in Polen und für die Rechtsordnung der Union“, sagte Reynders weiter. Die Kommission beantrage deshalb in Luxemburg eine einstweilige Anordnung, um die Disziplinarkammer davon abzuhalten Richtern die Immunität zu entziehen und bisherige derartige Entscheidungen rückgängig zu machen.

Ein polnischer Regierungssprecher wies die Kritik und die angestrengten Rechtsmittel der Kommission zurück. „Die Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Justiz ist eine ausschließlich nationale Domäne“, erklärte Piotr Muller auf Twitter. „Die polnischen Regelungen weichen nicht von den EU-Standards ab.“

Die EU-Kommission liegt seit Jahren wegen verschiedener Änderungen im Justizwesen mit Warschau über Kreuz. Brüssel wirft der rechtsgerichteten Regierung vor, die Unabhängigkeit der Justiz systematisch zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben. Eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren, Urteile aus Luxemburg und ein beispielloses EU-Strafverfahren brachten sie bislang nicht grundsätzlich von ihrem Kurs ab.

Bereits im April 2018 hatte der EuGH die Arbeit einer 2018 neu aufgestellten polnischen Disziplinarkammer für Richter bis auf Weiteres ausgesetzt. Das Urteil steht noch aus. Die Kommission droht Polen hier wegen mangelhafter Umsetzung der EuGH-Anordnung bereits mit einer weiteren Klage.

Barley begrüßt Klage der EU-Kommission gegen Polen

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley (SPD), lobt indes die Entscheidung der EU-Kommission, Polen wegen dessen umstrittener Justizreform vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen.

„Es zeigt, dass unsere Botschaft angekommen ist und die Kommission unsere Einschätzung teilt, dass es so nicht weitergehen kann“, sagte sie „Zeit-Online“. An der Forderung des Europaparlaments, dass die Kommission den Rechtsstaatsmechanismus schon jetzt anwenden solle, hält Barley dennoch fest.

Die Kommission dürfe sich dem Kompromiss der Mitgliedsstaaten, die Entscheidung des EuGH über die Klage von Polen und Ungarn abzuwarten, nicht unterwerfen:

Mit dem Rechtsstaatsmechanismus hat das Parlament sich durchgesetzt. Diese rechtlich bindende Einigung soll nun durch die Hintertür sabotiert werden. Das geht nicht.“

Von der Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus erhoffe sie sich eine grundsätzliche Wirkung, sagte Barley weiter: „Wenn die Staaten wissen, dass ihnen viel Geld verloren gehen könnte, ist der Anreiz, sich an rechtsstaatliche Prinzipien zu halten, größer, als es die Angst vor einer rechtlichen Auseinandersetzung wäre.“

Die SPD-Politikerin sieht insbesondere Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Pflicht: „Was ihre Untätigkeit in Sachen Rechtsstaatsprinzip angeht, war ich bisher sehr enttäuscht.“

Am Ende des Tages sitze man ja alle in einem Boot: „Die Leute nehmen nicht wahr, ob das jetzt im Einzelnen die Kommission verbockt hat oder wer auch immer. Wir alle sind dafür verantwortlich, dass die EU keinen Schaden nimmt.“ (afp/dts)



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