Der aus der Slowakei stammende Handelskommissar der Europäischen Union, Maroš Šefčovič, erweckt Hoffnungen auf die Beilegung des Zollstreits mit den USA. In einem Interview mit der britischen
„Financial Times“ gab er sich zuversichtlich, dass die EU „gewisse Fortschritte“ in Richtung eines Handelsabkommens mit den Vereinigten Staaten verzeichnen könne.
Die Staaten der Union böten an, US-Produkte im Wert von 50 Milliarden Euro zu kaufen. Als Vorstufe für ein solches Abkommen verlangt Šefčovič jedoch, dass der amerikanische Präsident Donald Trump die pauschal mit 10 Prozent Zoll auf europäische Waren belegte Handelsstrafe aufgeben müsse. Aus dem Weißen Haus waren dazu bislang keine Reaktionen zu erfahren.
Erhöhte LNG-Käufe die Lösung?
Hintergrund: Trump kündigte im März an, Autos, Stahl und Aluminium aus der EU mit 25 Prozent Zoll zu belegen. Im April weitete er die Zölle in Höhe von 20 Prozent auf weitere EU-Waren aus. Kurz darauf halbierte er die 20 Prozent wieder auf 10 Prozent mit der Maßgabe, dass bis zum 8. Juli ein Tarifabkommen mit der EU zustande kommen müsse. Grundsätzlich sind derzeit Zölle auf beiden Seiten bis zum genannten Termin ausgesetzt. Die 27 EU-Staaten schlagen eine Null-Zoll-Politik für beide Seiten vor. Dieses Angebot hat Trump bisher jedoch kategorisch ausgeschlagen.
Šefčovič ist sich indes sicher: „Wenn das, was wir als Problem im Defizit betrachten, 50 Milliarden Euro beträgt, glaube ich, dass wir dieses Problem wirklich sehr schnell durch LNG-Käufe, durch einige landwirtschaftliche Produkte wie Sojabohnen oder andere Bereiche lösen können.“ LNG steht für Liquified Natural Gas, also verflüssigtes Erdgas, das per Schiff von den USA nach Europa in größerem Ausmaß als bisher geliefert werden könnte. Das Handelsdefizit zwischen den EU-Staaten und den USA beläuft sich derzeit auf etwa 50 Milliarden Euro. Es scheint, dass die EU mit dieser Summe die Eskalation des transatlantischen Streits aus dem Weg räumen will. Am schnellsten wäre dies möglich mit einer drastischen Einfuhr von Flüssiggas aus den USA.
Stellt sich nur die Frage, ob der amerikanische Präsident mit dem Angebot des Handelskommissars der EU zufrieden ist. Es entspricht nicht Trumps Mentalität, mit einem Staatenkonstrukt zu verhandeln, sondern im persönlichen Gespräch unter Regierungschefs. Infrage käme hier der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Beide Präsidenten unterhalten ein tragfähiges Arbeitsverhältnis zueinander.
Meloni: „Hier, um zu helfen“
Aber auch die italienische Premierministerin Giorgia Meloni hat sich vor Kurzem als Vermittlerin ins Spiel gebracht. Mitte April reiste sie als erste europäische Führungspersönlichkeit in die Vereinigten Staaten, nachdem Präsident Trump seine Zollpolitik angekündigt hatte. Sie war zudem die einzige europäische Regierungschefin, die zu Trumps Amtseinführung im Januar 2025 eingeladen war.
„In vielerlei Hinsicht spiegelt Meloni Europas eigene Identitätskrise wider: eine regionale Macht mit globalen Ambitionen“, bewertet die britisch-australische Analyseplattform
„The Conversation“ die italienische Ministerpräsidentin. Der amerikanische TV-Sender CNN schätze Meloni bei ihrem Trump-Besuch als „populistisch, konservativ und klugen politischen Akteur“ ein. Sie habe „die Aufmerksamkeit von Trump und seinen Beratern auf sich gezogen“, glaubt
CNN in einem Onlinebeitrag vom 17. April. Meloni habe „die gleiche Antimigrationshaltung eingenommen, die Trumps Rückkehr in das Weiße Haus begünstigt“ habe.
Offenkundig konzentrierte sich Meloni vor wenigen Wochen weitgehend auf eine Charmeoffensive, um die durch den Zollstreit verursachten Spannungen abzubauen, die Meloni als „falsch“ bezeichnet hatte. Denn ausgerechnet Italien verzeichnet einen erheblichen Handelsüberschuss mit den USA und bleibt bei den NATO-Verteidigungsausgaben weit hinter Trumps Forderungen zurück. Doch gegenüber Meloni zeigte sich Trump voller Bewunderung: „Sie hat Europa im Sturm erobert“, zitiert „The Conversation“ den amerikanischen Präsidenten.
Offiziell ließen Trump und Meloni vor drei Wochen verlautbaren, sie seien zuversichtlich, ein transatlantisches Handelsabkommen für die EU erreichen zu können. Meloni gegenüber Reportern: „Ich bin mir sicher, dass wir eine Einigung erzielen können, und ich bin hier, um dabei zu helfen.“
„Aus Branchensicht besteht absolut Interesse daran, weitere langfristige Verträge [mit den USA] abzuschließen“, sagte Cristian Signoretto, Direktor des italienischen multinationalen Energieriesen ENI und Präsident des Handelsverbandes Eurogas, am 30. April gegenüber
„Politico“. ENI ist der zweitgrößte Importeur fossiler Brennstoffe in der EU und könnte entscheidend dazu beitragen, höhere Mengen an Flüssiggas aus den USA abzunehmen.
Gemeinsames Problem: Chinas Überproduktion
Dennoch: Bislang treten die Verhandlungen auf der Stelle, ein Ergebnis ist nicht in Sicht. Woher die Zuversicht Melonis und die von Šefčovič stammt, bleibt deren Geheimnis. Allerdings erwähnte der EU-Handelskommissar in dem Interview mit der „Financial Times“ beiläufig einen Aspekt, der von einer gewissen Tragweite sein könnte: Die EU sei bereit, mit den USA zusammenzuarbeiten, um die Auswirkungen der drastisch gestiegenen Exporte Chinas in aller Welt abzumildern.
Seit mehr als einem Jahr ist Chinas Überproduktion eine globale Herausforderung. Peking flutet die Weltmärkte mit preisgünstigen Produkten: Computern, Kleidung, Fernsehern, Solaranlagen und Autos. Dies stellt ein Problem für europäische und amerikanische Firmen dar.
Deutschland auf andere Europäer angewiesen
Bleibt noch festzuhalten: In dem Handelsstreit mit den USA scheint Deutschland zumindest keine offensichtliche Rolle zu spielen. Seit dem Zusammenbruch der Ampelkoalition just am Tag des Wahlsieges von Trump am 5. November 2024 und der sich seither hinschleppenden Übergangszeit bis zur Vereidigung einer neuen Bundesregierung ist Deutschland auf das Handeln anderer europäischer Akteure, die bisher in seinem Schatten standen, angewiesen. Vielmehr ist festzustellen, dass sich die Berliner Politik stark auf innenpolitische Themen konzentriert. Doch wie lange kann sich eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt solch eine Selbstschau leisten, ohne nachhaltigen Schaden zu nehmen?
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