2500 Städte und Gemeinden verschuldet – Werden Altschulden der Kommunen zu Neuschulden des Bundes?

Ähnlich wie ein Dispo: Viele Kommunen kommen nicht aus ihrer Abhängigkeit von den Kassenkrediten. Finanzminister Scholz will nun 2500 von 11.000 überschuldeten Kommunen helfen und diese auf einen Schlag entschulden. Er erntet massive Kritik.
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Viele Kommunen in Deutschland sind überschuldet (Symbolbild).Foto: iStock
Epoch Times22. Dezember 2019

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat für seinen Plan zur Entschuldung tausender Kommunen in Deutschland vielfach Kritik bezogen. Ablehnend äußerte sich am Wochenende der Koalitionspartner CDU/CSU, Widerspruch kam aus verschiedenen Gründen auch von FDP und Linken.

Die Grünen begrüßten den Plan. Scholz will etwa 2500 hoch verschuldete Städten und Gemeinden auf einen Schlag entlasten.

Gemeinsam mit den betroffenen Ländern wolle er diesen Kommunen die Schulden einmalig abnehmen, sagte der Finanzminister. „Ich stelle mir so etwas wie eine Stunde null dieser Kommunen vor.“

Profitieren würden vor allem NRW, Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland

Der Vizekanzler bezifferte die Altschulden der Kommunen bei den sogenannten Kassenkrediten auf etwa 40 Milliarden Euro. Betroffene Länder und Kommunen hoffen, dass der Bund davon bis zu 50 Prozent übernimmt. Profitieren würden vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland.

Scholz machte die Hilfe des Bundes aber von der Solidarität der Länder und Kommunen abhängig. „Wenn man 2500 von mehr als 11.000 Kommunen helfen möchte, (…) geht das nur, wenn es keine Eifersucht gibt“, sagte er. Er sei aber zuversichtlich, dass bei den Altschulden ein „Akt der Solidarität“ gelinge.

Werden aus den Altschulden der Kommunen Neuschulden des Bundes?

Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) warnte hingegen, es dürften nicht „wahllos Geschenke verteilt und alle Grundsätze über Bord geworfen werden“. Aus den Altschulden der Kommunen dürften „nicht einfach Neuschulden des Bundes werden“, sagte der Finanzpolitiker der „Bild am Sonntag“.

Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), äußerte „schwerwiegende verfassungsrechtliche und grundsätzliche Bedenken“. Die geplanten Hilfen des Bundes wären gegenüber Ländern, die die teils ebenfalls schwierige Situation mit eigener Anstrengung meistern, eine nicht „akzeptable Ungleichbehandlung“, erklärte Rehberg. Die Verantwortung für die Finanzsituation der Kommunen liege klar bei den Ländern. „Der Bund darf hier nicht eingreifen.“

Für die FDP erklärte Fraktionsvize Michael Theurer, Scholz habe einen „parteipolitisch motivierten, unausgegorenen, unabgestimmten und kaum zu finanzierenden Vorschlag“ vorgelegt. Ein „Riesenproblem“ sei zudem die Gefahr von Fehlanreizen.

Pauschale Schuldenübernahme richtet langfristig Schaden an

Auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, äußerte sich kritisch. „Eine pauschale Schuldenübernahme durch den Bund mag kurzfristig populär sein, richtet langfristig aber Schaden an und untergräbt die Finanzdisziplin“, sagte Fuest dem „Handelsblatt“.

Wenn der Bund einfach die Schulden übernehme, werde das Signal gesetzt, dass sich Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung nicht lohnten, „weil man hohe Schulden irgendwann auf die Gemeinschaft abwälzen kann“.

Linken-Chef Bernd Riexinger erklärte grundsätzlich, eine Entschuldung von Kommunen sei „dringend notwendig“. Aber

einige Kommunen in einigen Teilen des Landes zu entschulden, ohne die Finanzierung der Kommunen langfristig auf tragfähige Füße zu stellen, ist kein schlüssiges Konzept“.

Die Grünen-Fraktion begrüßte hingegen das Vorhaben von Scholz. Es sei richtig, hoch verschuldeten Kommunen zu helfen, ihre Schulden abzubauen, sagte der Sprecher für Kommunalfinanzen, Stefan Schmidt, der Nachrichtenagentur AFP. Es sei zu hoffen, dass Scholz nun „endlich ein umfassendes Konzept vorlegt“, nachdem er bereits mehrfach einen Altschuldenfonds angekündigt habe.

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, befand die Initiative des Finanzministers für „richtig und dringend notwendig“. Überschuldete Kommunen seien nicht selbst Schuld an ihrer Finanzlage, betonte Fratzscher im „Handelsblatt“. Ein Schuldenerlass sei „kein Akt der Barmherzigkeit, sondern dringend notwendig, um Wachstum und Wohlstand überall in Deutschland gewährleisten zu können“.

Kassenkredite ähnlich dem „Dispo“

Mit etwa 40 Milliarden Euro sollen die Kommunen in sogenannten Kassenkrediten verschuldet sein. Diese Kassenkredite sind eigentlich dazu gedacht, dass die Kommunen sich nur kurzfristig Liquidität sichern, ähnlich dem Dispokredit für Verbraucher.

Zur Lösung des Problems gibt es verschiedene Ansätze. Hessen hilft seit gut einem Jahr seinen überschuldeten Kommunen mit einer sogenannten Hessenkasse und entschuldete so rund 180 Kommunen.

In Saarland beschloss der Landtag vor ein paar Wochen den „Saarlandpakt“, der den Kommunen eine Milliarde Euro Kassenkredite abnimmt. Scholz will nun 2500 von 11.000 überschuldeten Kommunen helfen und diese auf einen Schlag entschulden. (afp)



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