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Vergabe der Sitzungssäle

Bundestag: AfD will gegen Saal-Entscheidung für die SPD vorgehen

Der Saalstreit zwischen SPD und AfD im Bundestag ist entschieden – aber wohl noch nicht beendet. Die AfD kündigt Schritte dagegen an. Die Sozialdemokraten zeigen sich derweil erleichtert.

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Wo kommt der „Saal Paulskirche“ hin? Die AfD muss im Streit um die Fraktionsräume eine Niederlage einstecken und mit dem alten Fraktionsraum der FDP vorlieb nehmen. Sie beansprucht den Raum der SPD.

Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

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Die AfD-Fraktion will nach eigenen Angaben gegen die Entscheidung über die Vergabe der Sitzungssäle im Bundestag vorgehen. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernd Baumann, kündigte „rechtliche Auseinandersetzungen“ mit Hilfe von Gutachtern an. „Mit allen Mitteln gehen wir dagegen vor, natürlich“, sagte er vor Journalisten in Berlin. Konkreter wurde er zunächst nicht.
Der Ältestenrat des Bundestages hatte zuvor mit Mehrheitsbeschluss gegen die AfD entschieden und ihr den früheren Sitzungsaal der FDP-Fraktion zugewiesen. Die AfD hatte als zweitgrößte und auf das Doppelte angewachsene Fraktion Anspruch auf den bisherigen Sitzungssaal der SPD-Fraktion angemeldet, der deutlich größer ist. Die SPD kann diesen nach der Entscheidung aber behalten.
Der AfD werde die Fähigkeit zur parlamentarischen Arbeit genommen, sagte Baumann mit Blick auf Enge und Stuhlanordnung im ihr zugewiesenen Raum.

„Die Großnichte von Otto Wels hat sich bei mir gemeldet“

Nach SPD-Angaben begrüßte eine Familienangehörige des früheren SPD-Chefs Otto Wels die Entscheidung. „Die Großnichte von Otto Wels hat sich bei mir gemeldet. Wir haben telefoniert und sie war sehr erleichtert“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, vor Journalisten in Berlin. Weitere Details nannte er nicht. Die Großnichte habe die SPD im Zuge der Debatte über den Sitzungssaal kontaktiert.
Die Sozialdemokraten hatten ihren Sitzungssaal „Otto-Wels-Saal“ getauft, in Erinnerung an den SPD-Chef, der im März 1933 in einer historischen Rede das Nein seiner Partei gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten begründet hatte, mit dem die Demokratie zerstört und den Nazis alle Macht übertragen wurde.
Wiese nannte die Saal-Entscheidung „sachlich und fachlich“ gerechtfertigt und bekräftigte die Argumente der SPD, wonach diese als Regierungsfraktion den Saal in der Nähe des Koalitionspartners Union mit genug Platz auch für Mitarbeiter aus Ministerien brauche.

Baumann: SPD bleibt „ein halber Saal zum Tanzen“ frei

Normalerweise werden die Fraktionsräume im Reichstagsgebäude in der Reihenfolge der Stärke der Fraktionen vergeben. Hier rangiert die AfD mit 151 Abgeordneten klar vor der SPD mit lediglich 120. Gleichwohl sollen die AfD-Abgeordneten nun mit einem deutlich kleineren Raum auskommen. Dabei handelt es sich um den bisherigen Fraktionssaal der FDP, die nicht mehr im Parlament vertreten ist.
Der Saal, dessen von der SPD-Fraktion vergebener Name an den früheren Parteivorsitzenden Otto Wels erinnert, hat für die Sozialdemokraten eine große symbolische Bedeutung. Wels hatte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 für die SPD deren Ablehnung des sogenannten Ermächtigungsgesetzes begründet. „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“, sagte er damals.
Baumann erläuterte nach der Entscheidung des Ältestenrats mit Hilfe von Grafiken, dass die AfD-Fraktion künftig unter sehr beengten Verhältnissen tagen müsse, während bei der SPD „ein halber Saal zum Tanzen“ frei bleibe. Er äußerte Zweifel, ob wegen der Enge in dem früheren FDP-Saal überhaupt Brandschutzvorgaben eingehalten würden.

Die probeweise Anordnung der Stuhlreihen zeigt die beengten Verhältnisse in dem Fraktionsraum, in dem vorher die FDP untergebracht war. Die FDP hatte zu Beginn der Legislatur 92 Sitze, die AfD hat 152.

Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Das Streitobjekt: Sitzungssaal «3 S 001» im Reichstagsgebäude. Die SPD-Fraktion hat ihm den Namen «Otto-Wels-Saal» gegeben.

Das Streitobjekt: Sitzungssaal «3 S 001» im Reichstagsgebäude. Die SPD-Fraktion hat ihm den Namen «Otto-Wels-Saal» gegeben.

Foto: Michael Kappeler/dpa

Kubicki: „Wenig Verständnis in Bevölkerung für derartige unfaire Manöver“

Auch für Wolfgang Kubicki (FDP) ist es „völlig offensichtlich, dass der derzeitige Sitzungssaal der AfD ihrer Fraktionsstärke nicht angemessen ist“. Auf X schreibt er weiter: „Die Sozialdemokraten unterschätzen, wie wenig Verständnis es in der Bevölkerung für derartige unfaire Manöver gibt – unabhängig davon, gegen welche Partei sie sich richten.“

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Die SPD sieht dagegen weder Brandschutzvorgaben verletzt noch die Arbeit der AfD-Fraktion beeinträchtigt, wie Wiese deutlich machte. Er sagte, der AfD gehe es in dieser und anderen Fragen um „kalkulierte Provokationen, um die Abläufe im Bundestag schwieriger zu machen“.
Der Umgang mit der AfD ist im Bundestag aktuell in unterschiedlichen Zusammenhängen Gegenstand von Debatten. So wurden Kandidaten der AfD nicht ins Bundestagspräsidium oder zu Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse gewählt. Beides ist allerdings laut der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden.
Die AfD wurde Anfang Mai insgesamt vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Diese Einstufung gilt zudem für mehrere Landesverbände und Parteigliederungen. Die bundesweite Einstufung wurde wegen eines laufenden Gerichtsverfahrens später durch das BfV ausgesetzt. Inhaltlich hält die Behörde aber an ihrer Einstufung fest. (dpa/afp/red)

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