Stutthof-Prozess: Ehemaliger SS-Wachmann entschuldigt sich bei KZ-Überlebenden

Im Hamburger Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann des Konzentrationslagers Stutthof hat die Verteidigung einen Freispruch gefordert. Der Angeklagte selbst entschuldigte sich danach vor dem Landgericht der Hansestadt für die Verbrechen in Stutthof.
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Im Landgericht Münster sitzt ein ehemaliger SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof auf der Anklagebank. Dem 94-Jährigen wird hundertfache Beihilfe zum Mord vorgeworfen.Foto: Guido Kirchner/dpa
Epoch Times20. Juli 2020

Im Hamburger Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann des NS-Konzentrationslagers Stutthof hat die Verteidigung am Montag einen Freispruch gefordert. Der Angeklagte selbst entschuldigte sich danach vor dem Landgericht der Hansestadt für die Gräuel und Verbrechen in Stutthof. „Heute möchte ich mich bei denen, die durch diese Hölle des Wahnsinns gegangen sind, und deren Angehörigen, entschuldigen – so etwas darf niemals wiederholt werden“, sagte Bruno D. in seinem letzten Wort.

Er selbst habe dort jedoch nicht freiwillig gedient, ergänzte der 93-Jährige. „Ich möchte nochmals betonen, dass ich mich niemals freiwillig zur SS oder auch sonst einer Einheit gemeldet hätte, erst recht nicht in einem KZ.“ Er habe erst durch den Prozess von dem wahren Ausmaß der im Lager verübten „Grausamkeiten“ erfahren. Er hätte zudem „mit Sicherheit“ die Chance genutzt, sich dem Dienst wieder zu entziehen, sofern dieses möglich gewesen wäre.

Viele der Gefangene waren Juden – Lager soll auch als Vernichtungslager gedient haben

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer vor rund zwei Wochen drei Jahre Jugendhaft für den Angeklagten gefordert. Dieser soll im Alter von 17 bis 18 Jahren in der Endphase des Zweiten Weltkriegs mehrere Monate als SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig verbracht haben, wo die SS mehr als hunderttausend Gefangene festhielt.

Viele der Gefangenen in Stutthof waren Juden, das Lager diente auch als Vernichtungslager. Dort gab es eine Gaskammer, einen mobilen Gaszug sowie eine getarnte Genickschussanlage, um Lagerinsassen im Rahmen vorgetäuschter angeblicher medizinischer Untersuchungen zu töten. Unzählige NS-Opfer starben dort außerdem an Krankheiten und Unterernährung sowie durch Sklavenarbeit und Folterungen des Wachpersonals.

D. wird Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen vorgeworfen. Laut Anklage soll er den Massenmord in dem Lager durch seinen Einsatz als Wachmann unterstützt haben. Dabei geht es um den mutmaßlichen Dienst auf den Wachtürmen, eine direkte Beteiligung an Tötungen steht nicht im Raum. Ein Urteil will das Gericht am Donnerstag verkünden.

Verteidiger: Dienst in einem vom Staat betriebenen KZ war „kein Verbrechen“

D.s Verteidiger Stefan Waterkamp sagte in seinem Plädoyer, der zur Tatzeit 17- und 18-jährige Angeklagte habe angesichts der damaligen Umstände letztlich keine Wahl gehabt. „Er sah keinen Ausweg.“ Seine Verfassung dürfe nicht mit den heutigen Maßstäben beurteilt werden. So sei auch der Dienst in einem vom Staat betriebenen KZ nach der damals noch vorherrschenden Auffassung an sich „kein Verbrechen“ gewesen. Der Befehl dazu sei ihm daher „alternativlos“ erschienen.

Dass D. damals von Möglichkeiten einer Rückversetzung zur Wehrmacht gewusst habe, bezweifelte der Anwalt. Sein Mandant habe sich damals nach Abkommandierung in das Lager in einer ihm völlig unbekannten Situation befunden. Es sei nicht zu erwarten, dass ausgerechnet ein Jugendlicher unter dem Umständen in einem KZ „aus der Reihe tanzt“.

Im Einzelnen sei auch unklar, was sein Mandant genau von den Morden und Bedingungen im Innern des Lagers mitbekommen habe, für das eine gesonderte SS-Einheit zuständig gewesen sei. Es stehe auch insgesamt völlig außer Zweifel, dass die Verbrechen der NS-Zeit „unbegreiflich und unverzeihlich“ seien, sagte Waterkamp. Die Berichte der Opfer vor Gericht hätten alle – auch seinen Mandanten – „schwer erschüttert“.

Verteidiger: Angeklagter wird eine Haftstrafe „vermutlich nicht überleben“

Er forderte einen Freispruch. Hilfsweise sprach er sich für eine Bewährungsstrafe nach Jugendstrafrecht aus, sofern es doch zu einer Verurteilung kommen sollte. Eine Gefängnisstrafe sei mit Blick auf die Schwere der Schuld seines Mandanten nicht angemessen und diesem angesichts seines hohen Alters auch nicht zuzumuten. D. würde eine Haftstrafe „vermutlich nicht überleben“, sagte der Verteidiger. (afp)



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