Angst vor langer Rezession: Unternehmen bunkern 765 Milliarden Euro an Bargeld

Deutsche Unternehmen richten sich auf eine längere Rezession ein. Mit dem Halten eines Rekordwerts an Bargeldbeständen will man sich Liquidität erhalten.
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Im Kampf gegen Geldwäsche will die EU-Kommission nicht nur eine Bargeldobergrenze einführen, sondern auch eine neue Überwachungsbehörde aufbauen.Foto: Silas Stein/dpa/dpa
Von 14. Dezember 2022

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Die Angst vor einer länger andauernden Rezession hat auch Deutschlands große Unternehmen erfasst. Bereits in der Zeit der Corona-Krise hatten sie hohe Bestände an Bargeld und Sichteinlagen gehalten, um sich Liquidität zu sichern. Nun haben sie die Barmittel weiter aufgestockt – um knapp 50 Milliarden auf mittlerweile 765 Milliarden Euro. Dies berichtet das „Handelsblatt“.

Rekordwert an liquiden Mitteln unter den größten Konzernen

Die Zeitung beruft sich auf exklusiv ihr vorliegende Daten der internationalen Kanzlei Freshfields. Diese hatte Statistiken der Bundesbank und der EZB über die Einlagen von mehr als einer Million Unternehmen ausgewertet.

Die Bilanz war eindeutig: Die liquiden Mittel, die deutsche Unternehmen halten, sind auf 20,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Allein auf die 100 größten börsennotierten Unternehmen entfielen 194 Milliarden Euro – ein Plus von 34 Prozent gegenüber der Zeit vor Corona. Unter den Konzernen, die entgegen ihren ursprünglich optimistischeren Prognosen für 2023 aufgestockt haben, sind etwa Infineon oder die Deutsche Post.

Der Trend zur Aufstockung von Barmitteln spiegelt sich in der gesamten Eurozone wider. Kaum hatte sich eine wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Zeit angebahnt, sorgten Ukraine-Krieg und Sanktionen für explodierende Energiepreise. Vor allem in Europa steigt die Sorge um die eigene Strom- und Gasversorgung. Mit 3,35 Billionen Euro an Bargeld und Einlagen wird dort fast das Niveau vom vergangenen August erreicht.

Unternehmen wollen Einnahmenausfälle und Investitionen absichern

Vor diesem Hintergrund befürchten immer mehr Unternehmen, dass sich die Wirtschaftskrise global ausweiten könnte – und schließlich sie selbst treffe. Die hohen Bargeldbestände sollen unter anderem als Notreserve für Krisenfolgen herhalten.

Zugleich sollen sie den Konzernen aber auch die Möglichkeit erhalten, strategische Entscheidungen wie Investitionen oder Übernahmen abzusichern. Es wird immerhin schwieriger und teurer, Kredite zu bekommen, und Banken werfen ein Auge auf die Liquiditätsplanungen von Unternehmen.

Wessel Heukamp von Freshfields erklärt gegenüber dem „Handelsblatt“:

Niemand hat in den letzten Monaten versucht, das Management für zu hohe Cash-Bestände zu kritisieren.“

Investitionen werden wieder stattfinden – viele davon aber in den USA

Zu den Konzernen, die am stärksten ihre Barbestände hochgefahren haben, gehören Wohnbauriese Vonovia und Chemiegröße BASF. Vonovia will sich von Wohnungen im Wert von 13 Milliarden Euro trennen, zugleich hat man die liquiden Bestände seit 2020 von 616 Millionen Euro auf 1,36 Milliarden angehoben. Gleichzeitig schraubte man die veranschlagten Summen für Investitionen und Instandhaltung zurück.

Energieintensive Unternehmen wie BASF oder Evonik wiederum erhöhen die Liquidität zum Teil auch durch die Ausweitung von Bankverbindlichkeiten. BASF begab in den ersten drei Vierteln des Jahres Euro-Anleihen von 3,5 Milliarden Euro und kurzfristige Schuldtitel von einer Milliarde.

In diesem Bereich benötigt man dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zufolge die Barmittel nicht nur zum Abfedern von Einnahmeausfällen und teurer Energie. Der DIHK rechnet damit, dass 40 Prozent der deutschen Unternehmen mit neuen Investitionen die Flucht nach vorn antreten werden. Allerdings würden diese vorwiegend in den USA stattfinden.

Freshfields sieht das ähnlich: Sobald die Planbarkeit zurückkehrt, werde es wieder mehr Transaktionen geben. Cash sei immerhin zur Genüge vorhanden. Ob die Investitionen allerdings in Deutschland und Europa stattfinden werden, bleibt offen.

Unternehmen wollten der Zinswende zuvorkommen

Wer es vertreten konnte, hat sich auch in jüngster Zeit Fremdfinanzierungen gesichert, bevor die Kreditkosten noch weiter ansteigen. Einer Studie der Deutschen Bank zufolge habe sich das Kreditvolumen allein im zweiten Quartal um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erhöht. Vor allem kurzfristige Darlehen waren gefragt.

Viele Unternehmen wollten angesichts der drohenden Krisensituation offenbar noch einmal unaufschiebbare Vorhaben zu tragfähigen Konditionen umsetzen. Der Autor der Studie, Jan Schildbach, erklärt dazu:

Das unterstreicht den großen Schock, den der Ukrainekrieg, die Energiekrise, die ausufernde Inflation, die plötzliche und kräftige Zinswende sowie die allgemeine Furcht vor einer Rezession bei den Unternehmen ausgelöst haben.“

Die Zinswende schlägt sich unterdessen schon auf den Märkten nieder: Zu Beginn des Jahres war ein Kredit in Höhe von zehn Millionen Euro noch für 129.000 Euro Jahreszins zu haben. Im August betrug dieser bereits 197.000 Euro. Mittlerweile ist er bei 286.000 Euro angekommen.

Liquiditätsbeschaffung über neue Aktien ist demgegenüber für kaum jemanden ein Thema – dafür ist laut Experten das Umfeld zu risikoreich.



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