Debatte um jüdisches Leben
Israels Botschafter: Linker Antisemitismus gefährlicher als rechter - Klöckner warnt vor „kulturellem Rabatt“
Bei Judenhass darf es weder Relativierung noch Verständnis geben, erklärt Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. „Wer nach Deutschland kommt, muss diese Haltung akzeptieren und sich daran halten.“ Der israelische Botschafter in Deutschland hält linken Antisemitismus für den gefährlichsten.

Julia Klöckner warnt vor Antisemitismus.
Foto: via dts Nachrichtenagentur
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat sich in die Debatte um Antisemitismus eingeschaltet und klare Anforderungen an Menschen formuliert, die nach Deutschland einwandern. Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, warnt speziell vor linkem Antisemitismus in Deutschland.
Klöckner: „Wir sind das Land des ‚Nie wieder‘“
Deutschland erlebe wachsenden Antisemitismus, rechten, linken und islamistischen, sagte die CDU-Politikerin dem „Tagesspiegel“. Und weiter: „Nie darf aber der Absender darüber entscheiden, wie wir darauf reagieren – es darf hier keine Zurückhaltung, keinen kulturellen Rabatt und erst recht keine Relativierung oder gar Verständnis geben.“
Judenhass dürfe sich in keiner Weise oder Schattierung Bahn brechen. „Wir sind das Land des ‚Nie wieder‘. Wer nach Deutschland kommt, muss diese Haltung akzeptieren und sich daran halten.“
Damit reagiert Klöckner auf Alt-Bundespräsident Joachim Gauck. Der hatte ebenfalls dem „Tagesspiegel“ gesagt, Deutschland habe die Beschäftigung mit Antisemitismus aus dem arabischen Raum lange vernachlässigt.
Debatte um jüdisches Leben und Israelkritik
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte derselben Zeitung dazu: „Antisemitismus zeigt sich heute in vielen Formen – von rechtsextremem Hass über importierten Judenhass aus Teilen der arabischen Welt bis hin zu linken antisemitischen Strömungen, die sich hinter vermeintlicher Israelkritik verstecken. Klar ist: Wer antisemitische Hetze verbreitet, ob hier geboren oder zugewandert, stellt sich klar außerhalb unserer Gemeinschaft.“
Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, hat auf die Mahnung von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck reagiert. Schuster sagte, die Bedrohung durch manche Spielart des Antisemitismus werde unterschätzt. „Gerade seit dem 7. Oktober hat ein islamistisch motivierter Antisemitismus explosionsartig zugenommen. Dieser Antisemitismus bildet eine unheilvolle Allianz mit linkem Antisemitismus, der sich ins Gewand des sogenannten Antizionismus kleidet.“
Dies sei eine „neue und akute Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland“. Die Gesellschaft könne ihr „nur dann wirksam begegnen, wenn sie ihren Blick über die Gefahren des rechten Antisemitismus hinaus weitet“.
Linke kritisiert Gauck
Der Vorsitzende der Linkspartei, Jan van Aken, hat im „Tagesspiegel“ hingegen mahnende Worte an Alt-Bundespräsident Joachim Gauck gerichtet. Van Aken sagte, es sei unerträglich, dass die Zahlen antisemitischer Gewalttaten auf einem hohen Stand verharrten.
„Antisemitismus ist in Deutschland vor allem ein Phänomen der Mehrheitsgesellschaft, die auch in einer jahrhundertealten Tradition steht – der Nationalsozialismus bildete die Spitze des Grauens.“ Van Aken sagte weiter: „Dass über linken Antisemitismus oder Hass aus dem arabischen Raum nun explizit weniger gesprochen wird, kann ich beim Blick in die Zeitungen nicht wirklich erkennen. Wenn es Angriffe auf Jüdinnen und Juden gibt, dann erfährt man das in der Regel über die Presse, egal von wem dies begangen wurde, und das ist auch gut so.“
Er kritisierte Gauck: „Insofern steht es allen, sowohl uns als auch ehemaligen Bundespräsidenten, gut zu Gesicht, den Antisemitismus nicht anderen zuzuschieben, sondern im eigenen Umfeld und im eigenen Dorf kritisch und wachsam zu sein.“ In seiner Partei gibt es derzeit eine scharfe Auseinandersetzung um Israelhass in den eigenen Reihen.
Israels Botschafter: Linker Antisemitismus am gefährlichsten
Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, warnt vor linkem Antisemitismus in Deutschland. Dieser sei gefährlicher als der von rechts und gefährlicher als der islamistische Antisemitismus, „weil er seine Absichten verschleiert“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
In Deutschland wisse man „im politischen und juristischen Bereich sehr gut, wie man den Antisemitismus von rechts bekämpft“. Auch der islamistische Antisemitismus sei brandgefährlich, „weil er die demokratische Ordnung wie ein trojanisches Pferd unterwandert. Damit lernt man jedoch umzugehen.“
Aber der linke Antisemitismus bewege sich „immer an der Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Aufhetzungsfreiheit – und hat diese Grenze inzwischen deutlich überschritten. Deshalb ist der linke Antisemitismus für mich der gefährlichste“, sagte der Botschafter.
Prosor: Räume des Sagbaren verschieben sich
In Europa sehe man das an den Hochschulen und Theatern. „Man gibt sich gebildet, moralisch und politisch korrekt“, sagte Prosor. „Aber die rote Linie dessen, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, ist längst überschritten.“
Tag für Tag werde Israel dämonisiert und delegitimiert, „die Folgen sind für alle Juden spürbar“. Noch sei es ein Skandal, wenn ein israelischer Dirigent von einem Festival in Belgien ausgeladen werde, „doch die Räume des Sagbaren verschieben sich“.
Prosor sagte, Juden in Deutschland hätten Angst. Viele kauften jetzt Wohnungen in Israel, wie es zuvor schon französische Juden gemacht hätten. Er werde angerufen und gefragt, ob es sicher sei, nach Berlin zu kommen. Er antworte dann: „Ja, es ist sicher – geht aber besser nicht mit einem Davidstern die Neuköllner Sonnenallee entlang.“ (dts/dts/red)
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