Die Ruhe vor dem Sturm: Berliner Kliniken bereiten sich auf Versorgung der COVID-19-Patienten vor

Das Berliner Handlungskonzept für die SARS-CoV-2 Pandemie, die im chinesischen Wuhan ihren Anfang nahm, steht. Berlins Kliniken wurden in vier „Level“ eingeteilt. Man bereitet sich auf einen Anstieg der Infizierten vor und erhöht die Anzahl an Intensivbetten und Beatmungsgeräten.
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Die Berliner Charité.Foto: iStock
Von 30. März 2020

In Berlin bereitet man sich auf einen Anstieg der Intensivpatienten mit COVID-19, ausgelöst durch das SARS-CoV-2 Virus aus Wuhan, vor. Ausgangspunkt für die medizinische Organisation in der Hauptstadt ist ein am 20. März beschlossenes Handlungskonzept für die Behandlung der intensivmedizinischen COVID-19-Patienten. Es wird bereits umgesetzt und teilt Berliner Kliniken in vier „Level“ ein. Insgesamt gibt es rund 2.000 Intensivbetten, deren Anzahl gerade weiter aufgestockt wird (aktuell verfügbar für COVID-19-Patienten sind 633 und 84 sind belegt).

„Level 1“ und damit an der Spitze steht das intensivmedizinische Team des ARDS/ECMO Zentrum der Charité. Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung bei Lungenversagen ist es die zentrale Aufnahmestelle für die besonders schweren Fälle. Gleichzeitig übernimmt es die Gesamtkoordination der Kliniken, die Teil des Handlungskonzeptes zu COVID-19 sind und die Beratung für all diese Kliniken, berichtet die „Berliner Zeitung“.

Aktuell werden hier drei Patienten intensivmedizinisch betreut. ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) ist dabei ein spezielles Verfahren, das Ärzte praktisch als „letztes Mittel“ dort einsetzen können, wenn die Lunge versagen sollte. Bei diesem Verfahren „befüllt“ man das Blut des Patienten außerhalb des Körpers mit Sauerstoff und leitet es wieder in den Körper zurück.

16 Berliner Kliniken bilden „Level 2“

„Level 2“ bilden 16 auf ganz Berlin verteilte Kliniken, die erfahren darin sind, Patienten mit schwerem Lungenversagen zu behandeln. Das sind diese folgenden Kliniken:

• Caritas-Klinik Maria Heimsuchung in Pankow
• DRK-Kliniken in Köpenick und in Westend
• Evangelische Waldkrankenhaus Spandau
• Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe
• Helios Klinikum in Buch
• Martin-Luther-Krankenhaus in Schöneberg
• Sana Klinikum Lichtenberg
• Sankt Gertrauden Krankenhaus in Wilmersdorf
• St. Joseph in Tempelhof
• Unfallkrankenhaus in Marzahn
• Dazu kommen die Vivantes-Krankenhäuser Auguste-Viktoria in Schöneberg, das Humboldt-Klinikum in Reinickendorf sowie die Krankenhäuser im Friedrichshain, in Neukölln und in Spandau.

In diesen Kliniken sollen alle intensivpflichtigen COVID-19-Patienten behandelt werden, bis auf die besonders schweren Fälle. Sollte die Kapazitäten der „Level-2-Kliniken“ nicht reichen, werden zunächst weitere Intensivbetten für die COVID-19-Versorgung dort eingerichtet.

Medizinerin: „Es muss auch Bereiche geben, die frei von COVID-19-Patienten sind“

Wenn auch das nicht ausreicht, ist in einer weiteren Eskalationsstufe vorgesehen, bis zu 60 Prozent der Intensivbetten der „Level-3-Kliniken“ für schwere COVID-19-Patienten zu nutzen. „Level-3-Kliniken“ sind dann die Intensivstationen der restlichen Krankenhäuser, vorrangig die Notfallkrankenhäuser.

Im Normalfall sollen sie aber die intensivmedizinische Versorgung all jener Patienten übernehmen, die nicht an COVID-19 erkrankt sind. Denn es sei wichtig, dass es auch Bereiche gäbe, die frei von COVID-19-Fällen wären, so Claudia Spies, Direktorin der Charité-Klinik im Bereich Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, zur „Berliner Zeitung“. Denn auch Patienten mit Unfallverletzungen, Herzinfarkten, Schlaganfällen, Krebserkrankungen und anderen akuten und bedrohlichen Leiden müssen weiterhin versorgt werden, so Claudia Spies.

Doch sollte sich die Pandemie ähnlich entwickeln wie in Italien, dann könnte der Fall leicht eintreten, dass auch die „Level-3-Kliniken“ aushelfen müssen.

Auf der letzten Stufe, dem „Level 4“, würden dann alle 60 Berliner Krankenhäuser mit Bereichen außerhalb der Intensivstationen durch COVID-19-Patienten genutzt werden. Schließlich bleibt dann, wenn auch diese Kapazitäten ausgeschöpft sind, das „Überlauf“-Krankenhaus, das auf dem Berliner Messegelände entstehen soll.

Fünf bis sieben Prozent benötigen Betreuung auf Intensivstation

Dabei gehen die Mediziner aktuell davon aus, dass fünf bis sieben Prozent der nachweislich Infizierten so schwer erkranken, dass sie eine intensivmedizinische Betreuung benötigen. Bei ihnen besteht dann eine Sterberate von 50 Prozent. Rund die Hälfte der intensivmedizinisch Behandelten benötigt in der Regel eine künstliche Beatmung, manche davon die aufwendige ECMO-Therapie.

Nach den jetzigen Erfahrungen sterben die sehr schwer Erkrankten innerhalb der ersten 14 Tage. Bei den übrigen zieht sich die Behandlung vier bis sechs Wochen hin. Das bedeutet, so lange ist das Intensivbett belegt.

Darum rechnet die Medizinerin mit einer immensen Belastung der Berliner Kliniken in den nächsten acht Wochen. Die Patienten treffen zudem mit einer Verzögerung durch die Inkubationszeit ein. Sie ist besorgt um die Gesundheit des medizinischen Personals. In Italien wären rund 30 Prozent der Ärzte und Pflegekräfte selbst erkrankt, erklärte sie der „Berliner Zeitung“.

Im Gespräch ist, in einem solchen Fall die Anästhesisten und das OP-Pflegepersonal von abgesagten OP´s einzubeziehen, ebenso wie auch ihre niedergelassenen Kollegen. Zudem könnten Medizinstudenten außerhalb der Intensivstationen aushelfen, damit die Fachkräfte sich auf die intensivmedizinisch zu betreuenden COVID-19-Patienten konzentrieren können.

10.000 Coronavirus-Testungen pro Tag geplant

Problematisch könnte es bei weiter steigenden Fallzahlen auch im Bereich der Diagnostik werden. Noch immer wäre die Zeit zwischen der Entnahme eines Tests und dem Ergebnis zu lang, sagen die Fachleute. Durch größere Laborkapazitäten und eine stärkere Prioritätensetzung bei den Befunden will man Abhilfe schaffen. So kündigte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) vergangene Woche an, die Laborkapazitäten von derzeit 2.000 Testungen pro Tag auf 10.000 auszuweiten.

Um schwere Lungenversagen gut behandeln zu können, sei eigentlich auch jahrelange Erfahrung notwendig, bestätigt Claudia Spies als Lungenexpertin der Charité. Um das nötige Wissen gut weitergeben zu können, möchte man sich daher per Telemedizin aus dem ARDS/ECMO-Zentrum mit den medizinischen Teams in den anderen Kliniken verbinden und sie beraten.

Das heißt, die anderen Kliniken geben den Spezialisten vom ARDS/ECMO-Zentrum über mobile Kameras, die am Patienten-Bett befestigt sind, Einblicke auf Vitalfunktionswerte wie Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung sowie auf die Beatmungsgeräte der Patienten. Darüber können sie sich mit anderen Ärzten beraten.

2.462 Menschen in der Hauptstadt mit SARS-CoV-2 infiziert

Aktuell befinden sich in Berlin 70 Menschen in intensivmedizinischer Behandlung. Elf sind bereits verstorben. Insgesamt sind 2.462 Menschen in der Hauptstadt mit SARS-CoV-2 infiziert. 312 von ihnen sind auf ausgewählte Krankenhäuser verteilt. Dort werden sie isoliert stationär behandelt (Stand: 30. März 2020).

Kürzlich eröffnete die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), das Robert Koch-Institut (RKI) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) gemeinsam das DIVI Intensivregister.

Diese Webseite gibt Auskunft über die deutschlandweit freien Beatmungsplätze in allen Kliniken Deutschlands, die registriert sind und somit abgefragt werden können. Es soll helfen, die Ressourcen gut zu nutzen und für Mediziner eine Hilfestellung sein, bei akuten Fragestellungen einen Ansprechpartner an größeren Kliniken zu finden.

Das Angebot richtet sich dabei besonders an die kleineren Kliniken, die seltener beatmungspflichtige Patienten behandeln. Telefonnummer und Ansprechpartner sind in einem zweiten Teil des Registers hinterlegt, für den sich die Kliniken einloggen müssen.



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