BGH: Häusliches Musizieren muss in gewissem Maß von Nachbarn hingenommen werden

Berufs- und Hobbymusiker dürfen mehrere Stunden pro Woche in ihren eigenen vier Wänden üben. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Nachbarschaftsstreit über das Trompetenspiel eines Berufsmusikers.
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Trompetenspieler.Foto: istock
Epoch Times26. Oktober 2018

Berufs- und Hobbymusiker dürfen mehrere Stunden pro Woche in ihren eigenen vier Wänden üben. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am Freitag in einem Nachbarschaftsstreit über das Trompetenspiel eines Berufsmusikers, dass dabei als „grobe Richtwerte“ bis zu drei Stunden werktags und bis zu zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen gelten können. Über den konkreten Fall muss das Landgericht Augsburg erneut entscheiden, weil der BGH dessen Vorgaben als zu streng ansah. (Az. V ZR 143/17)

Das „häusliche Musizieren“ gehöre zu den „sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung“ und müsse in gewissen Grenzen hingenommen werden, begründeten die Bundesrichter ihre Entscheidung. Zugleich muss aber nach ihrer Ansicht ein Ausgleich mit dem Ruhebedürfnis der Nachbarn gefunden werden, weshalb eine „ausgewogene zeitliche Begrenzung“ erforderlich sei.

Diese muss zwar im Einzelfall festgelegt werden. Als wie laut und störend Musik eingestuft wird, muss sich laut BGH aber am Empfinden eines „Durchschnittsmenschen“ orientieren. Dieser werde als ein „verständiger, toleranter Bewohner“ definiert, sagte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann. Als „groben Richtwert“ gab der zuständige BGH-Zivilsenat eine Beschränkung auf zwei bis drei Stunden an Werktagen sowie von einer bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen vor. Dabei müssen demnach zudem Ruhezeiten zur Mittagszeit und in der Nacht beachtet werden.

Der zuständige BGH-Zivilsenat machte zugleich deutlich, dass bei einer Entscheidung im Einzelfall die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden müssten. Dabei kann dann unter anderem eine Rolle spielen, ob das Musizieren in bestimmten Räumen des Hauses von den Nachbarn weniger oder gar nicht zu hören ist. Auch die Art des Musizierens muss laut BGH im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.

In dem konkreten Fall hatten die Nachbarn gegen das Trompetenspiel eines Berufsmusikers in seinem Reihenhaus geklagt. Sie wollten erreichen, dass die Musik in ihrem Haus nicht mehr zu hören ist. Das Amtsgericht Augsburg gab diesem Antrag in erster Instanz statt.

Das Landgericht Augsburg änderte das Urteil im Berufungsverfahren ab und machte dem Mann stattdessen verschiedene Vorgaben. Diese sahen unter anderem vor, dass er in dem von ihm eingerichteten Probenraum im Dachgeschoss maximal zehn Stunden pro Woche werktags zwischen 10.00 und 12.00 Uhr sowie zwischen 15.00 und 19.00 Uhr spielen darf. Dazu soll er an acht Wochenenden im Jahr jeweils höchstens eine Stunde üben. Zudem sollte ihm untersagt werden, Musikunterricht zu geben.

Gegen diese Entscheidung legten beide Seiten Revision ein. Der Bundesgerichtshof verwies den Fall nun zur erneuten Entscheidung zurück an das Landgericht. Das Gericht habe einen „zu strengen Maßstab“ angelegt. Dies gilt demnach nicht nur für die zeitliche Beschränkung und die Vorgabe, nur im Dachgeschoss zu üben, sondern auch für das strikte Verbot des Musikunterrichts.

Es müsse auch erneut geprüft werden, in welchem Umfang der Musiker in seinem Haus unterrichten könne. Die Bundesrichter machten zudem deutlich, dass die von ihnen vorgegebenen Maßstäbe für Hobby- und Berufsmusiker gleichermaßen gälten. (afp)



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