Bis zu 100 Milliarden Euro: Brückensanierung in Deutschland völlig unterschätzt
Viele Brücken in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Die Lage ist dramatischer als angenommen, warnt der Dachverband T&E. Fast jede 4. Brücke im Bundesfernstraßennetz muss ersetzt werden.
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Die zum Teil eingestürzte Carolabrücke in Dresden am am 11. September 2024. Ein etwa 100 Meter langes Teilstück der Carolabrücke, die die historische Altstadt Dresdens mit anderen Teilen der Stadt verbindet, stürzte aufgrund ihres maroden Zustandes in die Elbe.
Einer Erhebung zeigt, dass der Sanierungsstau maroder Brücken in Deutschland deutlich unterschätzt wird. Laut der Organisation Transport & Environment (T&E) sind rund 16.000 Brücken in Bundeshand baufällig. Verzögert sich die Sanierung, steigt die Anfälligkeit für Verschleiß, was mittelfristig zu noch höheren Kosten führt – so der Bericht.
T&E schätzt, dass auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene bis zu 100 Milliarden Euro in den Ersatzneubau von Brücken fließen müssen. T&E ist ein europäischer Dachverband nicht-staatlicher Organisationen, die sich nach eigenen Angaben für nachhaltigen Verkehr einsetzen.
Beispiele: Ringbahn- und Carolabrücke
Die überalterte Infrastruktur führt bereits zu kurzfristigen Sperrungen. Jüngstes Beispiel ist die Ringbahnbrücke auf der A100 im Westen Berlins. Seit Mitte März ist sie gesperrt, weil ein Riss im Tragwerk wuchs.
Derzeit wird das Bauwerk von 1963 abgerissen, ein Neubau ist geplant. Wann dieser fertig ist, bleibt unklar. Die Ringbahnbrücke ist Teil des wichtigen Verkehrsknotens Autobahndreieck Funkturm.
Luftaufnahme der Baustelle der Ringbahnbrücke der A100 im Berliner Westen. Der Abriss der maroden Ringbahnbrücke hat am Wochenende begonnen.
Foto: Hannes P. Albert/dpa
Auf kommunaler Ebene ist die Carolabrücke in Dresden ein prominenter Fall. Die Brücke stürzte im September 2024 teilweise in die Elbe.
„Dass viele Brücken im deutschen Straßennetz in einem schlechten Zustand sind, war schon lange absehbar“, schreibt T&E in dem Bericht. „Viele Brücken, oft in den 1970er-Jahren gebaut, sind ursprünglich auf eine geringere Belastung ausgelegt worden.“
T&E kritisiert, dass das Verkehrsministerium in seinem Brückenmodernisierungsprogramm von 2022 nicht das gesamte Autobahnnetz berücksichtigt.
Laut dem Ministerium sind in zehn Jahren 4.000 Brücken im Kernnetz stark belasteter Autobahnen zu sanieren. Langfristig folgen weitere 4.000 Autobahnbrücken.
Vor allem in Stadtstaaten sind Brücken in schlechtem Zustand
T&E nennt deutlich höhere Zahlen: „Insgesamt müssen 5.905 Brücken, 24 Prozent der Brückenfläche im Bundesfernstraßennetz, ersetzt werden. Weitere 10.240 Brücken sind so stark belastet, dass wahrscheinlich ein Ersatzneubau nötig ist, eventuell kann allerdings auch durch Verstärkung Abhilfe geschaffen werden.“
Dabei sei der Zustand der Brücken nicht überall gleich schlecht. Dazu schreibt T&E:
„Besonders betroffen sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, in denen viele Brücken deutlich über ihre ursprüngliche Auslegung belastet sind.“
In Nordrhein-Westfalen ist der Anteil der neu zu bauenden Brückenfläche doppelt so hoch wie in Bayern. Ostdeutsche Bundesstaaten errichteten viele Brücken in den 90er-Jahren und legten diese gleich auf höhere Verkehrslasten aus.
„Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken“
„Wir wissen eigentlich genau, welche Brücke schnell saniert werden muss“, sagte Benedikt Heyl von T&E Deutschland.
„Doch das Verkehrsministerium hinkt den Notwendigkeiten so weit hinterher, dass die Autobahn GmbH inzwischen eine Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken durchführt. Das ist absurd und teuer, denn jede verschleppte Sanierung kostet in Zukunft noch viel mehr.“
T&E fordert von der künftigen Bundesregierung, Sanierung und Instandhaltung vor dem Bau neuer Autobahnen und Bundesstraßen zu priorisieren.
Zudem sollten Bund und Länder den Kommunen mehr Geld für die Infrastruktur geben. Grundlage der T&E-Berechnungen sind unter anderem Daten der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen. (dpa/red)
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