Bischof Meier: „CSU soll sich für Muslime öffnen“ – Söder will Wallerstein-Affäre aufarbeiten

In Wallerstein hat ein Shitstorm einen türkischstämmigen CSU-Bürgermeisterkandidaten zum Rückzug gedrängt, in Neufahrn wird ein anderer kandidieren. Die Politik der CSU gegenüber der Türkei und türkischen Einwanderern zeigt sich schon seit Jahrzehnten ambivalent.
Titelbild
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.Foto: Sven Hoppe/dpa
Von 11. Februar 2020

Am 15. März werden im Bayern die Kommunalparlamente sowie zahlreiche Bürgermeister und Landräte neu gewählt. In der Christlich-Sozialen Union (CSU) haben zwei Mitglieder mit türkischem Migrationshintergrund, die ihre Bereitschaft zur Kandidatur als Bürgermeister ihrer Heimatgemeinden zum Ausdruck gebracht hatten, für heftige Diskussionen gesorgt.

Während in Wallerstein (Kreis Donau-Ries) der ortsansässige Unternehmer Sener Sahin nach Anfeindungen aus den eigenen Reihen seine vom Ortsvorstand bereits gebilligte Kandidatur zurückzog, wird sich in Neufahrn (Oberbayern) der aus der alevitischen Community stammende 32-jährige Ozan Iyibas auf dem Ticket der CSU um das Amt als Gemeindeoberhaupt bewerben.

In einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ hat sich am Samstag (8.2.) nun auch der ernannte Bischof der Diözese Augsburg, Bertram Meier, dafür ausgesprochen, dass die CSU interessierten muslimischen Bürger des Landes mehr als bisher ermöglicht, politische Verantwortung zu übernehmen. Auf diese Weise könne man auch der Entstehung muslimischer Parteien entgegenwirken.

Einwanderermilieus in Bewegung

„Es müssen sich nicht alle taufen lassen, wenn sie christliche Werte gutheißen“, erklärte Meier und fügte hinzu: „Mir ist eine Öffnung der C-Partei auch für Muslime lieber und es ist auch besser für die Integration. […] Mir ist es wichtig, wenn jemand in einer C-Partei ist, dass er dann auch versucht, die mit dem C verbundenen Werte zu akzeptieren und auch in seinem politischen Handeln voranzubringen.“

Amtlichen Einschätzungen zufolge lebten Ende 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime in Deutschland, das sind etwas mehr als 5,5 Prozent der Bevölkerung. Bedingt durch die Zuwanderung der vergangenen Jahre könnte der Anteil mittlerweile noch etwas darüber liegen. Rund 1,5 Millionen davon sind in Deutschland wahlberechtigt.

In den vergangenen Jahrzehnten seit Beginn der Arbeitsmigration nach Deutschland neigte eine Mehrheit von ihnen bei Wahlen SPD und Grünen zu. Abseits einzelner Wahllokale spielen bereits bestehende muslimisch dominierte Einwandererparteien wie BIG oder ADD bislang keine Rolle. Jüngsten Studien zufolge sei jedoch unter türkischstämmigen Einwanderern und Muslimen zuletzt eine zunehmende Wanderungsbewegung in Richtung der Unionsparteien erfolgt.

Strauß empfing Gründer der „Grauen Wölfe“

Das Verhältnis der Unionsparteien und insbesondere der bayerischen CSU zu muslimischen Einwanderern und deren Herkunftsländern war in der Vergangenheit ambivalent und ist es im Kern bis heute. Auf der einen Seite hatte man ein Interesse, das eigene christlich-konservative Profil zu erhalten und sich als einwanderungs- und teilweise islamkritisch zu profilieren. Andererseits wollte man Pragmatismus an den Tag legen und das muslimische Wählerpotenzial nicht von vornherein den Linksparteien überlassen.

In der Zeit des Kalten Krieges empfing der wenig später zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählte Langzeitvorsitzende der CSU, Franz Josef Strauß, 1978 den Führer der ultranationalistischen türkischen Partei MHP und Gründer der militanten „Grauen Wölfe“, Alparslan Türkes. Bei dem Treffen soll es nicht nur um einen Austausch im Zeichen des Antikommunismus auf internationaler Ebene gegangen sein. Strauß soll auch seine Bereitschaft signalisiert haben, der MHP eine ungehinderte Agitation unter türkischen Einwanderern in Deutschland zu ermöglichen. Auf diese Weise wollte er linken Bestrebungen unter Ausländern mit Türkeibezug gegensteuern.

Im Laufe der 1990er Jahre fuhr die CSU-Führung mit Blick auf die Türkei und türkische Einwanderer eine Doppelstrategie. Ministerpräsident und Parteichef Edmund Stoiber stand für eine restriktive Politik in Fragen von Einwanderung und Staatsbürgerschaft, forderte Assimilation und lehnte einen EU-Beitritt der Türkei ab.

Hingegen galt dessen Innenminister und spätere Ministerpräsident Günther Beckstein als Verfechter einer empathischen Politik in diesen Bereichen. Im Jahr 2019 erhielt er sogar den Deutsch-Türkischen Freundschaftspreis.

In Parteizeitung Gülen-Bewegung kritisiert – in deren Zentrum Dialogpreis überreicht

In der parteinahen Zeitung „Bayernkurier“ kamen über die Jahre hinweg immer wieder islamkritische Persönlichkeiten zu Wort oder wurden in positiver Weise erwähnt – insbesondere säkularistisch gesinnte Exponenten der Einwanderercommunity. Während jedoch beispielsweise die alevitische Aktivistin Serap Cileli 2010 und der Soziologe Aydin Findikci 2013 in dem Parteiblatt explizit vor den Bildungs- und Dialogaktivitäten der Hizmet- oder Gülen-Bewegung warnten und diese in die Nähe eines radikalen Islam rückten, überreichte 2016 der heutige CSU-Generalsekretär Markus Blume im Gülen-nahen „Interkulturellen Dialogzentrum e.V.“ (IDIZEM) in München persönlich einen Dialogpreis.

Der derzeitige CSU-Chef Markus Söder hatte 2012 in einer Rede in Nürnberg geäußert, der Islam sei „ein Bestandteil Bayerns“, allerdings sei er, so schränkte er 2018 im „Spiegel“ ein, „nicht identitätsstiftend und kulturprägend für unser Land, selbst wenn er Realität in vielen deutschen Städten ist“.

Im Gespräch mit der „taz“ kritisierte der nunmehrige Neufahrner CSU-Bürgermeisterkandidat Ozan Iyibas bereits im Januar den Umgang mit seinem Wallersteiner Parteifreund Sener Sahin. Viele in der CSU seien zwar offen gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte, auch solchen türkischer Herkunft, allerdings steige der Gegenwind mit der Bedeutung der angestrebten Ämter.

„Türken können nicht nur fürs Plakatekleben gut sein“

Für Iyibas ein Irrweg:

Das können wir uns nicht leisten. Sonst vergraulen wir die Engagierten in den Orts- und Kreisverbänden – nach dem Motto: Du bist gut fürs Plakatekleben, aber wenn es um die Aufgaben geht, wo man gestalten kann, dann brauchen wir den Türken nicht.“

CSU-Chef Markus Söder soll, wie die „Islamische Zeitung“ berichtet, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk am 6. Januar am Rande der CSU-Klausurtagung im oberbayerischen Seeon geäußert haben: „Wer sich zu den Grundsätzen der CSU bekannt hat, der sollte auch ein guter Kandidat sein.“ Söder habe zudem CSU-Generalsekretär Markus Blume beauftragt, den Vorgang aufzuarbeiten.

Auch der Ehrenvorsitzende der CSU, Theo Waigel, habe seine Missbilligung des Umgangs mit Sahin zum Ausdruck gebracht.




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