Bremen-Wahl deutet SPD-Crash an – Stehen Grüne vor Gewissensfrage?

Die SPD hat Prognosen zufolge ihre seit mehr als 70 Jahren währende Vorherrschaft in Bremen verloren. Bei der Bürgerschaftswahl wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Bundeslands die CDU stärkste Kraft.
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Die Bremer Stadtmusikanten.Foto: iStock
Epoch Times26. Mai 2019

Das vorläufige amtliche Endergebnis wird erst am Mittwoch veröffentlicht und wegen des vergleichsweise komplizierten Wahlsystems in Bremen dauert es einige Zeit, bis verlässliche Zahlen vorliegen, aber: Die SPD hat Prognosen zufolge jetzt schon ihre jahrzehntelange Vorherrschaft in Bremen verloren.

Liefen SPD-Wähler in alle Richtungen davon?

Nach Prognosen von Infratest Dimap für die ARD und der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF wurde bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag zum ersten Mal in der Geschichte des Bundeslandes die CDU stärkste Kraft. Auch die Grünen und Linken konnten klar zulegen.

Während die SPD um ihren Bürgermeister Carsten Sieling laut den Erhebungen beider Sender um 8,3 Prozentpunkte gegenüber 2015 abstürzte und nun nur noch auf 24,5 Prozent kommen soll, legen die Christdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Carsten Meyer-Heder laut der ARD-Prognose deutlich zu und heimsten 25,5 Prozent der Stimmen ein. Die ZDF-Prognose ging sogar von 26,5 Prozent aus. 2015 lag die CDU bei 22,4 Prozent.

CDU sieht Regierungsauftrag der Wähler

Meyer-Heder sagte am Sonntag in der ARD, die CDU habe von den Wählern den Auftrag zum Regieren erhalten. „Wir wollen den Bürgermeister stellen.“ Seine Partei werde „mit jedem reden und sondieren“.

Für den SPD-Bürgermeister offenbar kein Grund zur Sorge: „Das ist noch lange kein Ergebnis“, kommentierte Sieling die Prognosen und hofft auf eine Verbesserung der Zahlen. Für alle Fälle: Für das schwache Abschneiden seiner Partei hat Sieling schon einen Schwarzen Peter: die Bundespolitik.

Für die Bremer SPD-Chefin Sascha Aulepp zählt allerdings wohl nur das Endergebnis. Trotz des schlechtesten Ergebnisses der Geschichte sieht Aulepp den Abstand zur CDU als „Schlagdistanz“. Es bleibe ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“.

Die Grünen verbessern sich den Prognosen zufolge von 15,1 auf 18 Prozent (ARD) oder 18,5 Prozent (ZDF), die Linke legt von 9,35 auf zwölf Prozent zu. Die FDP erreicht sechs Prozent (2015: 6,6 Prozent). Für die AfD ergibt die ARD-Prognose sieben Prozent, beim ZDF sind es nur fünf Prozent. Die Partei erreichte in der Bürgerschaftswahl 2015 gerade einmal 5,5 Prozent. Die örtliche rechtspopulistische Partei Bürger in Wut (BIW) erreicht 2,5 Prozent (ZDF) bis 2,8 Prozent (ARD). 2015 waren es noch 3,2 Prozent.

Derzeitige Sitzeverteilung

Für die 84 Sitze zählende Bremische Bürgerschaft bedeutet dies, dass die CDU mit 23 bis 25 Mandaten rechnen kann. Für die SPD sind es 22 bis 23, für die Grünen 17 und für die Linke zehn bis elf. Die FDP kann voraussichtlich fünf bis sechs Abgeordnete entsenden, die AfD zwischen einem und sechs.

Für die BIW reicht es den Prognosen zufolge für einen Sitz, obwohl sie bremenweit die Fünfprozenthürde nicht erreicht. Hintergrund ist, dass ein Überspringen der Fünfprozentmarke auch allein in Bremerhaven für einen Sitz in der Bürgerschaft ausreicht.

SPD: keine große Koalition

Eine Mehrheit von mindestens 43 Sitzen erreicht den Prognosen zufolge keine Zweierkonstellation außer Schwarz-Rot. Allerdings schloss Sieling im Vorfeld eine große Koalition aus. Mögliche Dreierkonstellationen wären laut den Prognosen Rot-Rot-Grün, Rot-Gelb-Grün und Schwarz-Gelb-Grün.

Linken-Spitzenkandidatin und -Fraktionschefin Kristina Vogt kündigte bereits Gespräche mit SPD und Grünen an. Es gebe „deutliche Übereinstimmungen“.

Kommt die Gewissensfrage für die Grünen?

FDP-Landesparteichef Hauke Hilz urteilte, es „ächzt und lechzt nach einem Politikwechsel“ in Bremen. Wenn die CDU auf seine Partei zukomme, werde die FDP „auch zuhören“. Die FDP-Spitzenkandidatin Lencke Steiner sagte, Bremen habe nun „etwas Besseres verdient“.

Möglicherweise spielen die Grünen bald das Zünglein an der Waage und kommen zu ihrer Gewissensfrage: Entscheiden sie sich für Doppel-Rot oder dagegen?

Die Wahlbeteiligung fiel offenbar weit höher aus als vor vier Jahren. Die ZDF-Prognose ergab 62 Prozent, die der ARD sogar 66 Prozent. Vor vier Jahren hatten lediglich 50,2 Prozent der Bremer an der Bürgerschaftswahl teilgenommen. (afp/sm)



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