Fonds für Opfer sexuellen Missbrauchs: Bundesländer wollen nicht mehr einzahlen

Der Fond war 2010 eingerichtet worden, um erwachsene Opfer sexuellen Missbrauchs mit Therapie-Angeboten zu helfen, die auf andere Weise keine Hilfe erhalten. Doch außer Bayern und Mecklenburg-Vorpommern will jetzt kein Bundesland mehr einzahlen. Ein DPA-Bericht.
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Der Missbrauchsbeauftragte des Bundes, Johannes-Wilhelm Rörig.Foto: Hannibal/Archiv/dpa
Epoch Times17. Mai 2016

Der Hilfsfonds für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien steht drei Jahre nach dem Start vor einer ungewissen Finanzierung.

Der mit rund 58 Millionen Euro gefüllte Fonds für zusätzliche Therapien und andere Hilfen sei fast leer, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, der Deutschen Presse-Agentur. Bis April hätten mehr als 5000 Menschen, die in Kindheit und Jugend sexuelle Gewalt in ihrer Familie erfuhren, Anträge gestellt.

Außer Bayern und Mecklenburg-Vorpommern weigern sich die Bundesländer, in den Fonds einzuzahlen. Der Bund hat einen Beitrag von 50 Millionen Euro geleistet. Ursprünglich hatte die Politik nach dem Aufdecken großer Missbrauchsskandale 2010 in Deutschland 100 Millionen Euro für diese Opferhilfe zugesagt.

Der Fonds war ein Ergebnis des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“, der als Reaktion auf die Missbrauchsskandale an kirchlichen und staatlichen Schulen sowie anderen Einrichtungen Empfehlungen abgab. Die meisten Missbrauchsfälle ereignen sich innerhalb von Familien.

Der Fonds unterstützt Erwachsene, die noch immer unter sexuellen Übergriffen in Kindheit und Jugend leiden, aber bei ihrer Krankenkasse keinen Anspruch auf passende Therapien oder Lebenshilfen haben. Pro Person wird dabei mit bis zu 10 000 Euro kalkuliert. Die Antragsfrist wurde im April verlängert. Allein im vierten Quartal 2015 stellten rund 500 Betroffene einen Antrag, danach stiegen die Zahlen nach bisheriger Schätzung noch weiter an.

Das Bundesfamilienministerium zeigt sich weniger pessimistisch als der Missbrauchsbeauftragte. „Wir gehen davon aus, dass wir die Anträge mit der bestehenden finanziellen Ausstattung weitgehend bewältigen können“, sagte ein Sprecher von Ministerin Manuela Schwesig (SPD). Falls die Summe wider Erwarten nicht ausreichen sollte, werde man gemeinsam mit dem Parlament über die weitere Finanzierung nachdenken müssen. Von 14 Bundesländern fehle nach wie vor jede Bereitschaft zur Beteiligung.

Von 2010 bis Mai 2015 riefen 56 000 Betroffene beim Hilfetelefon des Bundesbeauftragten Rörig an, fast 6000 schrieben Briefe. Der Beratungsbedarf blieb damit konstant hoch. Noch immer fehlt es an Beratungsstellen, insbesondere für Männer, und an Therapieplätzen. Auch die langen Bearbeitungszeiten von Anträgen an den Fonds – zur Zeit rund ein Jahr – sind für viele Betroffene schwer nachvollziehbar.

Mehr als eine Million Menschen in Deutschland haben nach Schätzungen sexuellen Missbrauch erlebt. „Der Haupttatort bleibt die Familie“, sagt Rörig. „Aber es gibt jetzt auch viele Taten unter Gleichaltrigen – und steigende Fallzahlen durch Chat-Bekanntschaften in den digitalen Medien.“



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