CDU und CSU bereiten Koalitionsverhandlungen mit SPD vor

Der designierte thüringische SPD-Chef Wolfgang Tiefensee hat Parteichef Martin Schulz zum Verzicht auf ein Ministeramt in einer möglichen Großen Koalition aufgefordert. Unionsfraktionschef Volker Kauder attestiert Kanzlerin Merkel eine "ungebrochene Autorität".
Epoch Times23. Januar 2018

+++ Newsticker +++

Die Verhandlungsteams von CDU und CSU sind in Berlin zusammengekommen, um in einer gemeinsamen Sitzung die Koalitionsverhandlungen mit der SPD vorzubereiten. Die beiden Parteivorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer, hatten sich gut eine halbe Stunde zuvor zu Vorgespräch getroffen. Schon am Vormittag beriet die 15-köpfige Gruppe der CSU-Unterhändler in der CDU-Zentrale gesondert. Bei den Gesprächen dürfte es um den Fahrplan der Verhandlungen mit den Sozialdemokraten und die Aufstellung möglicher inhaltlicher Arbeitsgruppen gehen

Deutsche erwartet von GroKo Vorteil für die Union

Die Mehrheit der Deutschen rechnet einer aktuellen Umfrage zufolge damit, dass von der geplanten großen Koalition die Union eher einen Vorteil hat als die SPD. In einer von der „Bild“-Zeitung am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa gaben 53 Prozent der Befragten an, sie rechneten mit einem Nutzen für die CDU. Bei der CSU waren es 42 Prozent, bei der SPD hingegen nur 26 Prozent.

30 Prozent rechnen mit einem Nutzen für die AfD, 17 Prozent für die FDP, und jeweils 16 Prozent für Linke und Grüne. Die Wähler der SPD sind in dieser Frage gespalten: 42 Prozent rechnen damit, dass die „GroKo“-Entscheidung den Sozialdemokraten nutzt, 34 Prozent rechnen damit, dass sie der Partei schadet.

Der Umfrage zufolge befürwortet jeder Dritte (32 Prozent) die Bildung einer großen Koalition. Nicht einmal jedem Sechsten (15 Prozent) wäre ein Jamaika-Bündnis lieber gewesen. 17 Prozent hätten sich eine Minderheitsregierung gewünscht, weitere 27 Prozent sind demnach für Neuwahlen.

Im aktuellen Insa-Meinungstrend, der nach der Entscheidung des SPD-Bundesparteitages für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU erhoben wurde, verschlechtert sich die SPD im Vergleich zur Vorwoche um einen halben Punkt auf 18 Prozent. Die Union kommt auf 31,5 Prozent, die AfD auf 14 Prozent und die Grünen auf zehn Prozent. Die drei Parteien halten damit ihre Werte von der Vorwoche. Die FDP verbessert sich um einen halben Punkt auf zehn Prozent. Die Linke gibt einen halben Punkt ab und kommt auf elf Prozent. Für die Umfrage wurden am Montag insgesamt 1169 Bürger befragt.

CDU-Wirtschaftsrat zweifelt an Haltbarkeit einer GroKo

Der Wirtschaftsrat der CDU hat starke Zweifel an der Haltbarkeit einer Großen Koalition geäußert.

Er zweifle daran, dass „eine Regierung mit einem so labilen Partner wie der SPD über eine Legislaturperiode haltbar ist“, sagte Verbandspräsident Werner Bahlsen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstagsausgabe). Eine Minderheitsregierung sei „eine klarere und bessere Alternative“ für die Union.

Vor Beginn der Verhandlungen über eine neue Große Koalition äußerte sich Bahlsen skeptisch, ob „die Union die SPD-Spitze überhaupt noch beim Wort nehmen kann“. Für den Wirtschaftsrat sei klar, dass es keinen Verhandlungsspielraum mit der SPD mehr gebe.

SPD-Verbände registrieren nach Parteitag vermehrt Eintritte

Nach dem knappen Parteitagsvotum für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen registriert die SPD in vielen Ländern vermehrt Eintritte neuer Mitglieder. In Bayern und Berlin schnellte die Zahl geradezu in die Höhe.

In Bayern gab es im Laufe des Montags allein online 100 Neueintritte, in Berlin wurden 70 Aufnahmeanträge gestellt, wie Sprecher beider Landesverbände sagten. Hintergrund könnte der recht knappe Ausgang der Parteitagsabstimmung mit nur 56,4 Prozent Ja-Stimmen sein. Denn nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen gibt es eine weitere Abstimmung über das Ergebnis: Dann entscheiden alle mehr als 440 000 SPD-Mitglieder. Jusos und andere GroKo-Gegner haben bereits dazu aufgerufen, in die Partei einzutreten und dann mit Nein zu stimmen. In Berlin vermutete eine Sprecherin der Landespartei, dass die Neumitglieder entweder über den Koalitionsvertrag mit abstimmen wollen oder die Entscheidung des Parteitags unterstützen wollen.

In Baden-Württemberg verzeichnete der SPD-Landesverband nach dem Parteitag einige Dutzend Neueintritte. Ein Parteisprecher sagte, die Austritte könne man dagegen an einer Hand abzählen.

In den kleinen SPD-Landesverband Brandenburg traten seit Sonntag 15 neue Mitglieder ein. Austritte habe es keine gegeben, sagte Generalsekretär Erik Stohn. Damit setze sich ein positiver Trend seit der Bundestagswahl fort. Seit Anfang Oktober seien knapp 160 Brandenburger in die Partei eingetreten, Austritte habe es nur knapp 40 gegeben.

Kontingent für Familiennachzug vergrößern

SPD-Vize Ralf Stegner hat den Beschluss des SPD-Parteitags zum Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge präzisiert.

„Wir brauchen eine Härtefallregelung und wir müssen auch noch einmal über das Kontingent sprechen“, sagte Stegner der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). „Das Kontingent muss größer werden“, sagte er, „und die Regelungen außerhalb des Kontingents müssen großzügiger gestaltet werden.“

Es gehe um Menschen aus Syrien, Eritrea, Irak und Afghanistan. Nach Schätzungen gebe es aktuell etwa 60.000 Menschen, die für diesen Familiennachzug infrage kommen könnten. Während der Sondierungen hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, dass monatlich 1.000 Menschen im Rahmen des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige kommen dürfen.

Der Familiennachzug soll demnach möglich sein, wenn Ehen vor der Flucht geschlossen wurden, keine schwerwiegende Straftat begangen wurde, es sich nicht um Gefährder handelt und eine Ausreise nicht kurzfristig zu erwarten ist.

Merkel besitzt „ungebrochene Autorität“

Unionsfraktionschef Volker Kauder ist dem Eindruck entgegengetreten, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei nach der Bundestagswahl und monatelangen Koalitionssondierungen geschwächt.

„Die Kanzlerin besitzt eine ungebrochene Autorität“, sagte der CDU-Politiker der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgaben). „Das zeigt sich schon daran, dass die CDU keinen Parteitag braucht, um von Sondierungen zu Koalitionsverhandlungen zu kommen.“

Und aus der CDU höre er ganz klar, dass Merkel eine neue Regierung anführen solle. Kauder machte deutlich, dass er keine grundlegende Reform der CDU für notwendig hält. „Wir haben in der CDU einen ständigen Prozess der inhaltlichen Erneuerung. Wir bleiben unseren Grundsätzen treu – und stellen uns dabei den Veränderungen der Zeit“, sagte der CDU-Politiker. Auch personelle Erneuerung finde in der CDU ständig statt. „Wir haben jetzt einen ganz jungen Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, und mit Armin Laschet einen neuen Mann in Nordrhein-Westfalen.“

Thüringens designierter SPD-Chef fordert Schulz zu Verzicht auf Ministeramt auf

Der designierte thüringische SPD-Chef Wolfgang Tiefensee hat Parteichef Martin Schulz zum Verzicht auf ein Ministeramt in einer möglichen großen Koalition aufgefordert. „Eine 180-Grad-Wende in dieser Frage würde die Glaubwürdigkeit von Martin Schulz erschüttern“, sagte Tiefensee der „Welt“ (Dienstagsausgabe). „Er sollte im eigenen Interesse möglichst schnell klarmachen, dass er nicht in ein Kabinett Merkel eintreten will.“

Es wäre „niemandem zu erklären, wenn Martin Schulz nun ein Ministeramt anstrebt“, sagte Tiefensee, der in Thüringen Wirtschaft- und Wissenschaftsminister ist. „Er hat noch nach der Wahl öffentlich versprochen, keinen Kabinettsposten unter Frau Merkel anzustreben.“

Tiefensee soll auf einem Parteitag am 11. März zum neuen thüringischen SPD-Chef gewählt werden. In der ersten großen Koalition unter Merkel war er zwischen 2005 und 2009 Bundesminister für Bau und Verkehr.

CDU-Politiker will Nachbesserung der Sondierungsergebnisse

Auch in der CDU werden jetzt Forderungen nach Nachbesserung der Sondierungsergebnisse zwischen Union und SPD laut. Der CDU-Europaabgeordnete Hermann Winkler kritisierte den Europateil der Vereinbarung: „Deutschland ist mit der Osterweiterung der EU in die Mitte Europas gerückt, aber im Sondierungsergebnis liegt der Fokus nur und einseitig auf der Kooperation mit Frankreich und Westeuropa“, sagte Winkler der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben). „Im Koalitionsvertrag muss es da Nachbesserungen geben.“

Die kleinen EU-Mitgliedsstaaten und vor allem die osteuropäischen Mitgliedsländer blieben vollkommen außen vor und spielten im Sondierungspapier keine Rolle – dabei seien sie insbesondere für Ostdeutschland von großer strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung, sagte der ehemalige sächsische Staatsminister und frühere Chef der sächsischen Staatskanzlei. Winkler kritisierte auch, dass in den Sondierungen bessere Beziehungen zu Russland keine Rolle gespielt hätten, obwohl Russland ein strategisch wichtiger Partner Deutschlands und Europas sei. „Im Hinblick auf den Koalitionsvertrag erwarte ich da einfach mehr auf Bundesebene“, sagte der sächsische EU-Abgeordnete.

(afp/dpa/dts)



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