Chemikalien zur Wasserreinigung gehen zur Neige

Hohe Energiekosten wirken sich auch auf die Reinigung von Abwasser aus. Erste Bundesländer wollen die Grenzwerte der Klärwerke überschreiten.
Aufbereitung von Abwasser in einer Kläranlage.
Klärbecken einer Kläranlage.Foto: istock
Von 17. September 2022

Dicke Algenteppiche auf Deutschlands Flüssen oder Kanälen könnten bald Wirklichkeit werden. Grund ist der Mangel an Reinigungsmitteln für das Abwasser. Wegen der Energiekrise werden auch diese sogenannten Fällungsmittel knapp.

Wie der „Spiegel“ recherchierte, haben Chemieunternehmen Lieferprobleme. Aufgrund hoher Energiekosten produzieren viele Hersteller kaum noch Salzsäure – ein Grundprodukt für die Herstellung von Fällungsmitteln.

„Die Fällungsmittel sind notwendig, um einige Stoffe aus dem Trinkwasser zu entfernen, die in gelöster Form vorliegen“, erläutert Harald Uhlig, zertifizierter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene, auf Anfrage von Epoch Times.

Die Fällungsmittel wie Eisen- und Aluminiumsalze, die nun knapp werden, binden Stoffe, die sich in Form von Flocken absetzen und dann herausgefiltert werden.

Reste von Medikamenten im Abwasser

Das große Problem ist das Abwasser. Denn „da sammelt sich zunächst alles – etwa die Ausscheidungen des Menschen, die Medikamente oder Hormone zu sich nehmen“, erläutert der Fachmann. Bakterien sind ebenfalls vorhanden, und die müssten auf jeden Fall reduziert werden. Auch dazu eignen sich die Flockungsmittel. In Teilen könnten die Schadstoffe durch Mikroorganismen abgebaut werden. Diesen Vorgang nennt man metabolisieren.

Die Fällungsmittel sorgen auch dafür, dass die Phosphorverbindungen aus dem Abwasser entfernt werden. Der dabei entstehende Klärschlamm kann dann auf Deponien verbrannt werden. Bleibt zu viel Phosphor in den Abwässern, droht eine „Eutrophierung der Gewässer“. Mit anderen Worten: Es kommt zu einer massiven Algenblüte, was letztlich dazu führt, dass der Sauerstoffgehalt in den betroffenen Gewässern stark zurückgeht. Ein Fischsterben sei dann eine der Folgen. „Das Thema ist in seiner Komplexität ein Riesenproblem“, sagt Uhrig.

Kaum Untersuchungen

Auch bei normal funktionierenden Kläranlagen können Reste von Medikamenten und andere Schadstoffe nicht restlos entfernt werden. Wenn Fällungsmittel fehlen und das Wasser nach der Reinigung in der Kläranlage in die Gewässer zurückgeleitet wird, gelangt eine größere Menge dieser Stoffe in den Wasserkreislauf und somit später in das Trinkwasser. Das bleibe aber für den Menschen trotz dieser Mängel weiterhin genießbar. Überreste von Pillen, Salben oder Tropfen aus der Pharmaindustrie fänden sich in so geringer Konzentration, „dass man – im Moment – noch davon ausgeht, dass sie den menschlichen Organismus nicht oder nur in geringem Umfang schädigen“.

Uhlig betont aber auch, dass es dazu bisher lediglich „ansatzweise“ Untersuchungen gegeben hat. Pflanzenschutzmittel spielen im kommerziellen Bereich aufgrund gut funktionierender Kontrollen von Behörden weniger eine Rolle bei der Belastung, seien aber ein Problem in privaten Gartenanlagen. Nach dem Motto „Viel hilft viel“ sei der Einsatz dort oft übermäßig und daher schädlich.

Mikroplastik auch im Blut Neugeborener

Inwieweit Rückstände von Impfstoffen das Abwasser belasten, sei bislang unbekannt. „Dazu gibt es wenig Erkenntnisse, und da ist auch nichts in dieser Richtung zu erwarten“, glaubt Uhlig. Bei dem Corona-Impfstoff handele es sich um eine völlig neue Art von Impfstoff, doch verbleibe der überwiegende Teil des Vakzins im menschlichen Körper. „Da wird nicht viel ausgeschieden.“ Daher sehe er „so gut wie keine Probleme für die Umwelt“.

Anders ist das bei mikroskopisch kleinen Kunststoffen. „Es gibt wohl keinen Menschen mehr, auch nicht Neugeborene, wo man kein Mikroplastik im Blut nachweisen kann.“ Die Verwendung sei sehr vielfältig und finde sich letztlich auch im Trinkwasser wieder.

Gefahr für gestresste Gewässer

Zurück zum Fällungsmittel: Ohne diese Substanzen werden Grenzwerte in den Kläranlagen überschritten, weil Abwässer einen hohen Phosphatgehalt aufweisen.

Die Umweltministerien von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben Anträge gestellt, die Grenzwerte überschreiten zu dürfen. Dies könne die nach dem heißen und trockenen Sommer „gestressten Gewässer“ jedoch gefährden und ein übermäßiges Algenwachstum auslösen, denn Phosphate sind Düngemittel für diese Pflanzen. Die Gewässer könnten kippen und durch den Sauerstoffmangel ist alles Leben in ihnen bedroht. Experten warnten daher vor einer „verordneten Eutrophierung“.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 62, vom 17. September 2022.



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